Kapitel 8

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Er hatte wieder einmal etwas zu viel getrunken. Aber diese Menschen waren nun mal lecker. Und wofür war ein Kloster da, wenn nicht um einem Vampir den Hunger zu stillen? Außerdem waren sie ja schuld. Was sie seiner Liebsten angetan hatten, war unverzeihlich. Es könnten noch so viele Jahrhunderte verstreichen, aber sie müssten noch lange dafür Buße tun.

Meister! Kannst du bitte mal herkommen?! Kyras drängende Stimme überraschte ihn.

Was ist denn los?, antwortete er in einem relativ gelangweilten Tonfall, den er häufig an den Tag legte, wenn er betrunken war.

Katharina Siegel lebt noch?!, kam die Gegenfrage, die alle Alarmknöpfe betätigte und dazu führte, dass er sofort nach Poenari zurückkehrte, was, dank seiner Fähigkeit durch Schatten zu wandeln, sehr kurz dauerte und er fast augenblicklich in Kyras Schlafzimmer stand.

Sein Kind war auf Abwehrhaltung gegangen, wohingegen Katharina so brutal wie immer auf sie losging. Aber sie war immer noch nur eine verfluchte Kreatur, während er Gott verflucht hatte. Somit hatte er leichtes Spiel mit ihr. Der Schlag gegen den Schädel war wohl kalkuliert und versetzte sie in einen "sanften" Zustand des Schlummerns. Bevor sie den Boden berühren konnte, fing er sie auf und strich ihr sachte die nun kaum mehr strohblonden Haare aus dem nun friedlichen Gesicht.

"Alucard?", rief Kyra mit dünner Stimme, die ziemlich untypisch für sie war.

"Hm?" Er wollte nicht den Blick von Katharina abwenden.

"Ähm, wieso ... lebt sie noch?"

Alucard zog die Augenbrauen zusammen und schaute sie finster an. "Was geht dich das an, Liebes?"

Jetzt richtete sich seine Draculina zu ihrer vollen Größe auf - und war immer noch einen Kopf kleiner als er. "Weil. Dieses. Ding. Meinte. Mich. Anzugreifen!", betonte sie jedes Wort und Ärger schwang in ihrer Stimme mit. "Also, wieso ist sie noch am Leben? Alle historischen Texte, die ich über sie kenne, sagen eindeutig aus, dass sie nach deinem Tod ins Kloster gegangen ist und dort ihr Lebensende verbracht hat!"

Er legte Katharina sachte ins Bett, worauf ein Schnauben aus Kyras Richtung zu hören war. "Du kannst heute in einem anderen Zimmer schlafen. Außerdem solltest du dich an Särge gewöhnen!", fügte er etwas missbilligend hinzu.

"Kannst du sie nicht einfach wieder im Keller einsperren?"

"Wie bitte?!", fuhr er sie wütend an und sein Gegenüber zuckte zusammen.

Sie wich aus Reflex ein paar Schritte zurück. "Sie... sie war doch auch davor im Keller, oder?" Ihre Stimme war immer noch fest, aber um einiges leiser.

"Und das weißt du woher?" Natürlich wusste er, dass sie ihn beobachtet hatte. Unbemerkt geblieben war sie nicht. Aber in diesem Stadium wäre das auch verwunderlich gewesen.

"Du ... weißt doch, dass ich dich beobachtet habe, als du in den Keller gegangen bist." Nun, immerhin war sie ehrlich. "Und wieso sollte sie dort nicht wieder hin? Sie scheint schließlich nicht bei Verstand zu sein!", fügte sein jüngstes Kind hinzu.

"Du willst nicht einmal wissen, was mit ihr ist? Du willst sie einfach nur zurück einsperren? Wirklich jetzt, Liebes?"

Sie schaute zerknirscht zu Boden. "Ich dachte, du würdest es mir sowieso nicht erzählen und dass du es mit Sicherheit als einzige Möglichkeit gesehen hast, sie einzusperren. Ich meine, ... du wurdest doch auch schon mehrmals weggeschlossen und ich kann mir nicht vorstellen, dass du jemanden, den du liebst, das gleiche durchmachen lässt, wenn es nicht nötig wäre..."

Verwirrt runzelte Alucard die Stirn. "Du weißt, dass Arthur mich eingesperrt hat? Wer hat dir das denn erzählt?"

Nun war es an ihr, die Stirn zu runzeln. "Ich ... meinte eigentlich am Osmanischen Hof und dann bei Corvinus und noch als letztes wegen diesen Experimenten von van Helsing. Von irgendetwas mit Integras Vater weiß ich nichts. ... Außer dass Arthur Integras Vater war ... und Walter eingestellt hat ... und tot ist", setzte sie mehrmals etwas an den Satz dran, den sie erst mit Verzögerung angesetzt hatte.

"Ach, das ist gut..." Er hatte nicht großes Interesse ihr zu erklären, was damals am 13.Oktober 1968 passiert war. Besonders nicht vor dieser Person. "Ich werde sie bald wieder nach unten bringen, aber davor würde ich sie noch waschen, ihre Wunden versorgen und ihr etwas neues anziehen."

Kyra nickte das ab. "Vielleicht wäre eine Zwangsjacke ganz passend", murmelte sie leise.

Den Kommentar elegant ignorierend griff er den Faden wieder auf: "Danach können die Diener das Bett neu beziehen. Aber ich würde es wirklich begrüßen, würdest du in deinem Sarg schlafen." Er deutete auf den noch frisch nach Harz riechenden Sarg, der mit braunroter Lackierung bestrichen war, auf der das Symbol des Drachenordens, das Alucard ausgesucht hatte, prangte. "Außerdem ziehst du dir bitte das Nachthemd an. Dieser Pullover ist dir viel zu groß so wie die Hosen ebenfalls, nur, dass diese noch zu kurz sind. In drei Teufels Namen, Liebes, ich dachte, es wäre dir so wichtig, niemand würde die Narben sehen?"

Als er sah, wie sie schamhaft wieder ihren Kopf senkte und auf ihre nackten Beine starrte, die von Narben überzogen waren, die nicht von seinen Bissen herrührten sondern von einer Rasierklinge, fühlte er aus irgendeine ziemliche Wut in sich aufkochen.

"Kyra, ich sage dir das jetzt ein letztes Mal: Ziehe die Kleidung an, die ich für dich ausgesucht habe, und schlafe in dem Sarg. Verstanden?", sagte er etwas lauter, was sie aber nur dazu brachte erneut zusammenzuzucken.

"Ja, Meister...", akzeptierte sie schwach, schlurfte zu der Kommode, in der die Diener ihre Kleidung untergebracht hatten, und nahm das strahlend weiße Nachthemd hervor, um sich dann ins Bad zum Umziehen zurückzuziehen.

Als sie wieder hervorkam, sah sie bezaubernd aus. Auf seinen Blick hin musste sie sogar lächeln und ihr fielen ein paar der noch nassen Haarsträhnen ins Gesicht. "Du kannst deine Geliebte dann mal waschen gehen. Falls du mich suchen solltest, bin ich im Wohnzimmer. Ich esse noch was, bevor ich schlafen gehe. Und ja: Ich versuche im Sarg zu schlafen. Auch wenn er nur so mittel ausgepolstert ist."

Ihr Lächeln befand sich immer noch auf ihrem Gesicht und wirkte schon fast ... neckisch.

"Alles in Ordnung, Liebes? Wenn du nicht aufpasst, könnte man noch denken, du würdest mir Augen machen."

Urplötzlich war ihr Lächeln wieder erloschen und sie ging hastig aus dem Zimmer. "Ich spiele doch nur...", hörte er sie noch murmeln, dann schloss sich die Tür hinter ihr und er fing an zu lachen.


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Anmerkung: Klar, über Katharina Siegel ist nicht bekannt, ob sie tatsächlich existierte oder nur eine weitere Legende rund um Vlad ist, aber in der Geschichte ist sie zumindest ersteres.
LG Integral Tepes

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