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Ich jagte durch den Dunkelwald, bereit den schrecklichen Kreaturen zu entkommen, die hinter mir her waren. Mein Fell schützte mich vor der eisigen Kälte, die mich in menschlicher Gestalt schon längst hätte erfrieren lassen können. Ich hechelte und streckte den Gestalten hinter mir die Zunge raus. Doch vielleicht hätte ich das nicht tun sollen, denn sie wurden noch schneller und ich musste Haken schlagen und konnte mich nicht mehr nach ihnen umdrehen.

Ich rannte auf eine Lichtung zu. Dann war ich raus aus dem Wald und sah, dass gerade die Sonne aufging. Ich seufzte erleichtert.

Doch die Vampire waren anscheinend nicht bereit, mich in Ruhe zu lassen, obwohl die Sonne sie verbrennen würde. Das sagten zumindest die Legenden. Und ich konnte mich nicht auf die verlassen. Also wirbelte ich herum und preschte wieder los. Gras und Erde spritzte unter meinen Pfoten hervor und Steine lagen plötzlich überall. Und zwar im Weg.

Ich wagte es diesmal nicht, die Vampire zu verärgern, wie ich es schon so oft gemacht hatte. Ich verringerte mein Tempo nicht und steuerte direkt auf den Rand der Baumreihe zu. Doch es war eine Falle. Denn überall standen Vampire und starrten mich aus ihren schwarzen Augen an. Komplett emotionslos.

Warum hatten sie so viel Aufwand betrieben? An mir war doch fast nichts dran!

Die Vampire grenzten mich ein. Sie rückten im Sekundentakt vor und versuchten, mich mit ihren Blicken aufzuspießen. Oh Mann. Hatten sie keinen Therapeuten, dem sie ihre Probleme erzählen konnten? Mussten sie mich echt unbedingt haben? Vielleicht wollten sie mich foltern. Oder Lösegeld erpressen. Nur... wie? Niemand wusste den momentanen Standort meiner Eltern - die die einzigen waren, von denen ich erwartete, dass sie Lösegeld bezahlen würden. Sogar ich wusste nicht, wo sie sich aufhielten. Doch vielleicht ging es darum, meine Eltern zu finden.

Einer der Vampire sprang vor und versuchte, mich anzugreifen, doch ein anderer stürzte sich auf ihn und riss ihm den Kopf ab. Ich zuckte zurück. So brutal würde niemals ein Werwolf einen anderen behandeln. Diese Vampire waren wirklich rätselhaft. Sie sprangen mit ihren Gefährten um wie Haustiere und misstrauten einander so stark, wie wir Werwölfe uns gegenseitig respektierten.

Dann ging eine wilde Rangelei los. Kopfschüttelnd wich ich einem durch die Luft fliegenden Vampir aus und sprang zur Seite, als mich zwei ringende beiseiteschoben. Erkannten sie mich denn nicht? Verständnislos blickte ich an mir herunter und bemerkte, dass mein Fell gänzlich verschwunden war. Statt des rotbraunen Wintermantels trug ich nun Jeans und einen Pulli.
Meine Sneaker waren vom Schmutz und Blut der anderen total verdreckt. Ich band mir die Schnürsenkel, die fast schon auseinanderfielen. Ich musste mir dringend neue Schuhe besorgen, wenn dieses Drama vorbei war.

Danach schlängelte ich mich durch die kämpfenden, johlenden Vampire an den Rand des Waldes. Ich versteckte mich hinter den Bäumen, während sich mir ein spektakulärer Anblick bot.

In der aufgehenden Sonne begannen die Vampire nach und nach zu Staub zu zerfallen. Sie schrien wie kleine Kinder und einzelne Glieder fielen von ihnen ab. Die Vampire, die sich noch in den Schatten des Dunkelwaldes retten konnten, fauchten wütend und starrten zu den Überresten ihrer Kameraden hinüber. Oh je. Jetzt waren sie sauer. Sehr sauer.

Und die einzige Schuldige, die sie im Moment hatten, war ich. Sie mussten mich zwar erst einmal finden, aber Vampire konnten ihre Sinne verschärfen. Es sollte für sie kein allzu großes Problem darstellen, mich aufzuspüren und zu töten.

Ich hörte das Brechen eines Astes und fuhr herum. Niemand. Doch ich wusste, dass jemand da war. Also drehte ich mich wieder um und wartete auf ein weiteres Anzeichen desjenigen, der da gerade diesen dummen Fehler begangen und auf sich aufmerksam gemacht hatte.

Ein paar Sekunden geschah nichts, doch ich horchte auf jedes noch so kleine Geräusch. Wenn ich mich bewegte, würde derjenige gewarnt werden. Ich hockte mich hin und beobachtete die Lichtung. Selbst der Staub der Vampire begann schon sich aufzulösen. Er waberte ein wenig in der Sonne herum und es sah so aus, als saugte diese alle Überreste der Ungeheuer in sich hinein. Dann passierten drei Dinge gleichzeitig:
Ich hörte, wie jemand hinter mich trat.
Ich nahm einen ekligen Geruch wahr.
Es war der Geruch eines Vampirs.

Neues Buch, neues Glück. Ich habe mir ein Thema ausgesucht, wovon ich noch nicht so viele guten Storys gefunden habe und hoffe, wenigstens ihr findet diese Geschichte.

Bis zum nächsten Kapitel,
Colourfance 🎨

Wenn der Mond scheintWo Geschichten leben. Entdecke jetzt