Piep.
Piep.
Piep.
Piep.
Pieppieppiep.
Pieppieppiep.
Wumms.
Ups, ich glaube ich habe gerade meinen Wecker geschrottet.
Wumms.
Auaa, jetzt habe ich noch etwas geschrottet, was sich aber eher nach meinem Arm angefühlt hat.
Zaghaft öffne ich die Augen und finde mich auf dem Boden meines Schlafzimmers wieder. Wieso um alles auf der Welt bin ich gerade aus dem Bett gefallen? Stöhnend richte mich auf und angle nach meinem Handy.
7:05 Uhr zeigt es an.
Oh yeah, Schule.
Ich komme wieder auf die Beine und taumle verschlafen zu meinem Kleiderschrank, wobei ich über eine Jacke stolpere die auf dem Boden liegt.
Vorsichtig hebe ich sie auf und betrachte sie genauer. Es ist eine schwarze Lederjacke, die hundertprozentig nicht mir gehört, dafür ist sie erstens zu groß und zweitens habe ich meines Achtens noch nie eine Lederjacke besessen. Grübelnd stehe ich in meinem Zimmer um mir darüber klar zu werden wem diese Jacke gehört und wie sie in mein Zimmer kommt.
Plötzlich trifft es mich mit einem Schlag und ich lasse die Jacke mit einem Kreischen fallen, woraufhin ich mir schnell die Hand auf den Mund schlage. Mir kommen die Ereignisse von gestern in den Kopf, von Luke mit dem ich im Kino war und der mir seine Lederjacke gegeben hat.
Oh.
My.
God.
Für einige Sekunden starre ich die Jacke weiter an und setze dann meinen Weg zum Kleiderschrank fort. Ich lege nicht besonders viel Wert auf Klamotten, weshalb meine Outfitauswahl nicht mehr als eine Minute dauert.
Der Morgen nimmt seinen Lauf und kurz nachdem ich im Bad fertig bin und gefrühstückt habe, klingelt es auch schon an der Tür und eine hibbelige Em steht mit ihrem Fahrrad vor der Einfahrt.
"Hey", murmle ich leise, ich bin definitiv kein Morgenmensch und das sollte man wissen, wenn man sich nicht sämtliche Beleidigungen anhören will, die ich kenne.
"Okay Mira, ich weiß, du bist kein Mensch der Morgens viel redet, aber du kannst mich doch jetzt nicht ernsthaft bis heute Mittag warten lassen!", sagt sie als hätte sie gerade meine Gedanken gelesen.
"Auf was warten?", brumme ich während ich mein Fahrrad aufschließe.
"Du. Warst. Gestern. Mit. Luke. Im. Kino", zischt sie duch zusammengepresste Zähne.
"Hmm...später", ich schwinge mich auf mein Fahrrad und fahre los Richtung Schule. Von hinten höre ich nur ein enttäuschtes Schnauben von Em.
Ich hasse diesen Schulweg, ganz ehrlich. Ich muss wirklich um viertel vor Acht diesen verdamten Berg hochfahren! Keuchend komme ich oben an.
"So ne scheiße", Em keucht mindestens genauso stark wie ich.
"Können die nicht mal 'ne Rolltreppe hier rauf bauen?"
"Oder einen Schlepplift!"
Den Rest des Weges diskutieren wir über die verschiedenen Möglichkeiten für eine erleichterten Schulweg, eines unrealistischer als das Andere.
Als auf dem Schulhof ankommen ist es drei Minuten vor Acht, was Em mit einem "Pünktlich wie immer" kommentiert.
Wir stürmen die Treppen herauf und rennen fast in unsere wunderbare Politiklehrerin (die ich, ganz nebenbei, überhaupt nicht ausstehen kann und sogar noch mehr verabscheue als meine Schwester). Wir hetzen auf unsere Plätze, die, dank meiner netten Lehrerin, nicht nebeneinander sind. Ich lasse mich neben Charlie fallen, deren roten Locken heute mal wieder in alle Richtungen abstehen.
"Morgen", grinst sie. Sie ist so ein Mensch, der eigentlich immer und durchgehend gute Laune hat. Sogar in diesem Abfall von Politikunterricht.
"So meinen lieben Schüler und Schülerinnen, Hausaufgaben rausholen. Wer sie nicht hat, nach vorne an die Tafel und wehe dem der mich anlügt!", ihre Stimme bräuchte wahrscheinlich zehntausend Liter Schmieröl um einigermaßen ertragbar zu sein.
"Ja Ihnen auch einen schönen guten Morgen...", grummel ich vor mich hin.
"Ja Miss Sheppard? Wollten Sie etwas Wichtiges zu diesem Unterricht beitragen? Vielleicht haben Sie erneut das Vergnügen ein paar pädagogisch wertvolle Aufgaben an der Tafel zu lösen? ", keift die Hexe vor mir.
"Nein nein, zu Ihrem Vergnügen habe ich meine Hausaufgaben sogar vollständig in meinem Heft", lächle ich scheinheilig, tatsächlich habe ich meine Hausaufgaben in irgendeiner freien Minute aus dem Internet abgeschrieben, aber gemacht ist gemacht.
"Na das wollen wir doch gleich mal kontrollieren", mein Heft wird mir aus der Hand gerissen und durch eine hässliche Lesebrille angestarrt.
"Hm...naja das werde ich dann mal durchgehen lassen, aber ich warne dich, das nächste Mal...", beginnt sie und hebt den Zeigefinger vor mein Gesicht.
Ich nicke freundlich und strecke ihr innerlich die Zunge raus.
'Wie erwachsen'
Em hat weniger Glück und stellt sich gezwungenermaßen an die Tafel.
Die Aufgaben löst sie trotzdem ohne Probleme, ich hab keine Ahnung wie ihr Gehirn alles wissen kann, ich kann mir ja noch nicht mal merken wo ich meine Schlüssel hingetan habe.
Im Gegensatz zu mir streckt sie der Hexe, nachdem sie sich wieder hingesetzt hat, wirklich die Zunge raus. Ein Lachen geht durch die Reihen und die Hexe dreht sich verwirrt zu uns um.
"Ruhe!", faucht sie und es wird augenblicklich wieder still. Die restliche Stunde vergeht verhältnismäßig ruhig, wenn man von ein paar Wortgefechten zwischen Lehrerin und Schülern absieht. Als die erlösende Klingel endlich zur Pause läutet, stürmen alle erleichtert aus dem Klassenraum und überhören das "Ich beende den Unterricht" einfach.
Ich gehe neben Em auf den Schulhof, die sich durchgehend darüber amüsiert wie bescheuert der Unterricht mal wieder war.
Unten angekommen (zehntausende von Stufen die wir mühsam überwunden haben hinter uns), versammeln wir uns an unserem Treffpunkt, eine schöne alte knorrige Eiche die eigentlich schon vor zehn Jahren aus Sicherheitsgründen abgeholzt werden sollte.
Nach und nach trudeln die Anderen ein.
Charlie kommt mit Katharina eingehakt zu uns. Unzertrennlich wie eh und je. Im Moment lachen sie sich über etwas kaputt was ich nicht wirklich nachvollziehen kann. Charlies rote Locken fliegen durch die Luft, wogegen Cat versucht ihre braunen Locken in einem Dutt zu bändigen. Nach dem sie es nach dem dritten Versuch immer noch nicht geschafft hat, gibt sie fluchend auf und lässt ihre Haarmähne offen, was ich persönlich sowieso viel schöner finde.
Ich betrachte die ganze Situation stumm und warte darauf, dass Em die beiden umarmt hat damit ich das selbe tun kann.
"Naaa Mira? Mal wieder blendende Laune an diesem wunderschönen Morgen? ", lacht Cat, ihre grünen Katzenaugen funkeln, was sie teilweise zu ihrem Spitznamen gebracht hat.
" Du hast ja auch noch keine nervenaufreibende Politikstunde hinter dir...", grummel ich in den Kragen meiner Jacke.
"Hast du irgendwie ne neue Jacke?", grinst Charlie.
Erstaunt schaue ich an mir runter und tatsächlich habe ich eine schwarze Lederjacke an, was auch den fremden Geruch erklärt, der mir in die Nase steigt.
"Öhm...ja?", peinlich berührt beiße ich mir auf die Lippe.
"Woher hast du die Mira?", mischt dich jetzt auch Em ein.
"Die hab ich...gekauft", ich starre auf meine Füße.
"Gekauft...in drei Nummern zu groß?", Charlie sieht mich skeptisch an.
"Willst du uns vielleicht irgendwas sagen?", Katharinas Blick ist nicht sehr viel anders.
"Mira ich denke wir müssen ein ernstes Wörtchen reden. Jetzt", Ems Blick ist der Schlimmste von allen.
"Ich bin müde", und damit lüge ich noch nicht mal.
"Du hast keine Ahnung wie scheiß egal mir das ist", knurrt sie.
"Uns", fügen Charlie und Cat hinzu
"Hä?", ich bin verwirrt.
"Du hast keine Ahnung wie scheiß egal uns das ist. Raus mit der Sprache", lächelt Charlie scheinheilig.
In dem Moment klingelt erneut die erlösende Klingel, die aber nur für mich erlösend ist.
"Haha ciao Leute, ich muss in den Unterricht, wir sehen uns dann", lache ich nervös, drehe mich auf dem Absatz um und verschwinde in der Masse der anderen Schüler.
Den nächsten Kurs habe ich alleine, ohne den Rest meiner Clique und im Moment bin ich ganz froh drum. Ich bin eine der ersten Schüler die vor dem Philosophieraum warten, was so gut wie nie vorkommt. Das ist wahrscheinlich auch der Grund wieso mir meine Philolehrerin so einen verwirrten Blick zuwirft. Ich mag sie, sie ist eine der wenigen Lehrer, die es schaffen trotz des Schulalltags normal zu bleiben.
Ich setze mich auf meinen Platz und ziehe die Jacke aus. Ganz ehrlich, ich frage mich immer noch wie diese Jacke es geschafft hat sich um meine Schultern zu legen.
'Ja bestimmt hat die Jacke das gemacht, ist doch was ganz selbstverständliches...'
Ich lasse die Finger durch den Stoff gleiten und erinnere mich mit einem Lächeln an gestern Abend.
'Oh. Mein. Gott. Geht das schon wieder los. Mira! Wo ist dein Gehirn geblieben!? Hör auf so dämlich vor dich hinzugrinsen!'
Das Lächeln verschwindet augenblicklich und ich lasse mich auf den Stuhl fallen. Der heutige Tag ist wie durch Watte und ich hoffe inständig darauf, dass wenigstens der Philosophieunterricht mich etwas wacher macht. Gerade im Moment setzt sich mein Sitznachbar neben mich.
'Nee, dein Sitznachbar sitzt nicht neben dir, weiste?'
Ein Junge mit Nerdbrille. Marcel heißt er und ich habe noch kein Wort mit ihm gewechselt. Was sich auch heute wahrscheinlich nich ändern wird, denn er starrt Richtung Tafel. Ein typischer Nerd. Ich schaue ihn von der Seite an und verfolge wie er nervös die Finger auf den Tisch schlägt. Das Geräusch macht mich schier verrückt. Böse starre ich seine hektischen Finger an.
"Was ist?",fragt eine leise Stimme.
Momeenntt...
Hat es gerade mit mir gesprochen?
"Finger", sage ich nur.
Aprupt hören seine Finger sich auf zu bewegen und ein "Sorry" kommt über seine Lippen.
"Passt schon", murmel ich und wende mich ebenso zur Tafel, wo gerade Mrs Martini mit dem Unterricht beginnt.
