13 Werden wir es tun?

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Evas Woche ist mit Terminen vollgestopft und Mamoude scheint es nicht anders zu gehen. Am Telefon versuchen die beiden einen Zeitpunkt zu finden, sich endlich wieder sehen zu können. Es ist zum verzweifeln, denkt sich Eva. Sie finden bloss Zeitfenster von einer Stunde. Es regnet seit Tagen in Strömen und der Sommer scheint sich nun entgültig zu verabschieden. Sie wollen sich nicht ein Café setzen. Sie brauchen mehr Ruhe. Leider, findet Eva, ist es zu kalt und nass für das Geheimversteck. Sie lächelt, als sie daran denkt, was für Entdeckungen sie auf dieser kleinen Lichtung gemacht hat.
Schliesslich entscheiden sich Mamoude und Eva dazu, dass Mamoude am Mittwochabend nach dem Training zu ihr kommt. Das erste Mal in meiner Wohnung, denkt Eva aufgeregt. Zum Glück hat sie ein grösseres Bett. So wird sie von Mamoude nicht so sehr an die Wand gedrückt und muss auch nicht befürchten, ihn aus dem Bett zu schmeissen.

Eva arbeitet bloss bis zum frühen Nachmittag und verbringt zu Hause viel Zeit damit, zu putzen und aufzuräumen. Mamoude wird nach dem Training bestimmt hungrig sein, überlegt sich Eva, weiss aber gar nicht, was sie ihm zum Essen kochen soll. Was mag er überhaupt?
Kurz vor Ladenschluss startet Eva einen Grosseinkauf und kauft eine Auswahl an verschieden Fleischsorten, Gemüse, Jasminreis, Tomatensauce, Spaghetti und Pesto Calabrese, ihr Lieblingspesto. Daheim stapelt sie alles in ihren Kühlschrank und ihre Lebensmittelschublade. Dann schreibt sie Mamoude eine Nachricht.

Du hast sicher Hunger, wenn du zu mir kommst. Was soll ich für dich kochen?

Da sie keine Antwort erhält und merkwürdig aufgeregt ist, versucht Eva, sich mit Essen abzulenken. Sie könnte etwas für Mamoude kochen und ihn damit überraschen, überlegt sie sich kurz, verwirft den Gedanken dann aber wieder. Sie kann keinen Reis kochen, denn ihr Reis ist immer halbroh, verbrannt oder versalzen. Manchmal auch alles zugleich. Und sie weiss nicht, ob Mamoude Nudeln mag. Er hatte ihr einmal erzählt, dass er europäisches Essen befremdlich findet und nicht einmal Pizza mag. Wenn Eva darüber nachdenkt, kann sie ihn sich nicht Nudeln essend vorstellen.
Dem zum Trotz macht sich Eva eine asiatische Instant-Nudelsuppe und spielt gedankenverloren mit dem Löffel in ihrer Schüssel. Auf einmal zweifelt sie daran, dass Mamoude wirklich kommen würde. Warum hat er ihr nicht geantwortet? Er ist im Training, beschwichtigt sie sich selbst, natürlich kann er nicht antworten. Mit neuer Zuversicht und endloser Nervosität setzt Eva sich an ihren Laptop um ihre Gefühle in Worte zu fassen. Sie ist sich sicher, dass ihr Tagebuch ihr helfen wird, herunterzufahren und ihre Gedanken zu ordnen, denn sie möchte in guter Verfassung sein, wenn Mamoude auftaucht. Seufzend beginnt sie zu schreiben.

Eine wunderbare Nacht habe ich neulich in Mamoudes kleinem Zimmer verbringen dürfen...

Eva hält inne und überlegt, ob sie das wunderbar streichen soll, da sie nicht wirklich gut geschlafen hat, lässt es dann aber stehen, da es sich nicht auf den Schlaf bezieht.

Heute Abend wird Mamoude zum ersten Mal meine Wohnung betreten. Ich bin aus unerklärlichen Gründen sehr nervös. Ich habe mir nun eingestanden, dass ich mich wirklich in Mamoude verliebt habe und mehr noch, dass ich ihn von ganzem Herzen liebe. Dieses Ziehen in meinem Herzen geht weit über alle Gefühle hinaus und ich möchte Mamoude zu meinem Traum und meinem Lebensinhalt machen.

Nervös blickt Eva auf die Uhr.

Doch ausgerechnet heute habe ich Angst, dass Mamoude nicht auftaucht. Es ist bereits 21:15 Uhr und er hat auf meine Nachricht noch nicht geantwortet. Ich hatte gehofft, dass er spätestens um 21:30 bei mir sein würde. Wenn Mamoude wirklich kommt! Wenn er wirklich kommt, denke ich, dass ich bereit bin, um heute mit ihm zu schlafen.

"Liebe machen", flüstert Eva lächelnd.

Wenn ich es nicht tue, werde ich diesen Eintrag in ein paar Monaten lesen und  denken, dass ich spinne und einfach zu verliebt und von meinen Gefühlen gesteuert war. Aber ich sage dir, liebes zukünftiges Ich: Ich bin mir sicher, dass ich heute bereit bin!

Eva atmet tief durch. Dann klappt sie ihren Laptop zu und rennt ins Badezimmer. Mit den Händen wedelnd wie ein kleines Kind, blickt sie sich im Spiegel an.
"Wenn er doch nur bitte kommt!", sagt sie laut zu ihrem Spiegelbild und verdreht dann die Augen. Wenn sie nicht bald etwas von ihm hört, dreht sie durch. Im Wohnzimmer schaut Eva auf ihr Handy und sieht einen verpassten Anruf von Mamoude.
"Oh wehe! Wehe du sagst mir ab!", murmelt sie und öffnet Mamoudes eben eingegangene Nachricht.

Chérie, tut mir leid, dass ich erst jetzt antworte. Ich war im Training. Du brauchst nichts zu kochen. Ich bin in zirka anderthalb Stunden da. Holst du mich am Bahnhof ab?

Ein Schwall der Erleichterung überrollt Eva und sie fühlt sich, als könne sie einen Tanz aufführen, während sie eine Antwort eintippt.

Alles klar, ich freue mich. Ruf mich an, kurz bevor du da bist.

Mache ich. Leg dich ruhig schlafen bis ich komme. Du musst müde sein.

Von wegen, denkt sich Eva. Wie sollte sie schlafen können? Trotzdem geht sie ins Schlafzimmer und zieht sich etwas bequemeres an, denn sie erinnert sich, dass Mamoude sie nach ihrer letzten gemeinsamen Nacht auf einmal schockiert ansah und sagte: Eva! Nach allem trägst du noch immer deine Hose!
Heute wird sie eine dünne Stoffhose anziehen, in der es sich auch gut schlafen lässt. Falls sie sie überhaupt anlassen sollte. Eva lächelt bei dem Gedanken, für Mamoude auch ihre Hose auszuziehen. Wenn sie bloss wüsste, was sie erwartet, denkt sie ungeduldig, legt sich ins Bett und beginnt zu lesen. Ihr Handy liegt neben ihr auf dem Bett, damit sie Mamoudes Anruf nicht verpasst.

(un)glückliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt