4 In Verlegenheit

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Wohl zum ersten Mal hat Eva Mamoude geschrieben, dass sie ihn gerne wieder sehen möchte, obwohl seit ihrem letzten Treffen kaum eine Woche vergangen ist. Eva spürt, dass es an der Zeit ist, den Schritt, nachdem sie sich so sehr sehnt, endlich zu wagen. Doch sie hat Angst vor der Reaktion ihrer Eltern. Und der von Leonie, fügt sie in Gedanken hinzu.
In Evas Hand liegt ihr Handy, darauf ist auf dem entsperrten Bildschirm Mamoudes Antwort zu sehen.

Warum willst du mich sehen?

Verdutzt und gleichermassen schockiert liest Eva die Nachricht mehrfach. Das hatte er sie noch nie gefragt. Bisher wollte er sie immer sehen, weil... weil er sagte, dass er sie liebt. Eva überlegt, was ihm antworten könnte. Mit Erstaunen stellt sie fest, dass ihre Beweggründe für Mamoude von Bedeutung sind. Gleich darauf schilt sie sich für diesen Gedanken. Zu oft vergisst sie, dass sie der Welt nicht Folge leisten muss sondern selbst Mitspracherecht besitzt. Es geht nicht nur darum, dass Mamoude sie sieht, sondern auch um sie selbst.

Eva widersteht dem Drang, wie ein kleines Kind vor dem Handy auf und ab zu hüpfen, doch freut sich mittlerweile über diese Nachricht, denn sie bietet ihr die Chance, Mamoude etwas über ihre Gefühle zu erzählen. Kurz hat sie den Impuls, Leonie bei der Antwort um Hilfe zu bitten, beschliesst dann aber, es allein zu tun.

Weil ich dich mag. Du bedeutest mir etwas.

Jetzt hat Eva ihr inneres Kleinkind nicht mehr unter Kontrolle, wirft ihr Handy schnell zurück auf das Sofa und rennt in die Küche, wo sie sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzt. Allmählich beruhigt sie sich und will gerade damit beginnen, die Kartoffeln zu schälen, als ihr Handy erneut vibriert.

Ich liebe dich. Und wenn du das nicht erwidern kannst, ist es vielleicht besser, wenn wir den Kontakt abbrechen.

Eva schiessen Tränen in die Augen.

Okay... wenn du meinst...

Eva legt die Kartoffeln zurück in den Schrank und öffnet eine Tafel Schokolade. Sie setzt sich auf das Sofa und stellt sich einen Film an.

Ich meine das nicht. Ich bin es einfach leid, dir alles von mir zu geben und dich überzeugen zu wollen. Ich sehe nun, dass du mich wirklich nicht liebst.

Eva ignoriert Mamoudes Nachricht und bedauert, keine Schlagsahne zu Hause zu haben. In den Filmen haben die Frauen bei Liebeskummer immer Schlagsahne im Kühlschrank, denkt sie sich.

***

Glücklicherweise nimmt ihre Arbeit Eva so sehr ein, dass sie kaum einen Gedanken an Mamoude verschwendet. Doch nach zwei Tagen erscheint wieder eine Nachricht von ihm auf ihrem Bildschirm. 

Salut Chérie. Tu me manques.

Am Donnerstag gibt es ein Fest am See. Komm doch nach der Arbeit vorbei.

Glücklich schaut Eva in ihre Agenda und stellt schockiert fest, dass sie am Donnerstag zwölf Stunden arbeiten muss. Sie arbeitet im Schichtbetrieb.

Donnerstag ist ungünstig. Ich arbeite zwölf Stunden und bis 20:00 Uhr. Dann ist es wohl ein bisschen spät.

Das Fest geht die ganze Nacht, Chérie.

Am Freitag muss ich arbeiten...

Wann beginnst du?

Mittag.

Also dann komm. Meine Freunde werden auch da sein.

Eva schreibt Mamoude, dass sie spontan entscheiden wird, je nach dem, wie müde sie ist. Am Donnerstag nimmt sie neben ihrer normalen Arbeitskleidung ein weit ausgeschnittenes rotes T-Shirt und eine kurze Hose mit. Sie möchte Mamoude gefallen, jedoch kein Kleid anziehen.
Aufgeregt sitzt Eva im Zug. Aus Erfahrung aus früheren Jahren, weiss sie, dass die ganzen Rasenflächen am See mit Ständen, Bars, und kleinen Freilichtdiscos vollgestellt sein werden. Daher ruft sie Mamoude im Vorfeld an und bittet ihn, sie am Bahnhof abzuholen.

"Du kommst wirklich?"
"Natürlich, du hast mich doch eingeladen."
"Hör zu, ich beschreibe dir, wo ich bin. So kannst du mich finden."
"Du weisst, was für einen schlechten Orientierungssin ich habe."
"Dann musst du dich eben konzentrieren."
Eva legt auf. Nach Mamoudes Beschreibung war sie sich sicher, ihn zu finden. Aber nun sieht alles anders aus und sie weiss auf einmal nicht mehr, ob sie nach rechts oder links muss. Sie beschliesst, durch die Stände zu schlendern und sich alles anzusehen. Vielleicht wird sie sich auf diese Art bald wieder zurechtfinden.

"Eva! Eva!", hört sie auf einmal eine Stimme hinter sich und dreht sich um. Mamoude steht hinter ihr, die Arme zu einem Schulterzucken erhoben.
"Komm mit, Mensch! Du läufst komplett in die falsche Richtung!"
"Ich habe dir doch gesagt, dass ich keinen Orientierungssinn besitze", rechtfertigt sich Eva.
"Ja, und das werde ich dir von nun an glauben. Dein Problem ist, dass du dich nicht auf deinen Weg konzentrierst sondern einfach darauf losläufst." Mamoude verdreht die Augen.
"Zum Glück hast du mich ja gefunden. Wo sind deine Freunde?", startet Eva einen Versuch, das Thema zu wechseln. Mamoude führt sie zu ihnen.

Ein junger, schüchtern aussehender Afrikaner kommt auf Eva zu: "Eva! Freut mich, dich endlich kennenzulernen. Mamoude redet so oft über dich." Eva lächelt und hält ihm die Hand hin, doch im selben Moment wird sie von ihm umarmt. Sofort schiesst Eva das Blut ins Gesicht. Mamoude bemerkt die peinliche Situation zwischen den beiden und fängt laut an zu lachen ohne etwas zu sagen. Erst später flüstert er ihr ins Ohr: "Du magst Boubacar, nicht wahr? Ja, er sieht besser aus als ich."
Eva boxt ihn darauf sanft in die Schulter.
"Hör auf, du weisst genau, dass das nicht stimmt."

"Und das ist João. Er ist Brasilianer", stellt Mamoude seinen Freund vor.
"Hey, ich verzichte auf den Handkuss, schöne Frau. ich will Mamoude nicht eifersüchtig machen." Auch João umarmt Eva, aber dieses mal ist sie vorbereitet.
João und Boubacar trinken Wodka und hören Musik auf dem Rasen. Irgendeinmal steht João auf und tanzt zu den Reggaetönen. Eva und Mamoude haben sich einige Meter entfernt. Er hat Eva ihr Lieblingsbier mitgebracht.

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"Schau, ich muss dir etwas zeigen." Mamoude greift in seine Hosentasche und zieht ein Feuerzeug heraus. Beim genaueren Betrachten prustet Eva los.
"Das ist..."
"Ja. Das ist ein Männerkörper", ergänzt Mamoude vielsagend und schaut sie belustigt an. Er zeigt auf den nackten weissen Männerkörper des Feuerzeugs. "Also diese Muskeln! Da bin ich richtig eifersüchtig!
E

va betrachtet Mamoudes straffe Oberarme und will gerade sagen, dass er das nicht nötig hat, als Mamoudes Finger auf dem Feuerzeug nach unten wandert. Er zeigt auf den Penis des Männerkörpers. "Aber das! Das ist winzig. Da kann ich also mehr bieten. Warum designt man überhaupt so etwas kleines?"


Ende

Eva bemüht sich, angeekelt wegzuschauen und die Augen zu verdrehen. Doch stattdessen errötet sie und prustet erneut los.
"Glaubst du, der Hersteller dieses Feuerzeugs hielt das für gross?" Mamoude sieht Eva erwartungsvoll an. Doch sie findet keine gute Antwort, ihr bleibt der Mund offen stehen.
"Ach Eva." Mamoude wirft das Feuerzeug ins Gras. "Warum kannst du mich nicht einfach lieben?"
Eva sieht verstohlen zu João und Boubacar hinüber.
"Und was, wenn ich das tue?"

(un)glückliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt