Nachdem Mamoude Eva hat sitzen lassen, beschliesst sie, ihre Eltern zu besuchen und sich abzulenken. Falls Mamoude wider Erwarten noch auftauchen sollte, beschliesst Eva, hatte er einfach Pech gehabt. Sie findet, lange genug auf ihn gewartet zu haben. Sie stellt ihr Handy aus und geniesst einen der letzten Sommerabende im Garten mit ihrer Familie.
"Wie läuft dein neuer Job?", fragt sie Deborah, Evas jüngere Schwester. Sie ist das pure Gegenteil von Eva. Nicht nur optisch, denn die beiden vertreten auch komplett unterschiedliche Interessen.
Eva arbeitet in einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung, Deobrah hingegen studiert Chemie.
"Die zwölf-Stunden-Blöcke sind sehr intensiv", antwortet Eva. "Aber es macht mir sehr viel Spass und sowohl das Team als auch die Bewohner sind tolle Menschen.""Möchte jemand gerne noch einen Schluck Wein haben? Wir haben noch angefangenen Rosé im Kühlschrank", unterbricht Evas Vater das Gespräch. Alle nehmen ein Glas, mit Ausnahme von Evas kleinem Bruder Marco, der lieber Bier trinkt.
"Ich muss morgen ohnehin bloss zur Schule. Und mir ist beigebracht worden, am Abend vorher kein Alkohol zu trinken", sagt er.
Deborah und Eva werfen sich einen vielsagenden Blick zu und beginnen zu lachen. Diese Tugend haben beide längst hinter sich gelassen.Spontan entschliesst sich Eva, bei ihren Eltern zu übernachten. Doch bevor sie ihr altes Kinderzimmer betritt, klopft sie an Deborahs Zimmertür.
"Darf ich reinkommen?"
"Nur zu", ertönt es von innen. Seit Eva ausgezogen ist, haben die beiden Mädchen nicht mehr so viel Zeit um gemeinsam zu reden, daher möchte Eva die Gelegenheit nun nutzen. Vom Wein beschwipst kichern die beiden über alte und neue Geschichten.
"Warum bist du eigentlich hergekommen?", fragt Deborah plötzlich.
Ich wollte mit jemandem über Mamoude reden, schiesst es Eva durch den Kopf. Mit jemandem, der mich versteht. Doch sie weiss, dass die Einstellung ihrer Schwester ähnlich ist, wie die ihrer Eltern und so lässt sie es sein.
"Nur so", antwortet sie stattdessen. "Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen."Eva zögert es hinaus, ihr Handy wieder anzustellen. Würde Mamoude ihr geschrieben haben? Als sie in ihrem Zimmer ist, findet sie fünf verpasste Anrufe auf ihrem Handy vor. Sie liest die Nachrichten, die Mamoude ihr hinterlassen hat:
Wo bist du? Ich kann dich nicht erreichen.
Du hast gesagt, du wartest auf mich!
Seufzend legt Eva ihr Handy weg. In dieser Nacht schläft sie schlecht. Sie träumt, dass sie Mamoude küsst, aber als er sich von ihr löst, merkt sie, dass es eigentlich João ist. João redet portugiesisch und sie versteht kein Wort. Dann beginnt er, schief zu singen und überall sind Leute. Eva schämt sich und möchte weglaufen, als sie feststellt, weder T-Shirt noch BH zu tragen und versucht, sich zu bedecken. Als schliesslich Leonie und Deborah wütend auf sie zumarschieren, da sie ihnen nichts erzählt hatte, wacht Eva schweissgebadet auf.
Was für ein Alptraum, denkt sie sich. Sie beschliesst, Mamoude anzurufen und die Sache mit ihm zu klären.***
In ihrer Wohnung wapnet Eva sich für den Anruf.
"Ja?", hört sie Mamoudes genervte Stimme.
"Was war das gestern?"
"Das sollte ich dich fragen! Du hast gesagt, du wartest auf mich. Aber du hast mich sitzen gelassen. Ich konnte dich nicht erreichen. Ganze dreissig Minuten habe ich auf dich gewartet!"
Eva ist verwirrt, denn Mamoude hat ihre Anschuldigungen in seine umgewandelt. Sie atmet tief durch und explodiert dann dennoch.
"Was fällt dir ein? Du hast gesagt, du kommst! Ich habe drei Stunden gewartet! Habe ich etwa nicht das Recht, danach zu gehen?"
"Du hättest mir zumindest bescheid geben können. Dann hätte ich mir die Zugfahrt erspart."Eva kocht vor Wut, aber gleichzeitig gibt es ihr ein Gefühl der Genugtuung zu wissen, dass Mamoude auch wütend ist. Er nimmt es ihr übel, dass sie sich nicht mehr gemeldet hat, dabei hat er selbst nicht richtig kommuniziert. Eva hofft, dass er seinen Fehler auch einsieht.
"Eva... hör zu..."
Eva wartet.
"Bist du noch dran?"
"Ja."
"Ich... wollen wir noch einmal versuchen, uns zu treffen? Es würde mir viel bedeuten. Gerade nach unserem wundervollen Abend neulich."
Evas Herz macht plötzlich Luftsprünge. Er hat es einen wundervollen Abend genannt. Das bedeutet, es hat ihm gefallen. Eva wundert sich, dass sie das überrascht. Denn sie hatte bloss getan, was Mamoude sich seit langem wünschte.
"Von mir aus", versucht Eva möglichst gleichgültig zu klingen, aber sie weiss genau, dass sie Mamoude um den Hals fallen würde, würde er ihr gegenüberstehen.
"Machen wir einen Spaziergang am Fluss?"***
Als die beiden sich einige Tage später treffen, weiss Eva nicht, wie sie Mamoude begrüssen soll. Sie entschliesst sich dazu, ihm einfach die gewohnte Umarmung zu geben. Zur gleichen Zeit aber, wie sie Mamoude umarmt, versucht dieser ihre Lippen zu erhaschen, so dass sie schliesslich die Köpfe zusammenstossen. Eva errötet und tritt verlegen einen Schritt zurück. Hätte sie doch nur gewusst, dass Mamoude sie in aller Öffentlichkeit küssen wollte. Statt einen neuen Versuch zu starten, nimmt Mamoude Evas Hand und schlendert langsam mit ihr zum Fluss.
"Soll ich dir mein Geheimversteck zeigen?" Mamoude sieht Eva ernst an, die sogleich losprustet. Das letzte Mal, dass sie ein Geheimversteck besass, war sie zehn gewesen. Mamoude erwidert Evas Prusten mit einem Lächeln, drückt ihr einen sanften Kuss auf die Wange und schiebt einen Zweig zur Seite. Hinter dem Zweig befindet sich ein schmaler Durchgang zwischen den Büschen. Mamoude schubst Eva voraus und geht dicht hinter ihr.Sie landen auf einer gepflegten kleinen Lichtung mit Steinen in Sitzgrösse und einer Parkbank. Vor Staunen bleibt Eva die Luft weg.
"Das ist doch ein Geheimversteck, oder? Es ist ein öffentlicher Ort, den praktisch niemand kennt. Und das Beste ist natürlich der Sichtschutz."
Eva dreht sich um 360 Grad und stellt fest, dass fast überall zirka zwei Meter hohe Büsche um die Lichtung stehen. Auf einer Seite hört sie das Plätschern eines kleines Bachs und mit dem Zwitschern der Vögel fühlt sich die Lichtung wie das Tor zu einer besseren Welt an.
"Wow! Woher kennst du..."
Aber Mamoude lässt Eva nicht ausreden sondern drückt seine Lippen auf ihren Mund.
Eva entfährt ein "Huch!", als Mamoude sich wieder von ihr löst.
"Magst du es, wenn ich dich so überrasche?", fragt Mamoude mit spitzbübischem Lächeln.
"Ja", haucht Eva, nicht wissend, ob er die Lichtung oder den Kuss meint. Ohne zu fragen hebt Mamoude ihr T-Shirt hoch.
"Lass mich sehen, was sich letztes Mal so toll angefühlt hat."
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(un)glückliche Liebe
RomansaDie schüchterne Eva verliebt sich in den gutaussehenden jungen Mamoude. Doch die Beziehung soll geheim bleiben. TW: sexuelle Inhalte (immer gekennzeichnet)