E l e v e n

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"Everybody wanna steal my girl, everybody wanna take her heart away. Couple billion.."
Ahhh, halts Maul.
'Wenigstens hat er heute geklingelt oder?'
Meine Morgenroutine verläuft schnell und verschlafen, zum Frühstück schaufle ich mir eine Portion Müsli in den Hals. Irgendwie ist es viel zu still im Haus. Normalerweise trieben sich meine Eltern und meine Schwester um diese Uhrzeit schon überall im Haus herum. Ich ignoriere diese etwas seltsame Tatsache und schnappe mir meine Schultasche. Auch Em wartet noch nicht am Zaun, geschweige denn, dass sich irgendetwas auf der Straße regt.
Langsam bekomme ich das Gefühl, dass hier etwas gewaltig schief läuft.
'Vielleicht bist du die letzte Überlebende einer Zombie-Apokalypse und musst jetzt für den Rest deines Lebens fliehen? '
Haha, nicht zu viel schlechter Humor am Morgen bitte, ja?
Ich kämpfe mich den Berg hoch, der Wind bläst mir heute extra stark ins Gesicht und von dem sommerlichen Tag gestern ist nichts mehr übrig. Der Himmel ist bedeckt und die Luft wirklich verdammt arschkalt.
'Vielleicht noch ein paar mehr Schimpfwörter? Ich hätte da noch: scheiße, fuck und Idiot anzubieten? '
Als ich endlich den scheiß fuck Idiot Schulhof erreiche, ist dort kein einziges Fahrrad zu sehen. Genauso wenig wie Autos der Lehrer und älteren Schüler oder generell Menschen.
'Ich sag ja, Zombie-Apokalypse. Alle aufgefressen. Oder...'
Ja Miss Ich-Weiß-Alles?
'Es ist Mai und im Mai ist bekanntlich größtenteils schulfrei, alsoooo...wieso sollte nicht heute zufällig auch schulfrei sein?'
"NEEIINNN!", hallt meine Stimme auf dem Schulhof wieder.
Ich werde doch nicht wirklich an einem freien Tag, freiwillig früh aufgestanden und in die Schule gegangen sein. Nein, nein, nein.
Ich bin echt nicht mehr zu retten. Leise vor mich hin schimpfend wende ich mein Fahrrad und rase den Berg, den ich mich eben mühevoll herauf gequält habe wieder herunter.
Zu Hause angekommen versuche ich die Tür aufzuschließen...
'Wenn man aber seine Schlüssel drinnen vergisst, ist das schwierig'
Ich könnte echt heulen.
Genau zwei Möglichkeiten sind jetzt offen.
Erstens: Ich werde klingeln, damit meine Familie wecken und mich für den restlichen Tag als den dämlichsten Mensch der Welt beschimpfen lassen.
'Joa, da ist ja auch was dran.'
Zweitens: Ich werde den nächsten Bus zum Café nehmen und dort meinen restlichen Tag verbringen, mich erst wieder Abends blicken lassen und mir selber die ganze Zeit einreden wie bescheuert ich bin.
'Ich bin für Zwei'
Ja, ich auch.
'Dazu muss ich jetzt ja nichts sagen, oder? '
Mir wäre es sowieso ganz lieb wenn du nie wieder etwas sagen würdest.
Das Café ist relativ voll als ich ankomme und mich nach einem freien Platz umschaue. Es ist ungewohnt das Café nicht durch den Mitarbeitereingang zu betreten, sondern wie ein Gast hier zu sein.
Es sind fast keine Plätze mehr frei und wenn doch, dann ist es ein zweier Tisch, bei dem der eine Platz schon besetzt ist.
'Schau mal, da hinten rechts, kennst du den nicht?'
Oh, Luke ist auch da. Diesmal mit Kopfhörer auf dem Kopf, aber trotzdem vollkommen in seinen Laptop vertieft.
'Na komm schon Mira, gib dir nen Ruck! Setz dich zu ihm...'
Langsam bewege ich mich in seine Richtung und setze mich ihm gegenüber. Natürlich bekommt er nichts davon mit. Ich lehne mich zurück und bin Mr Bigboss mal wieder dankbar, dass er diese gemütlichen Bänke, mit roten Polstern und einer Lehne die bis über den Kopf reicht in das Café eingebaut hat.
Mein Blick ruht auf Luke. Ich werde ihn nicht auf mich aufmerksam machen, sondern einfach warten bis er mich von sich aus bemerkt.
Es ist lustig ihm zuzusehen, wie er vollkommen in seiner eigenen Welt steckt und wirklich überhaupt nichts von der Aussenwelt realisiert.
Für einen kurzen Moment legt er den Kopf schief und wendet den Blick Richtung Theke. Als er den Kopf wieder seinem Laptop zuwendet zuckt er zusammen.
Ich lache.
"Wie lange sitzt du schon da?", keucht er.
Ich schaue auf die Uhr, die über seinem Kopf hängt.
"So um die zehn Minuten. Fast eine viertel Stunde", ich lache immernoch.
"Wieso sagst du denn nichts? Ich hab überhaupt nichts mitbekommen!", jammert er. Mittlerweile hat er die Kopfhörer abgenommen und seine Aufmerksamkeit ganz mir zugewendet.
"Ja, das hab ich wohl bemerkt. Ich wollte dich nicht von deiner geheimnisvollen Arbeit abringen. Verrätst du mir eigentlich noch irgendwann was genau du da machst?"
Verlegen reibt er sich den Nacken und streicht sich dann - so typisch Luke - durch die Haare.
"Wir können ja einen Deal machen. Du lässt dich von mir heute zum Essen einladen und ich verrate dir im Gegenzug was ich hier mache. Was genau machst du eigentlich um diese Uhrzeit hier wenn du nicht arbeitest?", über sein Gesicht zieht sich das altbekannte Luke-Grübchen-Grinsen.
"Das mit dem Deal muss ich mir nochmal überlegen. Und wenn ich dir erzähle was ich hier mache, dann lachst du mich aus."
"Ich würde dich niemals auslachen, versprochen, ich kann mir sogar vorstellen wieso du hier bist."
"Ach ja?"
"Ja, du hast mich so unglaublich vermisst, dass du es keine weitere Sekunde ohne mich ausgehalten hast."
"Ich hatte gerade fast vergessen, dass du ein selbstverliebtes Arschloch bist, aber gerade im Moment ist es mir wieder eingefallen."
"Also gehst du mit mir Essen?"
'Ja.'
"Nein."
"Sicher?"
"Nein."
"Hä?"
"Ich werde nicht mit dir Essen gehen, aber ich bin mir noch nicht sicher. Vielleicht fällt mir ja noch auf, dass ich kein Geld dabei habe und mir selber nichts kaufen kann, dann komme ich eventuell noch mal darauf zurück. "
"Guck nach."
"Was?"
"Ob du Geld dabei hast!"
Ich krame in meiner Jackentasche, dabei weiß ich ganz genau, dass ich keinen einzigen Cent dabei habe.
"Zufällig habe ich kein Geld dabei. Schade aber auch. Jetzt muss ich mir nen Typen suchen, der mich zum einlädt."
"Tadaaa, hier bin ich."
"Hmm, was hältst du von dem sexy Boy der hier gerade zur Tür herein spaziert kommt?", frage ich gespielt interessiert zu Luke.
"Naja wenn man auf runzelige Weihnachtsmänner steht, dann nichts wie ran", schmollt er.
'Wenn Luke schmollt, endet das meistens damit, dass du mit ihm ins Kino gehst'
Das war nur einmal.
"Was hältst du von dem da?", ich deute auf einen attraktiven Typ, wahrscheinlich so um die 19 Jahre.
Ich bekomme einen entsetzten Blick von Luke zugeworfen.
"Okay, deinem Gesichtsausdruck nach, soll ich ihn unbedingt ansprechen. Ich bin mir dann mal mein Abendessen organisieren", trällere ich fröhlich und deute an aufzustehen.
"Nein! Bleib hier!", lacht Luke und zieht mich an der Hand wieder zurück.
"Wieso denn? Ich will aber mit ihm Essen!", meckere ich gespielt.
Luke steht auf und schiebt mich auf der Bank zur Seite und quetscht sich neben mich.
"Du bist heute abend ja leider schon verabredet. Mit mir. Falls du dich erinnerst", grinst er.
"Mit dir? Das wüsste ich aber", ich rümpfe die Nase.
"Bitteee, das mit dem Kino war doch lustig. Oder? Komm schon!", er schmollt schon wieder.
Ich wende den Kopf ab. Einerseits will ich, andererseits finde ich es seltsam mit einem wildfremden Typen auszugehen.
'Falls ich dich daran erinnern darf, das hast du schon längst getan.'
Ich spüre Lukes Wärme an meiner Seite.
"Luke, geh weg!", jammere ich, aber er bewegt sich nicht. Sein Blick bohrt sich in meine Wange. "Wieso kannst du nicht einfach ja sagen? Du hast nichts zu verlieren. Tu mir den Gefallen. Weil ich Geburtstag habe", raunt er.
"Du hast heute Geburtstag?!", frage ich ihn erschrocken.
"Ne nicht heute, aber ich habe Geburtstag. Im Dezember", lacht er.
"Blödmann", kichere ich.
'Ich erlaube mir "kichern" zu definieren.
Kichern:
Verb
Tritt immer dann ein wenn Luke einen dämlichen Witz reißt; Anzeichen dafür, dass Mira Sheppard aufgibt und Luke seinen Willen bekommt'
Danke, ich brauche keinen persönlichen Duden.
"Na gut", seufze ich.
'Siehst du, ich sag's ja'
Er umarmt mich von der Seite.
"Wie schön. Aber da das ja erst heute Abend ist...was machen wir davor?", lächelt er.
"Wir machen gar nichts davor. Du lässt mich jetzt erst mal los und dann werde ich mal sehen was ich mache. Vielleicht quatsche ich diesen Typen mal an, dafür brauche ich deine Hilfe aber nicht", meine ich.
"Das ist überhaupt nicht lustig. Ich weiß was wir machen. Komm mit", Luke steht auf und packt seine Sachen in seinen schwarzen Rucksack. Erwartungsvoll sieht er mich an, aber ich bewege mich keinen Zentimeter.
"Muss ich dich jetzt hier raus tragen oder was?", er rollt mit den Augen und kommt auf mich zu.
"Nein, ich bleibe hier", sage ich desinteressiert.
"Okay, wie du willst", murmelt er und macht noch einen Satz auf mich zu, packt mich an der Hüfte und hebt mich mit einem Ruck hoch. Ein Quietschen entfährt mir, was ihn aber nicht im Geringsten stört. Er schiebt mich hoch, so dass ich halb auf seiner Schulter hänge.
"Luke, ich warne dich! Lass mich sofort runter", fauche ich in sein Ohr, aber er fährt unbeeindruckt mit seiner Entführung vor.
Ein paar schräge Blicke werden uns zugeworfen als er mich quer durch das Café nach draußen trägt. Draußen angekommen lässt er mich endlich runter und ich versuche sofort auszubüchsen, was mir aber nur einen halben Meter gelingt, danach finde ich mich in Lukes Armen wieder.
'Mal wieder...'
"Du entwischst mir nicht. Komm jetzt oder willst du wieder die Welt von weiter oben betrachten? ", er lacht mich eindeutig aus. Sein Griff ist fest.
"Ja okay, ist ja gut, aber lass mich los!", ich reiße mich los.
Er lächelt und versucht nach meiner Hand zu greifen, aber ich ziehe sie rechtzeitig zurück.
"Was hast du eigentlich in deiner Tasche? Die sieht schwer aus", er versucht eindeutig von der Tatsache abzulenken, dass er mich gerade entführt hat.
"Wenn ich dir sage was ich darin habe, muss ich dir auch sagen warum ich es darin habe und das würde dann auch erklären wieso ich heute so früh im Café war. Und nein sie ist nicht so schwer, also komm gar nicht erst auf die Idee mich zu fragen, ob du sie für mich tragen kannst. Die Antwort lautet nämlich nein", murre ich.
"Okaaay...ich hatte zwar gar nicht vor...egal."
"Wo willst du eigentlich hin?"
"Wenn du meinst wo wir hingehen, dann sage ich dir...nichts."
"Kannst du vielleicht damit aufhören aus allem ein Geheimnis zu machen?"
"Also erstens wer macht denn hier ein Geheimnis aus seiner Tasche und zweitens kannst du vielleicht damit aufhören über alles zu meckern was ich tue?"
"Hallo?! Du hast mich gerade entführt!"
"Tja, bist du gefesselt?"
"Nein?"
"Wieso bist du dann noch hier? Lauf!"
"Nein!"
Er grinst zufrieden und legt mir einen Arm um die Schulter.
"Das heißt nicht, dass du mich jetzt so ganz boyfriendmäßig umarmen darfst!"
"Boyfriendmäßig?", lacht er.
Ich deute auf seinen Arm und er lässt mich immer noch lachend los.
Mittlerweile sind wir an einem Eingang, der zu einer U-Bahn Station führt, angekommen.
"Ich mag keine U-Bahnen", jammere ich.
"Ich mag keine U-Bahnen", äfft er mich nach.
"Luke!"
"Miriii!"
"Nenn mich nicht Miri!"
"Jaja, komm jetzt, die Bahn fährt in zwei Minuten", lacht er und zieht mich die Treppenstufen runter.
"Du bist so...so... blöd! "
'Mira du lässt dich gerade von diesem Jungen in eine U-Bahn-Station zerren und bezeichnest IHN als blöd? '
"Okay, kann ich mit leben Honey", er lacht.
"Was habt ihr Jungs eigentlich immer mit euren Spitznamen", murmle ich mehr zu mir selbst.
"Wer ist 'ihr Jungs'?", fragt Luke.
"Geht dich nichts an."
"Und du regst dich über meine Geheimnistuerei auf, hm?"
"Ja, genau so siehts aus."
"Okay."
Mittlerweile sind wir unten angekommen und warten. Luke steht hinter mir.
"Weißt du eigentlich wie gerne ich jetzt mein Kinn auf deinen Kopf legen will?", fragt er leise.
"Nein weiß ich nicht, will ich auch gar nicht wissen."
Er legt sein Kinn auf meinen Kopf.
"Luke."
"Mira, mein Schatz, die Bahn kommt."
Er rückt von mir ab.
"Ja ich sehe es. Und nenn mich nicht Schatz."
Die Türen öffnen mit einem Zischen und Menschenmassen steigen aus. Luke schiebt mich sanft in die stickige Bahn rein.
Ich hasse U-Bahnen.
"Ich hab kein Ticket", sage ich.
"Macht nichts, ich auch nicht", antwortet Luke und wir versuchen uns in eine freie Stelle zu quetschen. Beziehungsweise Luke quetscht mich.
Ich. Hasse. U-Bahnen.
Die Fahrt verläuft schweigend, ich versuche größtenteils einfach nur genug Luft zu bekommen und fremden Menschen nicht auf die Füße zu treten. Ab und zu spüre ich wie sich eine Hand auf meine Taille legt, immer dann wenn die Bahn bremst und ich drohe umzukippen.
"Hier raus Mira", endlich, endlich sagt er das. Ich will weg hier.
Wir werden von der herausströmenden Menschenmasse ausgespuckt und ich hole tief Luft.
"Alles okay?", fragt Luke.
"Ich hasse U-Bahnen. Wehe du zwingst mich noch einmal in sowas einzusteigen", wütend renne ich die Stufen nach oben.
Ich habe keine Ahnung wo ich bin, aber es sieht bis jetzt eigentlich ganz schön aus. Ich bin auf einem kleinen Platz mit ein paar Blumenbeeten und es ist niemand zu sehen.
"Wir sind noch nicht da, komm mit", Luke ist wieder hinter mir aufgetaucht.
Ich werfe ihm einen Mira-Killerblick zu, aber er lacht nur.
"Mira, tut mir leid, das sieht nicht ansatzweise böse aus. Du siehst aus wie ein kleines, böses...Kaninchen", kichert er, "komm her."
Er hat die Arme ausgebreitet und mein ganzer Körper will einfach nur in diese Arme.
'Das wirst du nicht tun. Untersteh dich!'
Nur kurz.
'Nein. Mira, vergiss es. Er hat dich entführt. Er ist ein Psycho! Mira, Mira hörst du mich?!"
Ich laufe auf ihn zu. Er lächelt breit, die Arme immernoch erwartungsvoll geöffnet.
'MIRA! NEIINNN!"
Ich will aber.
'Neinneinnein. Neeiinn.'
Nur ein bisschen.
'Tu. Das. Nicht.'
Was wenn doch?

*

Für M. weil ich weiß, dass sie sich freut wenn ich während des Unterrichts update...

Nachdem ich letztens ein Kapitel mit über zweitausend geschriebenen Wörtern ausversehen gelöscht habe, hat mich erstmal aller Mut verlassen. Das gelöschte Kapitel will mir einfach nicht mehr gelingen.
Bis dahin ist es aber noch was Zeit.
Kommentare erwünscht,
Bye,
~M

Love The Easy WayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt