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Das weiße, riesige Haus, strahlt mir schon von weitem entgegen. Es ist einfach nicht zu übersehen. Das dickste, fetteste Haus in der reichsten Bonzenstraße der ganzen Welt. Seufzend betrete ich unsere riesige Einfahrt, welche natürlich mit weißem Kies bedeckt ist. Weiß, so wie alles hier. Manchmal fühle ich mich wie eine eingesperrte Eiskönigin in einem Palast, der nur aus Kälte besteht. Alles ist kalt, sogar meine Familie.

Ich krame in meiner Tasche nach einem Schlüssel, der bei meinem Glück mal wieder unauffindbar ist. Das heißt wohl, dass ich klingeln muss. Mein Finger nähert sich Millimeter um Millimeter der vergoldeten Klingel und gerade, als das königliche „Ding Dong" der Klingel erklingt, wir auch schon die Tür aufgerissen. Dort steht meine hochverehrte Mutter mit eisigem Blick. „Wo warst du so lange, Tochter?", fragt sie mit einer Stimme, die sogar Schneemännern einen kalten Schauer über den Rücken jagen würde. „Ich war mit Em in der Stadt. So wie eigentlich jeden Freitag", murmle ich. „Emily, ich konnte dieses Mädchen noch nie ausstehen. Sie hat einen falschen Einfluss auf dich. Ich weiß nicht wie oft ich dir noch sagen muss, dass du dich von ihr fernhalten sollst", sie lässt mich rein, als sie das sagt und ich verdrehe nur die Augen. Ein guter Grund mehr, Emily als beste Freundin zu haben. Ich wende mich Richtung der weißen Marmortreppe, mit dem weißen Stahlgeländer. „Halt Fräulein, stehngeblieben." Okay es wäre auch echt zu einfach gewesen. Seufzen drehe ich mich wieder um. „Ja?", versuche ich das Gespräch möglichst kurz zu fassen. „Jules kommt nachher noch vorbei, er möchte mit dir sprechen", damit dreht sie sich um und verschwindet im Salon. Wenn wir eins nicht brauchen, dann ist das der Salon. Ein großer Raum, mit fetten, weißen Ledersofas und unglaublich hässlichen, übelst teuren Bildern. Das Jules nachher kommt, verbessert meine Laune nicht unbedingt.

Ich schlurfe die Treppe hoch, wo ich zu allem Unglück mit meiner Schwester zusammenstoße, die mich so ziemlich mit allen Gemeinheiten beschimpft, die ihr ja ach so großer Wortschatz beinhaltet. Ich ziehe nur eine Grimasse und dränge mich an ihr vorbei in mein Zimmer. In mein richtiges Zimmer. Natürlich habe ich zwei. Oder drei, wenn man das Bad noch mit dazu rechnet. Das eine Zimmer ist weiß. Weiße Möbel, weiße Wände, weiß, weiß und weiß. Wenn man aber mein anderes Zimmer betrachtet, hat man das Gefühl eine andere Welt zu betreten, die Wände sind in zarten, aber bunten Farben gestrichen, auf meinem Bett liegen hunderttausend verschiedenfarbige Kissen und generell gibt einem diese Zimmer -als einziges- ein Gefühl von zu Hause. Von der einen Wand, bis zur Anderen, ist eine Hängematte gespannt, in die ich mich jetzt reinwerfe. Ich fische mir mein Buch vom Regal und fange an zu lesen. Naja eigentlich versuche ich zu lesen, was mir aber nicht wirklich gut gelingt. Als ich zu dritten Mal beginne den gleichen Absatz zu lesen, gebe ich es auf und lege das Buch wieder zur Seite. Meine Gedanken schwirren um Luke. Dieser Spinner. Noch nie, aber wirklich noch nie, hat sich ein Junge so offensiv an mich rangemacht. Ich frage mich wie einem sowas nicht einfach nur peinlich ist. Ich höre wie unten jemand klingelt. Schnell will ich mich aus meiner Hängematte befreien und aufstehen, was damit endet, dass ich auf dem Boden lande. Ich rappel mich wieder auf und renne in mein anderes Zimmer, natürlich nicht, ohne mein anderes zweimal abzuschließen. Das ist mein Reich und auch wirklich niemand anderes darf es betreten. Ich höre wie Jules die Treppe herauf kommt und vorbildlich an meiner Tür klopft. „Herein", seufze ich und er tritt ein. „Guten Abend Mira, hattest du einen schönen Tag?", fragt er höflich.
„Mhm, du wolltest mit mir sprechen?"
„Ja, es geht um das folgende Wochenende. Meine Familie plant einen Ausflug zu unseren Anwesen in Paris. Möchtest du mich begleiten? "
Für einige Sekunden starre ich ihn entgeistert an. Wenn ich eines nicht gebrauchen konnte, dann war das ein Wochenende mit der Familie D'Auragi.
„Ähm äh also...", beginne ich, werde aber von meiner Mutter unterbrochen, die freundlicherweise einfach in mein Zimmer stürmt. Ich liebe sie. (Achtung! In dem vorherigen Satz befindet sich Sarkasmus. Achtung! )
„Jules! Das ist ja eine WUN-DER-BA-RE Idee! Ich denke Mirabelle wird sich sehr darauf freuen. Nicht wahr Mirabelle?", fragt sie voller Euphorie.
„Ich reagiere nicht auf den Namen Mirabelle, das weißt du", grummel ich nur als Antwort.
„Es ist dein gebürtiger Name mein Fräulein. Entschuldige Jules, du kennst meine Tochter." Damit verlässt sie den Raum und Jules lächelt mir leicht unsicher zu.
„Jaaa natürlich freue ich mich unglaublich, das ist ja so WUNDERBAR. Ein Wochenende mit deiner Familie, ich kann mir nichts besseres vorstellen", äffe ich sie nach. Jules Gesichtsausdruck verwandelt sich von unsicher in verletzt. Er senkt den Blick und presst die Lippen zusammen.
„Es tut mir leid, das war blöd zu fragen. Am besten gehe ich. Ich...ich mache das ja nur weil...du weißt schon, unsere Eltern haben uns gegenseitig einander versprochen. Ich mag dich...ich mag dich sogar sehr. Hunderttausend Mal mehr als du mich...ich weiß das. Das war nur...ein Versuch. Tut mir leid", murmelt er sichtlich geknickt. Auf einmal bekomme Mitleid.
„Hey Jules es tut mir leid. Und ich mag dich auch, aber deine Fam... ich...ich will nicht DICH verletzen, hörst du? Bleib ruhig noch etwas", ich zögere, „bitte."
Abwägend steht er im Türrahmen, aber schließlich gibt sein Herz nach und er kommt auf mein Bett zugelaufen, setzt sich neben mich. Mit seinen großen, süßen Teddybäraugen schaut er mich an und lehnt sich dann zurück. Einige Zeit sitzen wir einfach nur so da. Ich nach vorne gebeugt, die Ellenbogen auf den Knien, er mit dem Rücken an der Wand. Irgendwann spüre ich wie er die eine Hand auf meinen Rücken legt und er mich mit der anderen zu sich zieht. Reflexartig kuschel ich mich mit dem Kopf an seine Brust und ziehe seinen Duft ein. Ich mochte ihn schon immer, er roch nach Wald, was eigentlich überhaupt nicht zu seiner eigentlichen Umgebung passt. Vorsichtig legt er eine dünne Decke über uns beide und ich schließe die Augen. Sein ruhiger, gleichmäßiger Atem beruhigt mich.
„Du Jules", murmel ich, „vielleicht ist das mit dem Ausflug doch gar keine sooo schlechte...Idee."
Und dann bin ich weg, verschwunden in einer Welt zwischen Jules und...Luke.
*

Yes, this goes faster.
Love ya,
~M

Love The Easy WayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt