Chapter Six

279 37 12
                                        

Ich stand vor meinem Auto und suchte hektisch meine Autoschlüssel. Als ich sie nicht fand, wurde ich aus Frustration wütend und trat gegen meinen vorderen Autoreifen. Ich lief im Kreis umher und fuhr mir seufzend durch die Haare.

George!
George war noch immer dort drinnen - mit Kim und...Josy.
Was, wenn er es nun herausfinden würde?
Wenn er herausfinden würde, dass Josy mein Kind war?

Meine Atmung wurde mit jeder Sekunde unkontrollierbar.
Ich wollte einfach nur noch weg von hier. Weg von diesem Haus, weg von Kim, weg von Josy.
Ich wusste es. Ich wusste, dass dieses Geheimnis eines Tages herauskommen würde.

Warum jetzt?
Warum heute?
Warum unter diesen Umständen?
Was sollte Caleb von mir denken?

Völlig in meinen Gedanken verloren hatte ich nicht mitbekommen, dass mir schon längst jemand nach draußen gefolgt war. Als ich sah, wer es war, stockte mir erneut der Atem.

Kim stand vor mir, mit verschränkten Armen und musterte mich. Ich erwartete in ihrem Blick Hass...Wut...alles in dieser Richtung, doch stattdessen sah ich etwas wie...Mitleid, Verständnis...
Wieso? Wieso schrie sie mich nicht an?

,,Clay beruhig dich, niemand von ihnen weiß etwas'' kam es plötzlich von Kim.
Ich starrte sie unglaubwürdig an. Sie hatte dicht gehalten? Vor jedem? Wieso?
,,Wieso?'' entfuhr es mir.

,,Ich hatte nie vor dich in den Dreck zu ziehen'' sagte sie.
,,Was?'' entfuhr es mir dieses Mal noch unglaubwürdiger.
Sie seufzte und schien zu überlegen.

,,Ich habe dich damals gehasst, als du mich alleine gelassen hast'' fing sie an zu erzählen.
,,Aber ich wollte nie, dass mein Kind ein schreckliches Vaterbild hat...''
,,Ich habe ihr immer erzählt, dass du auf Weltreisen wärst, da du ein beschäftigter Mann wärst, statt ihr zu sagen, dass ihr Vater sie vor ihrer Geburt schon abgeschrieben hatte'' fuhr sie fort.
,,Inzwischen ist sie fünf und fängt langsam an andere Sachen zu glauben...'' fügte sie noch hinzu.

,,Ich hatte keine Ahnung, dass du der Bruder des Mannes meiner besten Freundin bist. Hätte ich gewusst, dass du heute hierherkommen würdest, wäre ich mit Josy hier niemals aufgetaucht'' sagte sie.

Ich starrte sie an und versuchte jedes Wort, das sie sagte aufzunehmen.
Kim hatte mich gedeckt? Vor jeden? Obwohl ich sie mit dem Kind im Stich gelassen hatte?
Diese Schuldgefühle in mir erreichten nun beinah ihr Endlevel.

,,Es...es tut mir leid...'' war alles, was aus meinem Mund herauskam.
,,Ich war noch so jung...ich...'' stotterte ich.
,,Ich verstehe es heute'' sagte sie.

,,Nicht jeder ist für so etwas geschaffen. Nicht jeder kann diese Verantwortung übernehmen und wie du es damals gesagt hast, es war meine Entscheidung sie zu bekommen'' kam es von ihr.
,,Anfangs war es wirklich schwer, da ich selbst noch so jung war, aber dennoch habe ich es hinbekommen. Ohne dich waren wir zu der Zeit wirklich besser dran.''

,,Mama!'' ertönte die Stimme eines kleinen Mädchens, das aus dem Haus gerannt kam.
Es war Josy, die ihre Arme um Kims Taille gelegt hatte.
,,Ich komme gleich wieder rein, Schatz'' entgegnete Kim ihr.

Als ich Josy betrachtete, ließ es mir das Blut in den Adern gefrieren.
Als sie mich anschaute, setzte mein Herz aus.
Ihre Augen...es waren exakt meine.

,,Warum bist du weggerannt?'' fragte mich Josy plötzlich.
Sofort wanderten meine Augen Hilfe suchend zu Kim.
,,Ihm ging es nicht so gut, er hat etwas frische Luft gebraucht'' antwortete sie ihr.

Ich fragte mich, wieso George noch nicht nachgekommen war. Hatte er etwas geahnt? War es aufgefallen? War es vorbei?
,,Ich habe deinem Freund und den anderen gesagt, dass wir uns aus der Schule von früher kennen würden und nicht das beste Verhältnis zueinander hatten, weshalb dich die Situation etwas überfordert hat'' erzählte mir Kim.

,,Wieso? Wieso tust du das alles?'' fragte ich sie.
Kim kniete sich zu Josy für einen kurzen Moment herunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie nickte und zurück in das Haus lief.

Nachdem Josy weg war, richtete sich Kim wieder auf und schaute mich an.
,,Weil du nach wie vor ihr Vater bist und ich dir keinen Schaden zufügen will. Trotz allem habe ich die Hoffnung, dass du eines Tages deine Verantwortung übernimmst und Josy ihren Vater an ihrer Seite hat'' antwortete sie, bevor sie ebenfalls wieder in das Haus lief.

Wie angewurzelt stand ich noch immer dort, so viele Sachen flogen mir durch den Kopf, dass es mir schon Kopfschmerzen verpasste. Ich wusste, dass dieser Tag kommen würde. Der Tag, an dem mich stellen musste.

Wäre ich noch so wie früher, wäre ich einfach weggerannt und hätte alles und jeden hinter mich gelassen, nur um nicht in diese Vaterfigur schlüpfen zu müssen. Doch so war ich nicht mehr. Ich war nicht mehr 17.

Ich hätte nun einfach in das Auto steigen und wegfahren oder zurück in das Haus gehen können. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich einfach rennen sollte. Wegrennen, wie ich es immer getan hatte. Doch ich entschied mich dazu zurück in das Haus zu gehen.

Ich hatte zwar keine Ahnung, was mich dort erwarten würde. Wie der Abend ausgehen würde, doch wenn ich jetzt gehen würde, hätte ich George sowie Caleb erklären müssen, wieso ich gegangen war.

Nach wie vor wollte ich nicht, dass irgendjemand von ihnen wusste, dass Josy mein Kind war. Also musste ich mich der Situation stellen und mit Kim noch einmal sprechen. Da Kim die beste Freundin von Evy, der Frau meines Bruders zu sein schien, hätte wegrennen sowieso nicht mehr geholfen. Dadurch wäre mein Geheimnis einfach nur sofort herausgekommen.


----------------------------------↓----------------------------------

Ob Kim weiterhin sein Geheimnis decken wird? 👀

Sense of DutyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt