achtundzwanzig

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Charlize

Ich atme tief ein, bevor ich mich umdrehe und ein Grinsen mein Gesicht ziert. Ein stolzes Grinsen. Das war eigentlich schon lange überfällig.
„Charlize!", faucht meine Mutter, wie eine verdammte Giftschlange. Wobei ich in diesem Fall nicht abstreiten würde, ob sie nicht sogar wirklich eine ist. Plötzliche Wut überkommt mich und schlagartig drehe ich mich nochmal um. „CHARLIE!", schreie ich, während meine Augen sich augenblicklich mit Tränen füllen, „Verdammt nenn mich nie wieder Charlize! Ich hasse diesen Namen, so wie fast alles an dieser verkackten Familie!" – und mit diesen Worten verschwinde ich in mein Zimmer. In mein noch Zimmer, denn jetzt ist es meine Aufgabe zu packen und keine Ahnung wie, hier weg zu kommen. Immerhin bin ich gerade indirekt ausgezogen. Und ich werde es auch direkt tun. Nämlich heute. Jetzt. Hier.
Noch während ich meine Koffer hervorkrame und die ersten Klamotten aus dem Schrank in meinen Koffer werfe, überlege ich wo ich hin kann. Meine beste Freundin wäre zwar eine Option, aber ständig zu hören wie sie meinen Bruder vögelt oder besser gesagt anders rum, ist jetzt nicht das was ich unbedingt will. Außerdem ist ihre Wohnung nicht die größte und Elion hängt ja sowieso ständig bei ihr. Zusätzlich kommt noch dass sie in knapp zwei Monaten studieren geht. Das heißt die Wohnung ist dann auch weg. Trotzdem muss ich sie anrufen, sie hat ein Auto und kann mich und mein Zeug abholen und wo auch immer hinbringen. Kurzer Hand rufe ich Jenna an.

J: Ich grüße dich
C: Schon wieder mit Elion gevögelt oder warum so gut gelaunt?
J: Der ist nicht mal hier. Er hat gesagt er muss noch was erledigen und kommt dann zu mir.
C: Interessant. Egal, was anderes hast du dein Auto parat?
J: Tiefgarage warum?
C: Kannst du mich in ca. einer Stunde abholen?
J: Und wohin bringen? Charles was hast du getan?
C: Lange Geschichte
J: Ich habe Zeit, ich sage sogar deinem hübschen Bruder ab
C: Jen!
J: Hör auf zu lachen und rede Miller! 

Und dann erzähle ich Jenna erstmal alles. Von dem Ultimatum bis hin zu meinem kleinen Vortrag, den sie wahrscheinlich wirklich mal nötig hatten. Allein dass ich ein Ultimatum bekommen habe, zeigt doch, wie sehr sie mich zu dem zwingen wollen, was ich nicht will. Sie wollen mich Formen. Anpassen. Angleichen. Verbessern. Zu der Person oder besser gesagt zu einer Person die ich einfach nicht bin und niemals sein werde.
Als ich fertig bin ist meine beste Freundin voller Wut auf meine Eltern und unglaublich stolz auf mich. Nur ein bisschen pissig scheint sie auf Elion zu sein, weil er nicht dabei war, um mich zu unterstützen, aber das nehme ich ihm persönlich nicht übel. Während sie sich weiter aufregt, um dann wieder fast vor stolz zu platzen, packe ich meinen Koffer weiter und überlege wo ich hin kann.

In zwei Koffer habe ich nur Klamotten und Waschzeug reingepackt. In einer weiteren Tasche habe ich Elektrozeug und Papierkram, was wichtig ist und in einer weiteren Tasche habe ich alles Mögliche drinne, wie beispielsweise Bücher oder auch mein Tagebuch. Als ich es einpacken will, fällt es mir aus meiner Hand und ein Eintrag wird aufgeschlagen, der mir sofort ins Auge sticht.

Wie kann denn das sein? Wie kann ich denn so etwas Derartiges spüren. Ich habe so etwas noch nie gespürt und ich habe schon mit vielen geschlafen. Nenn mich schlampe, vielleicht bin ich es, aber dass was er vor ein paar Stunden in mir ausgelöst hat, ist unglaublich und ich will es wieder spüren.

Es war am Morgen nach dem Essen bei Markus Eltern, wo wir das zweite Mal miteinander geschlafen haben. Natürlich habe ich sofort was zwischen uns gespürt, aber wie sollte ich wissen was es ist? Wie sollte ich wissen, dass es liebe ist, wenn ich nie wusste, wie es sich anfühlen kann?
Jenna reißt mich plötzlich aus meinen Gedanken.
„Okay, wie weit bist du? Ich könnte dich jetzt holen und zu deinem neuen zu Hause fahren, wo auch immer das ist.", ich höre ihr schmunzeln genau und dass sie auf dem Weg zu ihrem Auto ist. „Fast fertig", antworte ich noch ein bisschen verloren. „Okay, ich fahre gleich los. Bis dann"
„Bis dann" – aufgelegt.
Und als ich auflege kommen mir drei verpasste Anrufe von Markus entgegen und mehrere Nachrichten. Schlagartig wird mir schlecht.

Idiot<3: Hey...
Idiot<3: Ich habe dich schon angerufen, aber du telefonierst gerade
Idiot<3: Können wir bitte reden?
Idiot<3: In einer halben Stunde an der Lichtung?
Idiot<3: Bitte...

Er hatte es getan. Den ersten Schritt nach drei Wochen Funkstille. Ich wollte das es aufhörte. Dieser Schmerz. Also antwortete ich ihm.

Charlie: Zwei Stunden

Und plötzlich wusste ich, wo ich vorrübergehend wohnen könnte. Bzw. werde

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𝑭𝒓𝒐𝒎 𝑻𝒉𝒆 𝑺𝒕𝒐𝒓𝒚 𝑶𝒇 𝑴𝑨𝑹𝑳𝑰𝑬Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt