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Nach einer atemberaubenden Runde Liebe machen liegt Eva mehr als befriedigt im Bett, als sie hört, dass Mamoude einen Topf aus ihrem Schrank holt. Nein, er sollte nicht bei ihr kochen müssen. Mit einer rasch übergezogenen dünnen Stoffhose stellt sich Eva in der Küche hinter Mamoude und umschlingt seinen Bauch von hinten mit ihren Armen. Beide sind etwa gleich gross und so kann Eva mühelos ihren Kopf auf Mamoudes Schulter stützen.
"Mamoude, du solltest nicht für uns kochen. Ich kann das machen. Willst du wirklich Spaghetti?"
Mamoude nickt.
"Ich finde sicherlich noch etwas Fleisch im Tiefkühlfach und ich habe auch noch Reis...", setzt Eva an doch Mamoude unterbricht sie: "Eva! Spaghetti mit Pesto. Das ist es, was ich an dir liebe."

Eva hebt eine Augenbraue aber natürlich kann Mamoude es nicht sehen. Sie drückt ihm einen Kuss in den Nacken und widersteht der Versuchung, ihn damit zu necken. Sonst landen wir gleich wieder im Bett und werden gar nichts mehr essen, denkt sie amüsiert. Oder vielleicht schaffen wir es gar nicht bis ins Bett und machen Liebe auf dem Sofa?
"Was lachst du?", fragt Mamoude.
"Ach nichts." Eva grinst ihren Freund an und ist sich sicher, er hat erraten, in welche Richtung ihre Gedanken soeben gingen.

Als die Spaghetti gut sind, giesst Eva das Wasser ab und stellt sie auf den Tisch. Mamoude hat bereits gedeckt. Sie holt das Pesto, Reibkäse und Sambal Oelek aus dem Kühlschrank. Natürlich habe ich nicht daran gedacht, Chili zu kaufen, schilt sich Eva. Sie ärgert sich, aber Mamoude hat sie unvorbereitet besucht und so hat sie dazu eigentlich keinen Grund. Wie um sie darin zu bestätigen, nimmt Mamoude sogar von dem Sambal Oelek.
Jetzt beginnt der unangenehme Teil des Abends, weiss Eva. Sie würde ihn nur zu gerne überspringen, aber Mamoude ist ihr einige Erklärungen schuldig. Mamoude scheint die Gedanken seiner Freundin zu spüren, denn ohne sie anzusehen schiebt er seinen Unterkiefer nach vorne, wie immer, wenn er gestresst ist.
"Du möchtest wissen, warum ich es dir nicht eher erzählt habe", sagt er trocken. Eva schweigt aber sobald Mamoude wieder zum Reden ansetzt, unterbricht sie ihn.
"Ich habe viele Fragen", sagt sie. "Ich will dich damit nicht überfahren und du muss mir keine einzige beantworten."
Naja, eigentlich doch, denkt Eva. Sie erwartet einige Antworten wenn Mamoude ihr zeigen möchte, dass sie ihm wichtig ist. Sie zuckt mit den Schultern.

Mamoudes Kiefer spannt sich weiter an, als er den Löffel in seinen halbleeren Teller Spaghetti legt.
"Dann fang an", sagt er. "Frag mich, was du wissen willst."
Eva räuspert sich und trinkt fast das ganze Glas Wasser in einem Zug aus. Ihre Beine zittern unter dem Tisch und Eva hofft, dass Mamoude es nicht bemerkt.
"Wie lange weisst du es schon?"
"Seit ungefähr einem Jahr."
Eva runzelt die Stirn. Die Information kommt nicht wirklich bei ihr an.
"Warum...?", setzt sie an und hält dann inne. Die Rädchen in ihrem Gehirn müssen sich hörbar bewegen.
"Ja. Warum habe ich es dir nicht erzählt." Mamoude vervollständigt ihre Frage, als ob es eine Feststellung wäre.
"Schätze mal, wir standen uns nicht so nahe. Du hast mich ja nicht an dich herangelassen. Eine Zeit lang war es Selbstschutz. Ich befürchtete, du könntest dich insgeheim darüber freuen."

Im ersten Moment schockiert über Mamoudes Aussage überlegt sich Eva, ob er recht haben könnte und sie sich wirklich einmal darüber gefreut hätte. Sie kommt zu dem Schluss, dass dem nicht so ist.
"Nie im Leben, Mamoude!"
Mamoude zuckt nur mit den Schultern, als sei ihm ihre Antwort gar nicht so wichtig.
"Aber wenn du es mir gesagt hättest...", sagt Eva mit einem flehenden Unterton in ihrer Stimme. "Ich hätte versuchen können dir zu helfen, dich über deine Rechte aufklären zu lassen und..."
Mamoudes Kiefer verspannt sich, seine Augen werden dunkel. Er schlägt mit der Faust auf den Tisch.
"Ich kenne meine Rechte, Eva! Glaubst du, ich sitze ein Jahr herum und warte auf meine Ausschaffung? Glaubst du das wirklich?"
Energisch steht Mamoude auf.
"Ich habe alles getan, Eva. ALLES! Alles in meiner Macht Stehende habe ich getan und glaubst du, ich hätte keine Freunde, die mich unterstützen?"

Sichtlich gereizt setzt Mamoude sich auf Evas Sofa. Er stützt die Ellbogen auf seine Knie und versenkt sein Gesicht in den Händen. Eva fühlt sich schlecht.
"Meine Fussballmannschaft hat eine Petition für mich zusammengestellt und diese eingeschickt, mein Chef hat sich für mich eingesetzt, denn er wollte, dass ich weiter arbeite. Das alles hätte ich von dir nicht verlangen können."
Im Gegensatz zu seinem vorherigen Ausbruch klingt Mamoudes Stimme nun leise und sanft. Langsam steht Eva auf. Mit viel Abstand blickt sie Mamoude an.
"Heisst das, seit einem Jahr hast du keine gültigen Papiere mehr?", fragt sie schüchtern.
"Natürlich nicht."
Mamoude holt seinen Pass aus der hinteren Hosentasche und streckt ihn Eva entgegen. Sie nimmt ihn und öffnet ihn. Das Gesicht eines Teenagers sieht ihr mit einem kleinen, fast unmerklichen Lächeln entgegen. Eva sieht Stolz in seinen dunklen Augen. Unwillkürlich muss sie lächeln, als sie Mamoude auf dem Foto sieht und überlegt sich, wie er als afrikanischer Junge gewesen ist.

"Gefällt dir das Bild?", fragt Mamoude sanft. "Schau auf das Datum."
Eva sieht, dass der Pass noch einige Jahre gültig ist. Dann entdeckt sie Mamoudes Geburtsdatum. Mehr erstaunt als schockiert blickt sie zu Mamoude.
"Du bist erst zwanzig! Du bist zwei Jahre jünger als ich!"
"Ja, in Afrika", antwortet Mamoude. "Hier bin ich dreiundzwanzig, so wie ich es dir gesagt habe."
Eva wird bewusst, was Mamoude damit meint.
"Sie haben dich älter gemacht, damit sie dich leichter wieder ausschaffen können", sagt sie schlicht. Mamoude nickt betreten. Mit einer Hand Mamoudes Pass auf die andere schlagend und dann damit wedelnd macht sie einen Schritt auf ihn zu.
"Aber du hast doch einen gültigen Pass! Warum hast du den nicht einfach gezeigt? Sie hätten dir glauben müssen!"
Mamoude schüttelt den Kopf.
"Ich habe ihn versteckt gehalten und gesagt, ich hätte ihn auf der Reise verloren. Du verstehst das nicht."

Betroffen setzt sich Eva zu Mamoude auf das Sofa, noch immer mit Abstand. Sie möchte wissen, wie er gereist ist. Das möchte sie schon lange wissen, aber Mamoude blockte bisher jedes Mal ab, wenn sie ihn danach fragte.
Seit sie mit Leonie telefoniert hat, hat sie aber noch eine andere Frage: "Du sagtest mir immer, du hättest dir mit einem Freund eine Wohnung geteilt. Stimmt das, oder hast du mir das nur erzählt, damit ich nicht auf die Idee komme, du könntest keine Aufenthaltsbewilligung haben?"
Mamoude atmet tief durch.
"Die Frage kommt von deiner Freundin, richtig?", durchschaut er Eva sofort. "Ich weiss, dass du nicht glaubst, ich hätte dich angelogen, aber sie hat Zweifel gestreut. Ich hatte eine Wohnung mit meinem Freund, João kann es dir bestätigen, er war oft da. Ich hatte auch eine Aufenthaltsbewilligung."
"Was ist dann passiert?"
"Eine Familie sollte in die Wohnung ziehen. Familien haben Vorrang vor Einzelpersonen. Meinem Freund gaben sie eine neue Wohnung, klein, für eine Person. Da sie mich sowieso loswerden wollten, war die einfachste Lösung, mich ins Asylheim zurück zu stecken."

Ein kalter Schauer fährt über Evas Rücken. Mamoude redet sachlich, als wäre er vom Geschehen weit entfernt. Aber in seinem Gesicht kann Eva den Schmerz lesen. Lange sitzen die beiden auf dem Sofa und schweigen. Nach und nach rutschen sie näher aneinander. Sie geniessen die Berührung und die Wärme des Anderen. Leise beginnt Eva zu weinen.
"Eva, hör auf zu weinen, das bringt uns nicht weiter", sagt Mamoude.
"Warum weinst du nie?", antwortet Eva. "Manchmal hilft es."
Doch Mamoude schüttelt den Kopf. "Ich weine nie."
Nach weiteren stillen Minuten beginnt Mamoude leise zu summen. Überrascht sieht Eva ihren Freund an. Sein Gesicht ist noch immer traurig, aber er lächelt, als er Evas Blick bemerkt. Langsam wiegt er sie in seinen Armen hin und her.

"Hast du dich nie gefragt, wie ich hierher gekommen bin?"
Eva legt einen Finger auf Mamoudes Lippen und flüstert: "Du musst es mir nicht erzählen. Lass dir Zeit. Erzähle es mir, wenn du dazu bereit bist."
Mamoude nickt und steht auf. Er geht ins Schlafzimmer und kommt mit Evas kleiner Musikbox zurück, die auf ihrem Nachttisch stand. Er verbindet sie mit seinem Handy und wählt ein Lied.
"Achte gut auf den Text, das Lied ist meine Lebensgeschichte. Es ist französisch."
Mamoude spielt Eva das Lied ab. Die Klänge nehmen sie vom ersten Augenblick gefangen. Mit Tränen in den Augen saugt Eva jeden einzelnen von ihnen auf. Vom Text versteht sie nicht viel, denn sie kann sich nicht auf ihn konzentrieren.
"Und, was denkst du?", fragt Mamoude.
"Ich..." Eva wischt sich die Tränen weg. "Es ist wunderschön, das Lied. Es klingt aber so traurig."
"Hast du den Text verstanden?"
Eva schüttelt den Kopf. "Nicht alles, ich war so eingenommen von den Klängen."
Mamoude spielt das Lied erneut ab und gibt Eva dazu eine Zusammenfassung des Textes.
"Schreibst du mir Titel und Interpret auf?"
Lange betrachtet Eva den kleinen Zettel mit wenigen Wort, in Mamoudes Handschrift geschrieben.

KEBLACK
VENDEURS DE RÊVES

(un)glückliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt