Kapitel 6

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"Du weißt, wie du dich verhalten sollst?" Alucard hielt sie an den Schultern fest, sodass sie ihn ansehen musste.

Kyra nickte. "Wie deine dreckige, kleine Hure."

Alucard schüttelte den Kopf. "Nein, wie ein erzogenes, gehorsames Kind der Nacht. Verstanden?"

Sie zuckte mit den Schultern. Sie musste jetzt schon wieder sich den Drang verkneifen, ihn irgendwie zu provozieren, denn während des letzten Monats war ihr mehr als einmal klar geworden, dass er ihr haushoch überlegen war. In wirklich jeder Hinsicht. Also schloss sie den Mund, den sie schon zum Protest geöffnet hatte, nickte und zupfte sich den Anzug zurecht. Mann! Wie sehr sie dieses Ding nervte!

"Dreh dich um, ich binde dir die Haare zusammen."

Sie gehorchte ihm, wissend, dass es nichts bringen würde, sich wegen so einer dämlichen Sache zu weigern.

Er band ihr die Haare, die ihr mittlerweile - dank Vampirfertigkeiten - bis über den Rücken fielen, zu einem Dutt, aus dem ein paar Strähnen vorne herausfielen. "So, fertig."

Sie pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht. "Wenn du meinst, aber hier sind noch lose Haare."

"Das soll so sein. Jetzt bist du viel hübscher, mein Kind." Er strich ihr mit seiner behandschuhten Hand fast liebevoll über die Wange. Mittlerweile zuckte sie nicht mehr bei jeder Berührung zusammen, nach den ersten zwei Wochen hatten sich die Phantomschmerzen eingestellt und nach zwei weiteren waren auch die Reflexe, die sie sich über die Jahre antrainiert hatte, verschwunden. "Und jetzt bist du ein artiges Kind und bleibst an meiner Seite", schärfte er ihr noch einmal ein und nachdem sie nickte, stieß er die großen Flügeltüren auf, die in den Ballsaal führten, wo sie schon von hunderten Gästen erwartet wurden.

Gemurmel machte sich breit als die anwesenden Vampire und anderen übernatürlichen Wesen wie Hexen und Dämonen das seltsame Paar erblickten: Vorne weg der wohl am meisten gefürchtetste Vampir aller Zeiten und No-Life-King Vlad Dracula in weißem Hemd, grauen Hosen, roter Schleife und dunklem Kohlemantel, gefolgt von einer blutjungen Draculina in eng anliegender blutroter Lederkleidung, deren Ausschnitt wenig Platz für Fantasie bot.

Aber kaum spürten sie den kalten Blick des Urvampirs verstummten sie und erstarrten nahezu in ihren Bewegungen, um ja kein Geräusch zu machen und ihn bei seiner Rede zu unterbrechen.

"Meine Freunde." Er breitete die Arme einladend auf. "Es freut mir, dass ihr alle so zahlreich erschienen seid. Wie ich sehe, sind auch einige meiner Kinder dabei. Das freut mich besonders. Es ist schließlich schon so lange her, Valeriu, Bredica, Dominic."

Er wandte sich an drei Vampire in der ersten Reihe. Alle drei sahen hervorragend aus, am schönsten war die Frau, mutmaßlich Bredica, mit dunkelblauen Augen und feuerroten Haaren.

Kyra musste sich zusammenreißen, um sich nicht auszumalen, was Alucard schon alles mit ihr getan haben musste. Sie wollte es nicht unbedingt zugeben, aber sie wurde etwas eifersüchtig, was ihren Meister dazu brachte, ihr ein zweideutiges Grinsen zu schenken.

"Besonders euch dreien möchte ich eure neue Schwester vorstellen", fuhr er fort. "Kyra, komm zu mir", forderte er sie auf, seine Hand zu ergreifen, was sie auch leicht zaudernd tat. Was sollte sie schon anderes tun? Er zog sie an seine Seite und sah ihr länger in die Augen bevor er sich provozierend langsam wieder zu den beiden Draculs und der Draculina umwandte, die wenig begeistert davon waren, dass seine Aufmerksamkeit seiner neuen Tochter galt. Scheinbar war dieses Gefühl der Eifersucht bei jedem von Alucards Kindern verbreitet, das war beruhigend.

"Kyra, das sind Valeriu" - er deutete auf den gut gebauten Dracul mit glatt rasiertem, markanten Kinn und warmen braunen Augen - "diese bezaubernde Draculina ist Bredica. Und zu deinen Bedenken: Mach dir keine Gedanken, ich habe sie niemals angefasst. Sie ist Valerius Frau."

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