2 Krümel auf dem Sofa

19 5 10
                                    

Eva sitzt mit ihrer besten Freundin Leonie auf ihrem Sofa. Sie trinken Tee und essen Chips. In einer Textnachricht hatte Eva Leonie vage von ihrem Treffen mit Mamoude erzählt. Leonie wird nicht wissen wollen, dass Mamoude mich versehentlich küsste, denkt sich Eva. Ich erzähle ihr ja sonst auch nie etwas von unserem Körperkontakt. Eva merkt, wie sie bei dem Gedanken errötet. Sie würde sich gerne vorstellen, wo Mamoude sie sonst noch berühren könnte.
"Ich verstehe ehrlich gesagt gar nicht, warum er sich überhaupt noch bei dir meldet", sagt Leonie und reisst Eva abrupt aus ihren Gedanken. "Wie lange ist es her, dass du ihn nicht mehr gesehen hast?"
"Viel zu lange, ich weiss. Aber er hat sich nun mal in mich verliebt. Und das kann ich nicht erwidern."
"Ich weiss, dass du ihn nicht liebst. Aber warum akzeptiert er das nicht einfach?"
Vor lauter Schreck, da Leonie überzeugend behauptet, dass Eva Mamoude nicht liebt, stopft sie sich eine ganze Handvoll Chips in den Mund. Dabei verteilt sie Krümel auf ihrem T-Shirt und dem Sofa. Sich über ihr Missgeschick ärgernd läuft sie rot an, wischt die Krümel weg und murmelt, dass sie nachher staubsaugen wird.

"Ich hoffe, du wirst jetzt nicht rot, weil du gerade an Mamoude denkst", lacht Leonie. "Worüber habt ihr euch eigentlich unterhalten?"
"Naja... wir redeten über die Aussicht..." Leonie sieht Eva mit hochgezogener Augenbraue an. "Und... er war der Meinung, es würde sich lohnen, darauf zu warten, dass ich bereit für ihn bin..."
Leonie bricht in schallendes Gelächter aus. "Der Junge ist ganz schön naiv! Was machst du, damit er dir immer noch hinterrennt?"
Eva weiss, dass Mamoude ihr verstecktes Lächeln sieht. Sie weiss auch um die Tatsache, dass sie ihn ihren Hals und ihre Wange küssen lässt und Mamoude damit Mut macht, eines Tages weiter gehen zu können. Aber das kann ich Leonie nicht erzählen, denkt sie sich, sie würde durchdrehen.
"Pass einfach auf. Du weisst nie, ob er in dir nicht einfach bloss eine Chance sieht, ein besseres Leben zu führen." Eva widersteht dem Drang, Leonie zu fragen, was sie damit meint.

***

Als Eva später die Tassen abwäscht, denkt sie an ihre erste Begegnung mit Mamoude. Sie war damals achtzehn gewesen und sang in einem ad hoc Chor Weihnachtslieder auf einer Feier.

Der Junge stand doch tatsächlich in der ersten Reihe, direkt vor der Bühne. Dabei hatten sie gar nicht so gut gesungen. Ihre Augen trafen sich und Mamoude winkte Eva zu. Sie lächelte. Dann nahm er sein Handy hervor und machte einige Fotos von dem Chor. Er hat sie ihr viel später einmal zugeschickt mit den Worten: Heute ist der Tag, an dem wir uns an unsere erste Begegnung erinnern.
Eva wollte diesen Jungen unbedingt näher kennenlernen. Auch wenn es sicher besser gewesen wäre, sich auf die Schule zu konzentrieren, statt abenteuerliche Beziehungen aufzubauen. 

Mit zwei Freunden stand sie draussen vor dem Gebäude und trank Glühwein, als sie Mamoude wieder entdeckte. Es war erstaunlich warm für einen Dezemberabend, es lag kein Schnee und Jacken brauchten sie auch nicht. Mamoude stand weiter hinten, rauchte, und winkte Eva erneut zu. Nun war sie sich sicher, dass sie ihm auch aufgefallen war. Doch anstatt zurückzuwinken, zuckte Eva zusammen und drehte sich abrupt weg. Zu ihren Freunden gewandt sagte sie: "Mir wird langsam kalt, lasst uns wieder hineingehen."

Ob er ihr folgen würde? Eva wusste, dass sie besser nicht mit ihm sprechen sollte. Abenteuer konnte sie gerade nicht gut gebrauchen. Sie drehte sich um. Mamoude blickte sie an und bat sie mit einem Handwink zu ihm zu kommen. Eva schüttelte den Kopf und ging schnell hinein. Drinnen stellte sie sich an die Bar, während ihre Freunde an einer Theke etwas zu Essen aufsuchten. Dort hatte Mamoude sie gefunden und angesprochen. Ohne zu zögern gab sie ihm ihre Nummer.

Seufzend stellt Eva die abgetrockneten Tassen zurück in den Schrank. Sie fragt sich, weshalb Mamoude ihr damals hinterhergelaufen ist und wünscht sich, sie könnte ihm sagen, weshalb sie ihm damals ihre Nummer gegeben hatte und sich einem besseren Kennenlernen anschliessend in den Weg stellte. Ihr Handy vibriert und auf ihrem Bildschirm erscheint eine Nachricht von Mamoude.

Coucou Chérie, bist du gestern gut nach Hause gekommen?

Wie hat dir unser Abend gefallen?

Sehr gut, bis darauf, dass du die ganze Zeit versucht hast, mich zu küssen.

Tut mir leid, aber du weisst, was ich für dich empfinde und unser kleiner Kuss hat mir sehr viel bedeutet.

Mir auch, denkt sich Eva, aber ich werde ihm nicht sagen, dass sich mein Körper deshalb noch immer so kribbelig anfühlt und ich an nichts anderes denken kann.

Ach, und nenn mich nicht Chérie.

Natürlich nenne ich dich so. Das kannst du mir nicht verbieten.

Das bedeutet ja nicht, dass wir zusammen sind, wohl aber, dass ich dich liebe. Und ich möchte, dass du das niemals vergisst.

Augenverdrehend, mit einem ungewollten Lächeln auf den Lippen, legt Eva ihr Handy weg und holt den Staubsauger, um die Krümel wegzusaugen. Sie hört, wie Mamoude ihr noch weitere Nachrichten schickt. Da sie sich aber einredet, an seinen Geständnissen nicht interessiert zu sein, ignoriert sie diese und widmet sich dem Hausputz.

(un)glückliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt