Kapitel 5

28 1 0
                                    

Er erwartete sie im Wohnzimmer. Naja, 'Wohnzimmer' war gut. Der Raum war riesig. Aber was sollte man auf einer Burg schon erwarten?

"Morgen." Kyra hob grüßend die Hand.

Er erwiderte den Gruß mit einem Nicken und beließ es dabei, demonstrativ aus dem Fenster in die stockfinstere Nacht hinauszublicken. "Du kommst spät."

"Hab verschlafen."

"Soll ich dich nächstes mal wecken?"

Sie schüttelte den Kopf. "Nein, danke. Also, können wir weitermachen?"

Alucard lächelte sanft. Dieser Tatendrang erinnerte ihn immer an ihn. Seinen ältesten. Seinen erstgeborenen Sohn Mihnea. "Natürlich, hast du noch den Satzaufbau im Kopf?"

Die Stunde begann so wie schon die vergangene Woche. Ihre Fortschritte waren enorm.

Irgendwann wurde es ihr aber zu viel und sie fragte: "Cend trebuie să ne întoarcem?" (Wann müssen wir zurück?)

"'Când' nicht 'cend'", verbesserte er sie. "Atâta timp cât este nevoie." (Solange es eben dauert.)

"Solange es halt dauert mich zu sozialisieren, oder was?", fragte sie wieder auf Englisch und etwas genervt.

"Das hast jetzt niemand anderes als du gesagt, Liebes. Und nein, es geht eher darum, wann du stark genug bist und ... Befehlen gehorchst."

"Befehlen? Welchen Befehlen? Deinen? Du bist ein Sklave!"

Das hätte sie nicht sagen sollen und sobald sie den Satz zu Ende gesprochen hatte, biss sie sich auch schon auf die Zunge. Verdammt, das war ein Vampir, sie sollt vorsichtiger sein.

Der König schaute sie an. Seine Augen waren hinter der Sonnenbrille versteckt und sie konnte sich nur ausmalen, was er dachte. Dann knurrte er und stürzte sich auf sie. Er drückte sie an die Wand und umschloss ihren Hals mit seiner großen, abgemagerten Hand, die in den weißen, groben Handschuhen steckten, was die Berührung auch nicht angenehmer machte. "Wie kannst du es wagen!", fuhr er sie an. "Du bist ein kleines dahergelaufenes Kind, das sich nicht mehr in der Welt wünscht als endlich eine Freundschaft mit jemandem aufzubauen und akzeptiert zu werden, trotz deiner Macken. Weißt du was? Du bist erbärmlich! Du rollst dich im Schlaf zusammen, da dir sonst einsam wird. Deine Träume drehen sich um Personen, die es nie gab oder geben wird, die Dinge tun, die niemand jemals tun würde. Denkst du wirklich, irgendjemand wird dich akzeptieren, nachdem er gesehen hat, wie du jemanden verprügelst, jemanden tötest nur weil er dich angefasst hat? Du bist ein Psycho. Sieh es ein, niemand wird dich je lieben!"

Ihr stiegen Tränen in die Augen. Der Griff um ihren Hals war eng, aber nicht zu eng als dass sie um Luft ringen müsste. "Du bist der Psycho", brachte sie unter Schluchzen hervor.

"Wie bitte? Kleines, was du redest ist Unsinn. Vampire sind Monster. Ich bin ein Monster. Du bist ein Mensch, du lebst, verstehst du? Menschen sind keine Monster, Menschen sind zu weit schlimmerem fähig. Sie foltern, schänden, töten und das alles im Namen von Gott. Und Gott tut nichts, er blinzelt nicht einmal, wenn ein Säugling auf einen Pfahl aufgespießt wird, ein Kind geschändet oder einer Frau unbeschreibliche Dinge angetan werden. Das sind Menschen. Menschen sind Psychos, die wahren Monster. Und, was bist du ein Mensch, oder? Das bedeutet du hast das Potenzial noch so viel schlimmer zu werden."

Er ließ von ihr ab und sie knickte ein wie ein Blumenstängel und weinte sie ohne Halt. "Ich weiß, das Menschen schrecklich sind. Ich habe gelesen, was Menschen getan haben und immer noch tun. Und zu ihnen zu zählen ertrage ich nicht! Ein Vampir zu werden, stelle ich mir auch nicht besser vor, aber ich weiß nicht warum, aber ich würde eher das Leben als Monster wählen, als weiter als Mensch zu leben!"

A Hellsing StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt