N i n e t e e n

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Es war klar dass es so kommen würde. So klar.
Als ich aufwache hängen mir verstrubbelte Locken im ganzen Gesicht.
'Daraus schließen wir, dass Luke auf deiner Brust liegt, herzlichen Glückwunsch.'
Naaa super.
Seufzend öffne ich die Augen einen Schlitz. Lukes Mund ist einen Spalt geöffnet, die Finger seiner linken Hand sind um meine Taille geschlungen, die der rechten liegen in meinem Nacken.
Ich rolle mit den Augen und versuche mich zur Seite zu drehen. So viel zum Thema "kein Dauerkuscheln".
Als ich es gerade geschafft habe mich 2 cm unter Luke zu bewegen, zerstört er alle meine Bemühungen indem er mich wieder fester an sich zieht. Resigniert stöhne ich auf. Ich angle nach meinem Handy um auf die Uhr zu sehen. Es ist erst halb Acht und es ist verdammtes Wochenende. Ich muss jetzt auf jeden Fall weiterschlafen, allein Lukes Körpergewicht hindert mich ein wenig daran.
'Um deinen Schlaf zu finden, konzentriere dich ausschließlich auf die positiven Seiten des Lebens'
Ehhh was?! Macht meine innere Stimme jetzt auch noch Yoga oder sowas?
Aber tatsächlich versuche ich mich von seinem Gewicht auf mir abzulenken und mich ausschließlich auf seine beruhigende Ausstrahlung zu konzentrieren.
Zum Beispiel die Haare die mir gerade im ganzen Gesicht hängen. Wirklich sehr positiv.
'Sie riechen gut und sind weich. Die magst doch Locken.'
Oder die Tatsache das es mir viel zu warm ist.
'Besser als viel zu kalt. Genieß doch einfach seine Atemzüge oder seinen Duft oder wie gut er aussieht wenn er schläft. Oder wie seine Haare dich am Hals kitzeln. Genieß seine Nähe. Und jetzt schlaf.'
Langsam dämmere ich wieder weg.
'Ich bin so ein toller Coach...'
Das nächste Mal wache ich 3 Stunden später auf, zwar ohne ein schweres Gewicht auf mir, dafür aber mit einem konstanten Blick von der Seite.
Als ich den Kopf zur Seite drehe, finde ich einen lächelnden Luke vor.
"Hey", grinst er.
'Aaahhh diese Morgen-Stimmeeee!!!'
Ich will diesen Teil in mir, der meint Kommentare zu allen Situationen meines Lebens abgeben zu müssen, töten.
Ich grummle nur, denn ich schwöre, er hat sich extra an mich gekuschelt.
"Was ist los?"
'Aaahhh diese Morgen-Stimmeeee!!!'
Ja, wurde bereits bemerkt.
"Du lagst auf mir drauf heute morgen."
"Tut mir leid, war nicht extra", sagt er mit einem Ton, der eindeutig darauf hinweist dass es wohl extra war.
'Aaahhh diese Morgen-Stimmeeee!!!'
Ja man!
"Vielleicht schlafe ich doch besser auf dem Sofa?", frage ich ihn, nur um ihn zu ärgern.
"Nein!", schießt es zurück.
Ich muss lachen bei seinem Gesichtsausdruck und strubble ihm einmal kurz durch die eh schon verwirrten Haare.
Dann stehe ich auf und gehe ohne weitere Kommentare ins Bad.
Heute ist Samstag, Wochenende. Ich hab nichts zu tun (außer Schulkram) und bin weeiitt weg von meiner Familie. Klingt das nicht durch und durch positiv?
'Mira, wir machen Fortschritte, bleibt das so?'
Ich mache mich fröhlich für den Tag fertig und lächle mir selbst im Spiegel zu. Keine Ahnung was los mit mir ist.
Luke liegt immernoch im Bett als ich wieder rauskomme.
"Aufsteehhnn Schnarchnase!", quietsche ich während ich auf ihn drauf springe um ihn aus dem Bett zu werfen.
"Woah, da hat wohl jemand ein bisschen zu gute Laune", bemerkt er.
"Es ist Wochenende, was erwartest du? Los aufstehen!"
Er wehrt sich gegen meine liebevollen Versuche ihn aus dem Bett zu kriegen und kitzelt mich. Irgendwie artet das dann zu einer Kissenschlacht aus, nach der wir beide uns vollkommen erschöpft und außer Atem wieder hinlegen.
"Du Luke?"
"Du Mira?"
"Ich hab Hunger."
"Wann hast du eigentlich mal keinen Hunger?"
"Kommt sehr selten vor."
Er lacht und wirft mir noch ein Kissen ins Gesicht bevor er aufsteht und sich ins Badezimmer verzieht.
Ich stehe auch auf und, tatsächlich, ich gehe Brötchen holen. Weil ich so verantwortungsbewusst bin. Und weil ich gute Laune habe.
Das Wetter ist fantastisch, wie so ziemlich alles: die Sonne scheint, keine einzige Wolke am Himmel und die Temperatur befindet sich tatsächlich über 20º.
Ich grüße jeden der mir entgegen kommt streichle jedem noch so hässlichen Hund über den Kopf.
'Was um alles in der Welt läuft falsch bei dir?'
Die Bäckerei ist nicht voll nur zwei, drei Leute stehen vor mir an.
"Mirabelle..."
'Ouhhh das verspricht schlechtere Stimmung...'
Nee, ich werde mir jetzt nicht von Jules die Stimmung verderben lassen.
"Hey Jules", mein Lächeln ist noch nicht mal aufgesetzt.
Sein Blick ist finster.
'Finster wie das Wetter gestern.'
"Wie geht's so?", frage ich um ihn zum reden zu bekommen.
"Fantastisch. Camélia ist wundervoll, wir sind wundervoll zusammen. Und dir? Ist es gemütlich unter deiner Brücke?", nicht dass er mich hasserfüllt ansieht, aber er sieht mich hasserfüllt an.
"Mir geht es auch gut, ich liebe es in guter Gesellschaft zu leben. Und richte meiner lieben Schwester doch aus wie sehr ich mich für euch freue, dass sie endlich das bekommen hat, was sie wollte."
Ich erschrecke mich, als ich plötzlich, für eine hundertstel Sekunde, so etwas wie unglaublichen Schmerz in seinen Augen aufblitzen sehe.
"Es hätte nicht so kommen müssen Jules, das musst du wissen."
"Ich bin froh dass es so gekommen ist."
'Autsch, der war mies.'
Ich ziehe die Augenbrauen kurz erstaunt hoch, dann widme ich mich meiner Bestellung.
"Ich hätte gerne vier Brötchen und zwei von diesen Croissants da", lächle ich.
Dankend bezahle ich und verlasse die Bäckerei. Überraschenderweise erwartet mich draußen jemand.
"Jules, du bist ja noch da", bemerke ich freundlich.
"Ja..."
"Ja?"
Er schweigt mich an.
"Najaa, okay, ich muss mich dann mal auf den Weg machen, war schön dich noch mal gesehen zu haben."
"Ja."
Etwas verwirrt drehe ich mich um und beginne wegzugehen. Ich kann hören wie mir jemand folgt.
"Jules?"
"Ja."
"Lauf mir nicht hinterher, fahr zu deiner Camélia."
"Nein."
"Wieso nein?"
"Ich will wissen wo du wohnst."
"Vielleicht möchten ich aber nicht, dass du das weißt? "
"Ist mir egal."
"Jules, ich dachte du bist froh, dass du mich los bist? Meintest du das nicht gerade?", seufze ich.
"Ja."
"Ich möchte nicht, dass du weißt wo ich mich aufhalte. Nicht so lange bis das zwischen uns geklärt ist. Habe ich mich klar ausgedrückt?"
"Ja, ist mir egal."
"Lass mich in Ruhe, bitte."
Er packt mich am Ärmel.
"Nein", presst er zwischen seinen Zähnen durch.
"Hör auf", sage ich, diesmal lauter.
Plötzlich hält ein Auto neben uns und Sam springt heraus.
"Hey junger Mann, lass sie los!", sagt sie streng und befreit mich aus seinem Griff.
Er sieht erst sie verdutzt an, dann mich.
Ohne ein Wort steige ich in Sams Auto und schließe die Tür, kurz darauf folgt mir Sam.
"Was war das?", fragt sie mich während sie den Motor startet.
"Das war Jules, ein alter...", ich zögere weil ich eigentlich 'Freund' sagen will.
"Freund?", fragt Sam vorsichtig.
"Ja, oder sowas."
Sam hält vor Lukes Wohnung.
"Aussteigen!", lacht sie als ich mich nicht bewege.
"Huh? Sind wir schon da? Oh. Kommst du nicht mit?", stottere ich leicht verpeilt.
"Nein, außer du lädst mich ein", grinst sie, genau wir ihr kleiner Bruder.
"Hiermit bist du offiziell eingeladen. "
Sie wackelt mit den Augenbrauen und wir steigen lachend aus.
Ich klingle drei Mal sturm und Luke reißt die Tür auf.
"Was ist?!", fragt er.
"Nichts, ich wollte nur dass du endlich aufstehst."
"Ich war schon vorher wach. "
"Wach ja, aufgestanden nein."
"Sam, was tust du denn hier?", fragt er sichtlich überrascht.
"Weißt du, ich fuhr gerade gemütlich mit dem Auto, da suchte mich der Engel der Erleuchtung auf und befahl mir deine kleine Freundin vor..."
"Vor dem Hungertod zu bewahren, ganz genau", unterbreche ich sie.
"Was wolltest du sagen Sam?", fragt Luke unbeirrt weiter und übergeht meinen Einwurf.
"Eh...genau. Ich wollte sie nicht verhungern lassen."
"Sam, Mira. Ihr seid die schlechtesten Lügner die ich kenne. Was war los?"
"Ach Luke....nichts."
"Sag es, jetzt."
Ich seufze.
"Nur eine kleine Auseinandersetzung mit Jules. Nichts Bedeutendes. So, jetzt zieh dich um, es gibt gleich Frühstück."
Zögernd gibt er seinen Posten auf und verzieht sich in das Schlafzimmer. Ich werfe Sam einen 'dein Ernst' Blick zu und sie verzieht entschuldigend ihr Gesicht.
Wir decken den Tisch bis Luke dann irgendwann zu uns in die Küche gewatschelt kommt und sich setzt.
'Bitte sag mir, dass du nicht gewatschelt gesagt hast...'
"Mira ich will wissen was mit Jules los war."
Ich sehe ihn kurz schweigend an und setze mich dann auch.
"Nichts, er wollte nur wissen wo ich wohne und ist mir hinterher gelaufen."
"Und dann?"
"Dann hat er sie am Ärmel gepackt und festgehalten, dann kam ich und hab sie gerettet", wirft Sam ein und schlägt sich gleich darauf die Hand vor den Mund.
"Ich hasse ihn", bemerkt Luke sachlich bevor er sich sein Brötchen in den Hals steckt.
"Ich kann dir nur sagen, dass das auf Gegenseitigkeit beruht", seufze ich und Sam fährt sich durch die Haare.
"Was habt ihr zwei noch so vor heute?", fragt sie nach einer Weile genüsslichem Schweigen umd Kauen.
"Eigentlich gar nichts oder?", wende ich mich fragend and Luke.
"Ähh...naja. Ich hatte eigentlich schon was mit dir vor, aber Sam ist mir in die Quere gekommen."
"Ooohh, was hattest du denn mit deinem Turteltäubchen vor, mein Süßer?", neckt ihn Sam.
Er verkneift sich ein Lächeln und sagt nur "Geheimnis".
Apropos Geheimnis...da sind noch so ein paar Sachen die er mir erzählen muss.
"Nun gut, dann macht sich Mrs Morgan mal aus dem Staub", näselt Sam und steht auf.
"Sehr schön, na endlich", seufzt Luke.
"Hallo? Ich hab dir gerade eben dein Herzilein gerettet, also ein bisschen mehr Respekt du Stinker!"
Darauf fällt Luke nichts mehr ein und anstatt irgendwas zu sagen zieht er eine Schnute.
'Zum Küssen niedlich...'
Sam drückt ihn kurz und verabschiedet sich, dann fällt die Tür ins Schloss.
"Was hattest du denn noch vor Lukie?"
Er zwinkert mir zu.
"Wenn du wüsstest was ich mit dir vorhabe Baby..."
"Arsch."
Er lacht und nimmt mich kurz in den Arm. Es ist so komisch von ihm in den Arm genommen zu werden.
"Weißt du, ich hab noch ein paar Fragen Luke..."
"Oh nein, ich dachte schon das hätte ich überwunden."
Ich schüttele den Kopf und er deutet mir an mich aufs Sofa zu setzen.
"Aaalsoo..."
"Wenn du schon mit einem 'aaalsoo' anfängst, kann das nur katastrophal enden."
Ich lache leise.
"Fangen wir ganz vorne an. Am aller ersten Tag, damals im Bus. Ich erinnere mich daran, dass du sagtest 'ich muss was ausprobieren'. Was war das?"
Er senkt den Blick und seufzt.
"Wenn ich dir das erzähle, hasst du mich wieder und eigentlich ist das genau das, was ich am aller wenigsten will."
Oh oh. Das hört sich nicht gut an.
"Luke erzähl es mir. Ich werde nicht sauer sein."
"Das sagst du jetzt noch."
"Ich meine es ernst."
Er seufzt wieder fährt sich dann unruhig durch die Locken.
"Du weißt ja wer Nick ist."
Autsch.
"Ja."
"Er...oh man, Mira..."
"LUKE. Weiter."
"Er hat...naja...er hat dich in einer gewissen Weise...empfohlen...oder so."
Ich atme tief ein und versuche nicht auszuticken.
"Ich...war zu der Zeit ziemlich fertig mit meinem Leben und Nick meinte, dass ich eine Freundin brauche und als ich ihn dann gefragt habe wen er denn da bitte im Sinn hätte, da meinte er 'Mira'. Und dann hat er mir Fotos von dir gezeigt und gesagt wie du so bist und ich...Gott...mir ging es so schlecht. Weißt du wie sehr ich mich im Nachhinein für diese Aktion im Bus schäme? Ich...das war nicht normal und generell war das alles...total doof und...es war nur...Nick meinte..."
Ich sehe ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht an.
"Nick meinte was?"
"Er...hat gesagt, dass du...", er hält kurz inne um mich bedrückt anzusehen, "...leicht zu haben wärst."
Und dann ist es vorbei.
"Mira. Ich hab nach den ersten zwei Minuten gemerkt, dass das nicht der Fall ist. Aber da war es zu spät. Ich wollte...dich. Du hattest mich zu dem Zeitpunkt schon in deinen Bann gezogen. Ab da konnte ich nicht mehr loslassen. Nicht weil Nick irgendeinen Mist erzählt hat, sondern weil ich dich wirklich sehr...sehr sehr mochte."
Ich kann nicht anders als mich klein zu machen und die Knie an mein Kinn zu ziehen.
"Gott...ich wohne bei einem Typen dem ich von meinem bescheuerten Ex-Freund empfohlen wurde. Empfohlen wie ein Stück Käse oder so...oh gott...", wimmere ich.
"Mira. Ich liebe dich. Dein Ex ist ein hirnverbrannter Arsch. Aber ich...ich liebe dich. Wirklich."
Ich muss frische Luft schnappen, jetzt sofort, auf der Stelle. Also springe ich auf und verlasse die Wohnung.
Als ich draußen angekommen bin, laufe ich einfach gerade aus.
Irgendwann komme ich an einer Bank vorbei und setze mich.
Ich krame mein Handy raus und scrolle durch meine Kontakte.
N...
Ni...
Nick.
Ich drücke auf anrufen.
Nach einem einzigen Tuten hebt er ab.
"Mira, mein Schatz. Lang nichts mehr von dir gehört!"
"Du verdammtes, mieses, dreckiges Arschloch", ist das einzige was ich sage, bevor ich wieder auflege.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 06, 2017 ⏰

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