Kaum hatten sie den Saal verlassen und die schwere Tür war hinter ihnen ins Schloss gefallen, packte Alucard sie auch schon grob am Unterarm und zog sie mit durch den Schatten "nach Hause".
"Geh schlafen. Sofort!", war das einzige, das er ihr sagte, bevor er sie in der Eingangshalle stehen ließ und in den Keller hinabstieg.
Was wollte er denn dort? Er hatte sein Zimmer so wie sie auch im obersten Stockwerk. Sogar seinen Sarg hatte er mitgebracht. Ihre Neugierde überwog den Drang, Alucard nicht zu verärgern, weshalb sie ihren Geist aussandte, wie er ihr es gezeigt hatte.
Es war anstrengend. Schon nach wenigen Metern bildeten sich metaphorische Schweißtropfen auf der Stirn, da Vampire nicht schwitzen konnten, aber würde sie näher zur Treppe gehen, würde er mit Sicherheit ihre Anwesenheit bemerken und sie zusammenstauchen, also blieb sie wo sie war und konzentrierte sich auf die Geräusche und Gerüche, die sie wahrnahm.
Als erstes erschien es ihr sehr still im Kellergewölbe, aber nach und nach waren immer mehr Geräusche zu hören. Das Kratzen und Huschen der Ratten. Leises Fiepsen von Mäusen. Der Geruch war modrig, nach Aas und Tod. Während sie sich langsam weiter vor tastete, roch sie Wachs und spürte sanftes Licht. Vermutlich brannten Kerzen. Und noch etwas war da. Kyra runzelte die Stirn. Genauer gesagt zwei Sachen. Einmal Alucard, der sich seines Mantels und seiner Krawatte entledigt hatte, sodass er jetzt mit den hochgekrempelten Ärmeln des feinen Hemdes der zweiten Person gegenüberstand, die scheinbar auf dem Boden kniete. Diese Person roch nach Angst und Dreck. Ihr Haar war verfilzt und sie war nur in Lumpen bekleidet, aber irgendetwas kam Kyra an ihr bekannt vor...
Sie zuckte urplötzlich zusammen. Ihr Meister hatte seine Augen direkt auf sie gerichtet und eine übermächtige Furcht stieg in ihr hoch, ob seines wütenden Blickes.
So schnell es ging zog sie ihren Geist zurück und rannte hoch in ihr Zimmer. Das Gefühl, verfolgt zu werden, ließ sie nicht einmal los als sie ihre Tür unsanft zuknallte und sich wie ein verängstigtes Kind unter ihrem Bett versteckte.
Sie wartete auf die schweren Schritte Alucards wie früher auf die ihres Onkels. Wenn er verärgert war, stapfte er immer die Treppe so ruhig und bedächtig herauf, um dann, wenn er in ihrem Zimmer stand, auszurasten und mit dem Gürtel auszuholen. Aber heute war das nicht so. Ihr Onkel war schon lange tot und Alucard... Sie hörte keine Schritte von ihm, ebenso tauchte er nicht auf einmal in ihrem Zimmer auf. Im Gegenteil, seine Präsenz war immer noch im Keller soweit sie das bestimmen konnte.
Sie brauchte einige Zeit bis sich ihre Atmung beruhigt hatte und noch länger bis sie sich wieder unter ihrem Bett hervortraute. Es war schon mindestens 4 Uhr morgens und sie war hundemüde.
"Wenn du jetzt einschläfst, wirst du tagsüber wieder wach liegen", informierte sie sich selbst. Als Antwort murmelte sie irgendetwas Unverständliches und rieb sich die Augen. Ihr stieg ein Geruch in die Nase, als ihre Arme in der Höhe ihres Gesichts waren. Ach, stimmt ja, Sandelholz, Bernstein und Eiche, Alucards Geruch. Wie häufig hatte er sie in letzter Zeit bloß berührt, ohne dass sie es überhaupt richtig realisiert hatte?
Auf einmal verlangte es sie nach einer Dusche. Am besten eine kalte. Früher hatte das eiskalte Wasser sie immer auf andere Gedanken gebracht. Hoffentlich war das immer noch so. Machten Vampire die extremen Temperaturen überhaupt etwas aus? Sie selbst hatten ja auch keine Körperwärme mehr. Naja, sie konnte es immer noch ausprobieren.
Durch ihr erstaunlich großes Zimmer, das von einem Kronleuchter beleuchtet war, den die Diener des Meisters wohl angezündet hatten, durchquerte sie die Zwischentür zum angrenzenden Badezimmer, in dem auch schon einige Kerzen brannten. Von Elektrizität hatten die hier scheinbar noch nicht gehört. Hoffentlich gibt es zumindest fließendes Wasser. Da die Anlage dafür vorhanden war, beschloss die Draculina, auch das einfach mal auszuprobieren. Die Diener zu rufen, dass sie ihr eine Badewanne füllen sollen, wie es sonst gemacht wurde, würde zu lange dauern.
Sie entledigte sich ihrer Kleidung, mit der sie sich immer noch nicht anfreunden konnte, und schaltete das Wasser an, hielt aber nur eine Hand drunter. Der Wasserdruck ließ nicht mehr zu wünschen übrig, so wie das Wasser herausschoss und warm wurde es mit der Zeit (glücklicherweise) auch nicht (es gab keine Möglichkeit hier etwas einzustellen). Also riskierte sie es und steckte auch den Kopf unter den Wasserstrahl. Es war nicht so kalt wie sie es in Erinnerung gehabt hatte, schon eher angenehm, aber es tat seinen Zweck und beruhigte ihre Nerven.
Mindestens zwanzig Minuten stand sie unter dem strömenden Wasser und ließ es über ihren Körper rinnen. An sich herunter blickte sie nicht. Die Bissabdrücke waren zwar verheilt, die Narben allerdings nicht. Nach einer Weile griff sie aber doch nach der Seife und fing zumindest ein sich Haare, Gesicht und Arme zu waschen. Lange Haare nervten und auch jetzt schienen sie schon knappe 5 Zentimeter länger geworden zu sein als noch vor einem Tag.
Irgendwann stieg sie dann doch aus der Dusche und trocknete sich ab. Glücklicherweise hatte Alucard auch ihre Schlafklamotten von Hellsing aus mitgebracht. So musste sie immerhin nicht mehr diese Seidennachthemden tragen, sondern schlüpfte in kurze Shorts und XXL-Hoodies mit großer Kapuze. Ihre nassen Haare hingen ihr über die Schultern und hinterließen ein paar feuchte Flecken, die das schwarz noch dunkler färbten.
Ziemlich ruhig und fast schon fröhlich mit Dead Man Walking auf den Lippen betrat sie wieder ihr Zimmer, allerdings verflüchtigt sich die Ruhe augenblicklich wieder, als sie eine eindeutig gefolterte Frau mit verdreckten Haaren, schmutziger Haut und Kleidung auf ihrem Bett sitzen sah. Das schlimmste daran waren aber die Augen, die glühend roten Augen, die so verzweifelt aussahen.
Ihr erster Instinkt war ihre Pistole auf sie zu richten, aber diese befand sich im Trainingsraum. Die zweite Idee war Alucard zu rufen, aber auch diese verflüchtigte sie sich, als sie das Individuum als das aus dem Keller erkannte, das vor ihrem Meister gekniet hatte. Also musterte Kyra die Frau erst einmal und ergriff dann das Wort. Wer bist du? Was ist mit dir passiert? Du warst bei dem Meister im Keller, oder? Hat er dir das angetan? Warum bist du jetzt hier? Das wollte sie alles fragen, aber dann kam ihr ein Gedankenblitz und das einzige was sie noch raus brachte war: "Katharina Siegel."
Dann offenbarte sich ein bestialisches Grinsen auf dem Gesicht von Vlad Drăculeas Geliebter, bevor sie mit einem Haifischgebiss - Alucards nicht unähnlich - sich auf sie stürzte, sodass Kyra nur mit Mühe und Not ausweichen konnte. Sie war gut im Angriff, nicht in der Abwehr und konnte auch noch nicht gut mit ihren Vampirkräften umgehen. Das einzige, was ihr einfiel war nun mal Alucard zu rufen.
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A Hellsing Story
FanfictionIch habe mir endlich mal die Zeit genommen, dieses Kuddelmuddel lesbar zu gestalten. Die ersten Kapitel sind noch relativ nah an der ursprünglichen Geschichte, die späteren, die ich mit einem völlig anderen Bild des OCs geschrieben habe, sind immer...