Auf Arbeit hat Eva Mühe, sich zu konzentrieren, denn ihre Gedanken kreisen um Mamoudes Ausbruch. Sie ist ihm nicht mehr böse, vielmehr hat sie Mitleid mit ihm. Sie weiss nicht, weshalb sie so empfindet, glaubt aber, dass ihn etwas wirklich beschäftigt. Während des Mittagessens bittet eine Frau neben Eva sie, ihr ein Glas Wasser einzugiessen. Aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen ist sie nicht selbst dazu in der Lage.
"Natürlich Anna", sagt Eva geistesabwesend, giesst ein ohne hinzuschauen und das Glas läuft über. Anna beschwert sich, doch Peter, ein sehr hilfsbereiter Mann mit Trisomie 21, fängt Evas schuldbewussten Blick auf. Über den Tisch hinweg klopft er ihr auf die Schulter und versichert ihr, dass das ja jedem Mal passieren kann. Eva lächelt, als Peter einen nassen Lappen aus der Küche holt.
"Danke Peter", sagt Eva, "aber wenn du Wasser aufwischen möchtest, brauchst du einen trockenen Lappen."
Peter sieht Eva traurig an und es tut ihr leid, da sie weiss, wie gerne er hilft. Gemeinsam holen sie ein trockenes Geschirrhandtuch und wischen das Wasser auf.Am Nachmittag bei der Teamsitzung besschäftigt Eva Mamoudes Verschlossenheit weniger. Stattdessen fühlt sich ihr ganzer Körper an, als würde Mamoude ihn von innen her ausfüllen. Irgendwie hat sich Energie in Eva aufgestaut, die sie herauslassen sollte, in dem sie jemandem von ihrem Erlebnis von letzter Nacht erzählt. Sie möchte an einem unpassenden Ort einfach damit herausplatzen und laut rufen: Ich habe Liebe gemacht! Ob sich wohl jeder so fühlt, nachdem er es zum ersten Mal getan hat?
Eva merkt, wie sie die Runde erwartungsvoll anblickt und ihr Chef eine Augenbraue angehoben hat. Offenbar war sie etwas gefragt worden. Auf einmal ist sich Eva sicher, dass die Worte, die sie so gerne hinausschreien möchte, in roten fetten Buchstaben auf ihrer Stirn stehen. Sie läuft rot an und widersteht dem Drang, an ihrer Stirn zu reiben. Ich habe Liebe gemacht! Wenn sie das nun als Erklärung für ihr Verhalten geben würde... Dabei ist sie ohnehin schon das Küken des Teams. Wenn sie herauskriegen würden, dass Eva Jungfrau war...***
Eva ist froh, als der Tag endlich vorbei ist und sie nach Hause kann. Sie will ihr Tagebuch hervornehmen und ihre Gedanken ordnen. Aber dann sieht sie das dreckige Geschirr in der Spüle und ihr fällt ein, dass sie nach ihrem nächtlichen Missgeschick die Toilette putzen muss. Und sie ist müde.
Erschöpft lässt sich Eva auf ihr Sofa sinken und bleibt lange Minuten regungslos sitzen. Dann steht sie auf, macht den Abwasch und lässt sich anschliessend ein Bad ein. Sie nimmt ein Buch mit in die Badewanne und beschliesst, sich für eine Stunde ablenken zu lassen. Sie spielt mit der Badekugel mit Kirschblüten, die sie von Deborah, ihrer Schwester, zum Geburtstag bekommen hat. Mit schrumpeliger Haut und entspannten Gliedmassen steigt sie schliesslich aus der Badewanne. Mit einem Tuch wischt sie über den angelaufenen Spiegel und betrachtet sich darin."Ich bin schön", flüstert sie ihrem Spiegelbild zu. Das hat sie heute Nacht zu sich gesagt. Eva findet sich nicht hässlich. Sie weiss, dass sie das nicht ist. Aber heute Nacht hat sie sich zum ersten Mal nicht einfach durchschnittlich, sondern wirklich schön gefunden.
Dann fällt Eva ein, dass sie ihr Handy anstellen sollte, denn sie möchte Mamoude nicht glauben lassen, sie sei böse auf ihn und will ihn nicht wiedersehen. Dabei denkt sie an ihr gescheitertes Treffen von neulich zurück.
Sie hat nach diesem Arbeitstag Ruhe vor allfälligen Nachrichten gebraucht. Jetzt muss sie aber mit Mamoude sprechen. Auf ihrem Handy sieht sie drei verpasste Anrufe von Mamoude, aber er hinterliess ihr keine Nachricht. Eva ruft ihn zurück."Eva! Salut Chérie, comment ça va ?"
"Gut und dir?", antwortet Eva erleichtert, keine Standpauke zu ihrem ausgestellten Handy zu erhalten. Sie versucht, möglichst normal und beiläufig zu klingen, aber ihr Herz schlägt ihr bis zum Hals, wenn sie nur seine Stimme hört. Wie heute während der Gruppensitzung hat sie auf einmal das Gefühl, explodieren und mit der Wahrheit einfach hinausplatzen zu wollen. Aber Mamoude kennt die Wahrheit. Sie haben zusammen Liebe gemacht. Eva glaubt, dass ihr Lächeln durch das Telefon spürbar sein muss, aber Mamoude klingt niedergeschlagen.
"Ja, mir geht es gut. Ich denke die ganze Zeit an unsere Nacht zurück."
Eva ist verunsichert, da sein Tonfall nicht zu seinen Worten passt. Sie versucht, sich ihm gegenüber unbeschwert zu geben: "Ich auch! Ich kann nicht glauben, dass wir das wirklich getan haben. Aber es war unglaublich!""Hör zu, ich möchte nicht, dass du denkst, dass ich dir nicht vertraue oder es nicht ernst mit dir meine..."
Mamoude atmet tief durch und Eva spürt, dass ihm etwas auf dem Herzen liegt.
"Ich weiss einfach nicht, wie ich es dir beibringen soll."
"Es ist wohl nicht so schlimm. Spuck es einfach aus, ich werde versuchen, es zu verstehen. Du kannst mir vertrauen", sagt Eva um Mamoude zu ermuntern. Sie möchte nicht, dass das, was sie soeben erst gefunden haben, wieder zerbricht, sondern alles in ihrer Macht Stehende dafür tun, damit sie zusammen sein können.
"Kommst du morgen nach der Arbeit zu mir? Treffen wir uns gegen 20:00 Uhr am Bahnhof?", fragt Mamoude und Eva erklärt sich einverstanden.Eva legt auf und lehnt sich auf dem Sofa zurück. Sie fühlt sich ausgelaugt und energiegeladen zugleich. Sie schreibt einige Sätze in ihr Tagebuch, ist aber nicht wirklich konzentriert und scrollt bald schon durch alte Einträge. Bei einem Eintrag, kurz nachdem sie Mamoude kennengelernt hat, bleibt sie hängen.
Mamoude hat einfach den perfekten Namen. Ich liebe es, wenn Männernamen die Buchstaben A und O enthalten. Aber die M's in seinem Namen runden alles perfekt ab. A und O sind im Gegensatz zu E und I so kraftvolle, schwere Buchstaben. M klingt an sich schon männlich. Und trotzdem mag ich das sanfte D, das seinem Namen eine weiche Note verleiht.
Eva lächelt, als sie liest, wie viele Gedanken sie sich über Mamoudes Namen gemacht hat, obwohl sie ihn zu der Zeit wohl kaum mehr als zwei oder dreimal kurz gesehen hat. Aber sie hat recht, findet Eva, denn so denkt sie noch immer über Mamoudes Namen: Er ist wirklich perfekt.
Als sie später ins Bett geht, legt sie sich auf die Seite, auf der Mamoude letzte Nacht geschlafen hat. Sie presst ihr Gesicht ins Kopfkissen und saugt seinen Geruch in sich ein.
Morgen schon werde ich ihn wiedersehen! Und ich will wieder mit ihm Liebe machen, sind Evas letzte Gedanken bevor sie friedlich einschläft.
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(un)glückliche Liebe
RomanceDie schüchterne Eva verliebt sich in den gutaussehenden jungen Mamoude. Doch die Beziehung soll geheim bleiben. TW: sexuelle Inhalte (immer gekennzeichnet)