9.

9 2 0
                                    

Ich fuhr herum. Das war Adam! Wo war dieser Trottel bloß? Ich verfluchte ihn innerlich. Hatte er nicht einmal eine Sekunde auf sich aufpassen können? Eine - einzige - Sekunde? Anscheinend nicht. Und jetzt durfte ich ihn wieder retten! Na super! Das hatte in meinem Tag noch gefehlt.

Ein Rascheln ließ mich aufschrecken. Ich drehte mich einmal um 180 Grad. Ich atmete flach und prüfte die Windrichtung. Der Wind kam von hinten. Noch konnte mich der Eindringling nicht riechen.
Zwischen den Bäumen kam ein hochgewachsener Mann hervor. Seine schwarzen Haare waren zurückgegelt und er strich mit seiner rechten Hand darüber. Er schaute sich um. Seine Augen waren schwarz. Pechschwarz. Er war ein Vampir. 

Angst überkam mich. Vampire konnten Furcht riechen, aber im Moment hatte ich wirklich andere Sorgen. Ich war im Vorteil, was eine Jagd betraf. Eine Jagd auf mich. Ich konnte schnell laufen, auch ohne Wolfsgestalt und das Dorf war nicht weit. Andererseits war Adam hier irgendwo. Hatte dieser Typ ihn sich geschnappt? War Adam freiwillig mit ihnen gegangen? Warum traute sich diese Kreatur überhaupt so nah an das Dorf heran?

Vielleicht war es auch nichts und das war nur ein Kundschafter. Ich musste Adam finden. Dieser...- Hinter mir erklang ein Geräusch. Ein schriller Schrei. Aber es war kein Schrei der Angst oder des Schmerzes. Es war ein Kriegsschrei. Sie hatten mich gefunden.

Ich wandte mich um. Es waren drei. Mit ihnen konnte ich es aufnehmen, wenn man den Typen hinter mir nicht dazuzählte. Ich drehte mich wieder um. Und erschrak. Da war niemand mehr. Der Vampir war verschwunden. Wo war er hin? Ich schaute mich um. Er war nicht zusehen. Auch gut. Dann hatte ich freie Bahn. Ich rannte los, tiefer in den Wald hinein. Immer schneller. Ich sprang über einen kleinen Strauch und schlängelte mich zwischen zwei Bäumen hindurch. Einen Blick nach hinten konnte ich nicht riskieren, also starrte ich weiter starr geradeaus. Ich hörte die Vampire schließlich laut genug. Ihre Schreie hallten durch den Wald, wurden von Bäumen zurückgeworfen und verfolgten mich. Kurz überlegte ich, ins Dorf zurückzukehren. Dort konnte man mich sicherlich beschützen. Doch ich entschied mich dagegen. Was würde Papa wohl sagen, wenn ich eine Horde Vampire geradewegs zu den anderen führte? Inzwischen konnte ich fast zwanzig unterschiedliche Stimmen ausmachen, die mir gerade ihren Blutdurst hinterherschrien. Ihr Gekreische zerfetzte fast mein Trommelfell. Konnten die anderen aus dem Dorf sie nicht hören? Mir nicht helfen? Oder waren sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um der Tochter des Clanchefs zur Hilfe zu eilen? Anscheinend hatten sie bessere Dinge zu tun. Oder sie hörten mich tatsächlich nicht...

Mein Gedankenfluss wurde von einem nahen Schrei unterbrochen. Eine dieser abscheulichen Kreaturen kam von der Seite und stieß mich ins Gras. ,,Abscheulich? Dafür, dass ich dir gerade das Leben rette, hätte ich etwas anderes erwartet. Vielleicht ein Dankeschön?", zischte kein anderer als Adam in mein Ohr. Er half mir auf und als ich etwas sagen wollte, schüttelte er den Kopf. Er zeigte in eine Richtung und bedeutete mir, ihm zu folgen. Er wusste anscheinend wo es lang ging.

Wir schlichen eine Weile durch den Wald. Es war jetzt ganz dunkel. Ich konnte die Sterne am Himmel nur erahnen, denn die Kronen der Bäume nahmen mir die Sicht. In der Ferne hörte ich noch die Rufe der anderen Vampire. Sie klangen gleichzeitig weit entfernt und zugleich furchtbar nah. Jede einzelne Faser meines Körpers schrie nach Flucht. Doch ich versuchte ruhig zu bleiben und Adam nicht zu verlieren, der immer weiter geradeaus lief.

Als wir eine Pause machten, fragte ich ihn: ,,Wie bist du ihnen entkommen?" Er schaute mich verständnislos an. ,,Ich musste ihnen nicht entkommen. Sie hatten mich nie." Ich starrte ihn ungläubig an. ,,Aber du hast geschrien. Sehr laut übrigens. Habt ihr etwa eines dieser lustigen Spiele gespielt, bei denen man einander umbringt?" Er zog einen Mundwinkel nach oben. Sollte das ein Lächeln sein? Sofort wurde er wieder ernst. ,,Tut mir leid, dass ich nicht fröhlich grinsend durch die Gegend laufe, wenn die mich tatsächlich fast zur Strecke gebracht hätten!" Ich grinste. ,,Na also. Da ich also doch was aus dir raus bekommen habe, nehme ich an, es war doch nicht so einfach, oder?" Er setzte sich auf einen Stein und schlug die Beine übereinander. ,,Ich musste eben so tun, als wäre ich tot, damit sie mir nicht doch eine Sonderbehandlung geben. Also habe ich geschrien und bin theatralisch umgefallen." ,,So laut hättest du nicht sein müssen", bemerkte ich. Adam grinste. ,,Ich glaube, es hat ihnen gefallen. Einer sah aus, als würde er am liebsten eine Tüte Popcorn während meiner Vorstellung essen." ,,Sie haben dich einfach liegen gelassen?", erkundigte ich mich zur Sicherheit noch einmal. Adam nickte bestätigend. ,,Gut. Dann wissen sie hoffentlich nicht, wo wir jetzt sind." Adam nickte wieder. Er stand wieder auf und wir liefen weiter.

Nach ein paar weiteren Minuten tippte ich ihm auf die Schulter. Er fuhr erschrocken herum. ,,Ja?" ,,Bist du sicher, dass das hier die richtige Richtung ist? Sollten wir nicht schon lange angekommen sein?", fragte ich besorgt. ,,Na ja..." Er strich sich verlegen durch die Haare. Hatte er sich etwa verlaufen? ,,Ich kann doch nichts dafür! Es ist dunkel und kalt und ich sehe nicht mehr besonders viel." Ich nickte und erklärte: ,,Wir brauchen einen Unterschlupf zum Übernachten." Ich deutete hinter mich, wo in der Ferne immer noch leise die Schreie der Vampire zu hören waren. ,,Wegen denen da." Adam nickte. ,,Stimmt. Aber... wo? Hier sind zu viele Bäume!" Ich verdrehte die Augen. ,,Adam. Das ist hier ein Wald. Hier gibt es viele Bäume!"

Nachdem wir besprochen hatten, wie es weiter gehen sollte - wir würden nach einem Felsen oder einer Höhle oder ähnlichem Ausschau halten - setzten wir unseren Marsch fort.

Adam war derjenige, der zuerst etwas Brauchbares fand. Nämlich einen Hügel, neben dem ein paar hohe Bäume standen. ,,Da oben können wir übernachten!", rief er aufgeregt. Dafür, dass er behauptet hatte, wir sollten leise sein, war er ziemlich laut.
Adam ignorierte meine Gedanken, obwohl er sie wahrscheinlich gelesen hatte, und rannte auf den Hügel zu. Dann kletterte er schnell an einer dicken Buche hoch und winkte mir, ich solle nachkommen. Ich kletterte ihm so schnell wie möglich nach. Ich brauchte ein paar Anläufe, denn wie echte Wölfe konnte ich nicht besonders gut klettern. Doch dann war ich oben. Man hatte einen guten Ausblick - trotz Nacht - und Adam und ich richteten uns ein Nachtlager ein. Wir fanden eine Stelle, bei der wir im Notfall schnell wieder runter kamen - oder höher, man wusste ja nie, von wo man angegriffen wurde - , aber bei der man auch schlafen konnte, ohne direkt von einem Ast runterzufallen und sich einen Arm zu brechen.

Ich lauschte noch einige Minuten in die Nacht und hörte Geraschel und den Ruf eines Käuzchens. Doch bald schon war ich eingeschlafen.


Und hier ist endlich das neue Kapitel! Mann, bin ich froh, dass ich es doch noch hinbekommen habe. Viel Spaß weiterhin!

Colourfance🎨

Wenn der Mond scheintWo Geschichten leben. Entdecke jetzt