"Also meine Lieben. Erstmal einen schönen guten Morgen. Ich hoffe ihr habt heute etwas Aufmerksamkeit für den Unterricht dabei. Meht brauchen wir heute nicht. Naja, ein bisschen innere Willenskraft zu Schreiben ist auch dabei. Das Thema von letzter Stunde ist bereits abgehakt, also fangen wir hier ganz von vorne an. Das heutige Thema ist...ja Paul?"
Ein Stöhnen geht durch dir Reihen, denn wenn er was sagt, kommt selten etwas sinnvolles raus. Naja eigentlich kommt nie etwas sinnvolles dabei raus.
"Heißt das, dass wir was schreiben müssen heute?", fragt er laut.
"Ja Paul, das heißt das wohl...", seufzt Mrs Martini.
"Über welsches Thema denn?"
"Also erstens Paul heißt es 'welches' und nicht 'welsches' und zweitens...", sie macht eine Pause um das aufkommende Kichern abklingen zu lassen,"...zweitens wollte ich das Thema gerade nennen. Also...das heutige Thema ist...nein Paul jetzt nicht... Fremdheit. Jeder wird das was ihm zu dem Thema einfällt aufschreiben. Denkt darüber nach, ihr habt die ganze Stunde dafür Zeit und... NEIN JETZT NICHT PAUL...und kommt mir nicht mit 'ich weiß nicht was ich schreiben soll' , das zählt bei mir nicht. Lasst euren Gedanken freien Lauf, fangt einfach an. Und teilt euch bitte zu zweit auf. Ihr dürft euch in der Schule verteilen" , erklärt sie.
Marcel packt seine Sachen zusammen und schaut unsicher im Klassenraum umher.
"Hey Marcel?", frage ich ihn.
"Äh ja?", unsicher schaut er mich an.
"Wir können ja zusammenarbeiten. Wenn du möchtest..." , meine ich während ich auch meine Sachen zusammenpacke.
Geschockt guckt er mich an. Ich ziehe die Augenbrauen hoch und warte auf eine Antwort. Letztendlich nickt er und wir gehen gemeinsam aus dem Klassenraum. Wir suchen uns einen Tisch draußen aus und setzten uns einander gegenüber.
"Ähm...darf ich dich was fragen? ", Marcels Stimme ist brüchig.
"Ja klar, was denn? ", ich schaue zu ihm hoch.
"Wieso machst du was mit mir? Also ich...finde das gut, aber ich dachte nicht dass jemand wie du etwas...mit mir macht. Außerdem haben wir noch nie ein Wort miteinander gewechselt", sagt er unsicher.
"Ich denke das wurde mal Zeit, schließlich sind wir schon seit ungefähr einem halben Jahr Sitznachbarn. Außerdem hab ich sonst niemand in dem Kurs mit dem ich unbedingt zusammenarbeiten will. Naja. Ich fange dann mal an", ich deute auf meinen aufgeschlagenen Collegeblock und Werbekuli.
Er nickt nur lächelnd.
Und dann beginne ich zu schreiben.
'Fremdheit
An was denke ich wenn ich Fremdheit höre? Was für mich Fremdheit bedeutet? Ich denke an Menschen. Das ist das erste was mir einfällt. Menschen sind einenander immer fremd. Manchmal nur in den ersten zehn Minuten, manchmal für immer. Manchmal versperrt es einem Wege fremd zu sein, manchmal ist es auch die Möglichkeit andere Menschen ohne Vorurteile kennenzulernen.
Es gibt Menschen die gehen einfach mit der Fremdheit um. Sie haben keine Angst auf Andere zuzugehen. Und dann gibt es noch die, die diese natürliche Barriere nicht überschreiten können. Sie ziehen sich zurück, weil sie Angst vor dem Unbekanntem haben.
Ich bin nicht sehr schüchtern, aber ich bin auch nicht der Mensch der mit offenen Armen auf jeden zugeht.
Die Fremde ist ein Schutz. Wir müssen Menschen kennenlernen um sie einschätzen zu können, um sie von Böse und Gut unterscheiden zu können.
Ohne ein bisschen Kenntnis enstehen Eindrücke, die einen vor Situationen schützen. Doch nicht alle Eindrücke sind richtig. Ich denke das ist das Problem an der Fremdheit. Es können falsche Eindrücke enstehen, die einen zu falschen Handlungen führen.
Was wenn der Nerd, den man immer für einen totalen Streber gehalten hat, gar kein Langweiler ist, sondern einfach nur unglaublich wissbegierig und interessiert ist?
Was wenn der Junge, den man im Bus triff, der ohne Scheu nach deiner Hand greift, gar kein Psychopath ist, sondern einfach nur ein Junge der nicht schüchtern ist und nach Kontakt zu dir sucht?
Dem Nerd sitze ich gerade gegenüber, der Junge aus dem Bus hat mich gestern ins Kino ausgeführt.
Fremdheit ist, wie so vieles im Leben, ein Schutz der zur Barriere zwischen Menschen wird.'
Die Worte fließen einfach aus meinem Kopf auf das Papier.
Ich muss an Luke denken. Ich vergrabe meine Hände in meinen Haaren. Dann stehe ich auf.
"Marcel. Ich bin jetzt weg. Wir sehen uns nächste Woche", verabschiede ich mich.
Er sieht von seinem kläglich beschriebenem Blatt auf.
"Machs gut", sagt er leise.
Ich will gehen, drehe mich dann aber noch einmal um und tippe auf sein Blatt.
"Wir waren uns fremd oder?", zwinker ich ihm zu.
Sein Gesicht hellt sich auf und er beginnt zu schreiben.
Wieder im Klassenraum angekommen gebe ich mein Blatt ab.
"Es ist nicht besonders viel, aber das ist das was ich darüber denke", sage ich und Mrs Martini lächelt mild.
"Es kommt nicht auf die Länge, sondern auf den Inhalt an. Du darfst dann gehen", sie deutet mir an meine Sachen zu packen und zu gehen.
Ich nicke dankend und verlasse den Raum. Um ehrlich zu sein habe ich keine Ahnung was ich jetzt mit der restlichen Stunde anfangen soll. Planlos wandere ich durch meine wundervolle "Wir-Sind-Ja-So-Eine-Tolle-Gemeinschaft" Schule. Letztendlich beschließe ich mich in einen der Aufenthaltsräume zu setzen. Die schwarze Lederjacke hängt über meinem Arm und schaut mich vorwurfsvoll an.
'Ach, deine Jacke schaut dich an, ja? Langsam beginne ich mir wirklich Sorgen um deinen gesundheitlichen Zustand zu machen...'
Ja ich mir auch. Ich setze mich auf einen Stuhl, außer mir ist keiner im Raum. Jetzt sitze ich hier und habe immer noch keine Ahnung was ich tun soll. Ich ziehe meinen Collegeblock aus meiner Tasche und beginne mit einem Bleistift darauf herumzukritzeln. Meine Gedanken sind nicht bei dem was ich zeichne, sondern irgendwo in dem Nebel der durch den Raum wabert.
'Jetzt wabert auch noch Nebel durch die Schule, ja ganz bestimmt'
Lass mich doch. Für mich ist hier Nebel.
'Ich BIN du, Mira...'
Die Zeit vergeht und größtenteils verbringe ich die restliche Stunde damit, mich mit meiner inneren Stimme zu streiten, meinen abstrusen Gedanken nachzugehen und irgendetwas zu zeichnen. Als es klingelt betrachte ich mein Bild. Oh fuck.
'Ach Mira, was hast du anderes erwartet? '
Schnell klappe ich den Block zu und stopfe ihn in meine Tasche zurück.
Ich schlendere zu unserem Treffpunkt, nicht wirklich heiß darauf die Anderen wieder zu sehen.
Als ich ankomme ist noch niemand da. Plötzlich springt mir jemand auf den Rücken und jemand Anderes knotet meine Hände mit etwas zusammen, dass sich nach einem Schal anfühlt.
"Autsch! Nicht so feste", wimmere ich.
"So meine Liebe. Du kommst hier erst wieder raus wenn wir jedes einzelne Detail wissen", knurrt Em mit einem bösen Funkeln in den Augen.
"Das geht euch aber gar nichts an, das ist meine eigene, private Sache", kontere ich.
"Ach ja? Wenn ich nicht wäre, hättest du niemals Kontakt zu deinem Luke aufgenommen", Em hat die Augen zusammengekniffen, eindeutig ein schlechtes Zeichen.
"Also erstens hab ich mir nicht gewünscht dass du das tust, das war deine ganz eigene Entscheidung und zweitens ist das lange kein Grund, dass es euch alle was angeht!",ich vergrabe mich in meiner...naja in Lukes Jacke.
"Momeenntt, das heißt du würdest mit Em darüber reden aber mit uns nicht?", wirft Cat ein.
"Nein man! Ich werde mit niemandem reden!", fauche ich.
Drei enttäuschte Gesichter schauen mich an. Em zieht meine zusammengebundenen Arme noch etwas höher, sodass mir ein kleiner Schmerzensschrei entfährt.
"Was ist so schlimmes passiert, dass du noch nicht mal uns was davon erzählen willst hm?", fragt Charlie leise.
"Es ist überhaupt nichts schlimmes passiert, ich habe einfach nur keine Lust euch über mein Erlebnis mit Luke aufzuklären. Ja, die Jacke ist von ihm und nein ich habe nicht mit ihm geschlafen. Er ist nicht so ein Idiot wie ich dachte und mehr Informationen werde ich nicht preisgeben, ihr könnt mich foltern wie ihr wollt!", meine Stimme wird lauter und ein paar Unterstufenschüler schauen zu uns rüber. Wir müssen ein komisches Bild abgeben. Drei sechzehnjährige Mädchen stehen nebeneinander, eine von ihnen ist gefesselt und die anderen Drei schauen sie böse an.
Em sieht wohl ein dass es wenig Sinn macht mich noch weiter zu fesseln, also löst sie den Schal von meinen Handgelenken und stellt sich mit verschränkten Armen vor mich.
"Was? Könnt ihr jetzt aufhören mich so anzugaffen und euch vielleicht darüber unterhalten wie toll eure letzte Unterrichtsstunde war?", ich vergrabe die Hände in mei...Lukes Jacke und beschließe für den Rest der Pause nichts mehr von mir zu geben.
Tatsächlich ignorieren mich meine Ich-Hab-Sie-Trotzdem-Lieb-Freundinnen und unterhalten sich über belangloses Zeug.
Als es klingelt laufe ich schweigend hinter ihnen her und achte nur darauf nicht an einer Treppenstufe hängenzubleiben und mich damit in den Tod zu stürzen. Jetzt haben wir einen der wenigen Kurse, die wir alle zusammen belegt haben, Mathe.
Mathe, ein Fach dass meiner Meinung nach in "Folter höchsten Grades" eingeordnet werden sollte.
'So wie Lukes Blicke?'
Der Klassenraum ist schon offen, der Lehrer noch nicht anwesend. Höchst ungewöhnlich, eigentlich ist unser Mathelehrer immer überpünktlich. Genau in diesem Moment betritt er den Raum und wirft einen Haufen Arbeitsblätter auf den Pult. Das ist schon einmal sehr vielversprechend für die Stunde. Nicht.
Em setzt sich neben mich und raunt mir "wir sind noch lange nicht fertig miteinander" ins Ohr. Ich rolle nur mit den Augen.
"So, hier sind einige Aufgaben die ihr bearbeiten werdet. Jeder bekommt fünf Blätter, der Rest ist Hausaufgabe. Ach ja, guten Morgen", sagt Mr Jones, "Emily, Shae, teilt die Blätter aus." Er lässt sich auf den Stuhl fallen um den Rest der Stunde schlafend zu verbringen.
Die Aufgaben sind die Hölle. Wir haben das Thema zwar durchgenommen, aber ich bin wirklich ein hoffnungsloser Fall.
"Mira, verstehst du das?", fragt Em mich in diesem Moment.
"Ich habe das nicht nur nicht verstanden, ich habe das überhaupt nicht verstanden", gebe ich zu und sie lacht mich aus. Ich lege den Kopf auf ihre Schulter und murmle ein "Sorry". Sie seufzt und nickt ergeben.
Em löst ihre Aufgaben, ich schreibe ab. Letztendlich muss ich noch ein halbes Blatt als Hausaufgabe machen, womit ich mehr als zufrieden bin. Pünktlich zum Klingeln wacht Mr Jones wieder auf und wünscht uns noch einen schönen Tag.
Drei Doppelstunden hab ich hinter mir, eine Mittagspause und eine weitere Doppelstunde noch vor mir.
Zu viert begeben wir uns ins Foyer um auf den Vertretungsplan zu schauen. Ich mache fast einen Luftsprung, als ich sehe dass mein Spanischunterricht ausfällt und keine Vertretungsaufgaben vorliegen. Da Em den gleichen Kurs hat, darf auch sie nach Hause und wir verabschieden uns von den anderen Beiden, die uns eindeutig neidische Blicke zuwerfen.
Der Rückweg ist angenehm, schließlich geht es nur den Berg runter.
"Wir sehen ums später", grinst Em als wir bei meinem Haus angekommen sind.
"Ja, ich hoffe einfach mal das Luke heute nicht kommt, sonst halte ich das mit euch beiden nicht aus", seufze ich.
"Ich dagegen hoffe schon dass er kommt, vielleicht bekommt man aus dem ja mehr raus als aus dir", kichert sie und schwingt sich damit auf ihr Fahrrad und verschwindet.
Ich schließe mein Fahrrad ab und betrete das Haus. Es hört sich so an als wäre niemand da, aber die Größe des Hauses täuscht oft.
In meinem Zimmer werfe ich die meine Schultasche einfach auf meinen Schreibtisch und lege mich auf mein Bett.
Schlau wie ich nunmal bin, stelle ich mir auf meinem Handy einen Wecker (mein richtiger Wecker musste ja leider schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Boden machen), damit ich auch wirklich nicht zu spät komme.
Sobald ich die Augen schließe, bin ich auch schon weg.
"Everybody wanna steal my girl, everybody wanna take her heart away. Couple billion in the whole wide world, find another one 'cause she belongs to me"
Okay von Musik geweckt zu werden ist definitiv besser als von einem nervtötendem "Piep".
Ich rolle mich aus dem Bett, werfe mir eine Jacke über und laufe zum Bus. Die Fahrt ist gemütlich, ohne böse Überraschungen.
Die böse -oder gute?- Überraschung erwartet mich dann direkt vor dem Café.
Ein lächelnder Luke steht dort und kommt ziemlich gut gelaunt auf mich zugelaufen. Oh shit.
"Hi!", grinst er und betrachtet mich eindringlich. "Schicke Jacke", fügt er dann hinzu.
Ich hab doch nicht schon wieder...
'Ich muss dich enttäuschen, aber ja, du hast'
Schnell ziehe ich sie aus und drücke sie ihm in die Hand.
"Danke", sage ich leise.
"Immer wieder gerne."
Erwähnte ich schon, dass ich seine Grübchen mag? Ja? Oh, ich mag seine Grübchen.
"Ich muss jetzt gehen, ähm...bis später", lächle ich.
Er nickt und fährt sich mit der Hand durch die lockigen Haare.
'Mira will auch durch lockige Haare von Luke fahren'
"Ach jaaa...wenn meine aufdringliche Freundin dich auf unser Date gestern ansprechen sollte, sag ihr...sag ihr, dass sie sich lieber um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern soll", lache ich.
"Das war ein Date gestern? ", grinst er zurück.
"Naja, wir waren gestern in einem kitschigen Liebesfilm und du hast mir deine Jacke gegeben, weil mir kalt war. Also ich denke mehr Klischee-Date geht nicht oder?"
"Und? Wird es weitere Dates geben? Aus denen dann eine Beziehung entsteht?", fragt er hoffnungsvoll.
Ich presse die Lippen zusammen um ein Lächeln zu unterdrücken und wende ihm den Rücken zu.
Der Zeit im Café vergeht rasend und es ist angenehm sich nicht durchgehend vor Luke verstecken zu müssen. Wir wechseln zwischendurch das ein oder andere Wort. Außerdem habe ich das Vergnügen beobachten zu dürfen, wie Em sich unauffällig an Lukes Tisch schleicht, kurz mit ihm redet und dann mit einem mehr als enttäuschem Blick in die Küche zurückkehrt. Dort warte ich natürlich schon auf sie um sie auszulachen.
"Du hast ihm gesagt, dass er das tun soll oder?", schmollt sie und ich lache noch mehr. Sie schlägt mich spielerisch auf den Oberarm und ich knuffe sie in die Seite.
"Du bist so fies. Werde ich eigentlich jemals erfahren was an diesem bedeutenden Sonntagabend passiert ist?", jammert sie.
Ich zucke nur mit den Schultern und gehe weiter meiner Arbeit nach. Immer wieder schweift mein Blick zu den Locken, die einzelnd hinter dem schwarzen Laptop herausschauen. Er ist mal wieder total in seine Arbeit vertieft und ich frage mich wirklich was er da macht.
In einer freien Minute setze ich mich ihm gegenüber und warte darauf, dass mich bemerkt. Was er natürlich nicht tut. Letztendlich tippe ich auf seine Hand und er lächelt, wendet den Blick aber nicht zu mir. Erneut tippe ich auf seinen Fingern herum und er schnappt mit seiner Hand nach meiner. Ich lache und schüttel ihn ab.
Endlich hebt er den Blick und grinst mich an.
"Was ist los Schönheit?", fragt er.
"Schleimer. An was arbeitest du eigentlich die ganze Zeit? ", frage ich und versuche dabei einen Blick auf den Bildschirm zu werfen.
"Geheimnis", flüstert er und versucht dabei geheimnisvoll auszusehen. Ich muss lachen und stehe wieder auf.
"Und? Hast du heute Abend schon was vor?", fragt er und wackelt dabei mit den Augenbrauen.
"Ja, aber nicht mit dir. Mein One-Night-Stand namens Mathehausaufgabe wartet zu Hause auf mich", grinse ich und er schiebt die Unterlippe vor.
'Nicht in Ohnmacht fallen, wir wissen beide wie verdammt süß das aussieht'
Ich winke ihm zum Abschied zu, was er mit einem Luftkuss erwiedert.
"Mädels, ihr dürft gehen", ruft mein Boss und Ems Vater.
Ich räume meine Sachen weg und laufe mit Em zusammen zur Bushaltestelle.
Die ganze Busfahrt über ist sie sehr schweigsam, lächelt aber schelmisch vor sich hin.
"Du kannst mir nicht sagen, dass du nicht auf ihn stehst Mira, ich sehe das!", raunt sie mir zu kurz bevor sie den Bus verlässt.
Eine Haltestelle später steige ich auch aus. Mein One-Night-Stand lasse ich in meiner Tasche ruhen, für den restlichen Abend gehört meine ganze Aufmerksamkeit meinem Best-Friend namens Bett, in dessen gemütlichen Armen ich dann auch einschlafe.*
Aiaiaiai, was für ein langes Kapitel.
4180 Wörter.
Ehrlich gesagt hab ich keine Ahnung was ich hier hin schreiben soll.
Gefällt es euch? Oder soll ich aufhören zu schreiben?
Bitte bitte kommentiert.Lots of love from
~M
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Love The Easy Way
أدب المراهقين"Sag mal, was genau soll das werden?", frage ich mit einem leicht gereizten Unterton. Nicht dass ich gereizt bin. Neeiin. Ich doch nicht... "Nichts. Gar nichts. Alles bestens. Ich bin Luke, wer bist du?" Wenigstens bekomme ich diesmal eine Antwort...