Schockierte Stille hing nach Pauls geringschätziger Bemerkung in der Luft. Trotz meines brennenden Ärgers verspürte ich Mitgefühl mit den drei Frauen, die täglich mit diesem Macho zusammenarbeiten mussten.
Dies hier war aber nicht meine Schlacht. Ich kannte Paul nicht und konnte auch die Chemie in dieser Gruppe nicht richtig einschätzen. Zudem hatte ich genug. Ich bemühte mich um ein regloses Gesicht und wendete mich mit ruhiger Stimme an Matt. „Nun, ich denke wir haben hier genug gesehen, wir sollten uns um unser Geschäft kümmern. Entschuldige, Vic, aber wir können nicht noch mehr unserer Zeit investieren." Ich setzte ein Lächeln auf. „Chiara, Béa, es hat mich gefreut, euch kennenzulernen. Danke für die Erklärungen und viel Erfolg mit der Grabung."
Danach drehte ich mich um und ging davon, ohne auf eine Antwort zu warten. Vics zerknirschten Gesichtsausdruck würde ich aber nicht so rasch vergessen. Regelmäßige Schritte hinter mir sagten mir, dass Matt meinem Beispiel folgte, ohne ein Wort zu sagen. Rechtzeitig erinnerte ich mich an das wackelige Brett und konnte verhindern, dass ich stolperte. Außerhalb des Zelts beschleunigte ich meine Schritte, bis wir mindestens fünfzig Meter entfernt waren. Erst dann hielt ich an, mit geballten Fäusten und zitternd vor unterdrücktem Ärger, der mit meinem Blut kochend durch meine Adern zirkulierte. „Was für ein beknackter Chauvinist."
Matt verzog schmerzvoll das Gesicht. Er wirkte blass und seine Pupillen waren ungewohnt groß. „Er war nicht immer so schlimm."
„Was? Du verteidigst dieses kleine Stück Schnodder noch?" Die Hitze stieg mir ins Gesicht.
Er schüttelte den Kopf und bedeutete mir, zu gehen. „Pst, lass uns hier wegkommen. Ich erkläre es dir später."
Ich schluckte meine Wut hinunter und stapfte davon, immer noch zitternd, und versuchte die lauten Stimmen zu ignorieren, die hinter uns im Zelt nun in eine hitzige Diskussion verwickelt waren. Vic und Béa schienen Paul ihre Meinung zu sagen. Ich konnte Chiara nicht hören, aber das lag vielleicht nur daran, dass die anderen sich zu laut beschwerten. Als wir endlich außer Hörweite waren, atmete ich erleichtert auf. Beim Bürocontainer knallte ich meinen Helm auf den Tisch und schlüpfte aus meiner Weste. Einen Moment lang widerstand ich der Versuchung, sie zusammenzuknüllen und auf den Boden zu werfen. Stattdessen hängte ich sie ordentlich über eine Stuhllehne. „Und was jetzt?"
Matt entledigte sich seiner Ausrüstung mit deutlich sanfteren Bewegungen als ich bevor er die Schultern zuckte. „Wir spazieren zurück zum Bus. Ich fürchte, Vicky wird zu wütend und beschäftigt sein, um sich daran zu erinnern, dass sie uns gefahren hat."
Ich blickte zurück zum Zelt, wobei ich beinahe erwartete, darüber als Resultat der verbalen Schlacht eine Wolke schwarzen Rauchs zu sehen. Es sah aber friedlich aus und nicht in Gefahr, in Flammen aufzugehen. Deshalb versuchte ich, die Distanz zu dem Hügel abzuschätzen, der das Zentrum der mittelalterlichen Stadt bildete. Zwischen zwei Wohnblöcken hindurch konnte ich die Türme des Schlosses erkennen. Die Distanz mochte etwa eine halbe Stunde zu Fuß sein. Da das Amphitheater direkt hinter dem Schloss lag, schien mir der Spaziergang gerade richtig, um mich etwas abzukühlen. „Gut, gehen wir. Das gibt dir auch genügend Zeit, mir alles über diesen Paul zu erzählen.
Matt verzog den Mund. „Hab ich doch gewusst, dass du mir damit keine Ruhe lassen wirst."
Wir gingen schweigend nebeneinander her. Etwa zwei Wohnblöcke weiter, holte Matt tief Luft und begann mit seiner Erklärung. „Wie du wohl bereits gemerkt hast, haben Paul und ich eine lange Geschichte. Er belegte einige Kurse mit Vicky an der Uni, und sie hat mich ihm an einem Fest vorgestellt."
Dankbar für meine guten Schuhe beschleunigte ich meine Schritte um mit meinem aufgebrachten Kollegen Schritt zu halten. Trotz seiner scheinbaren Ruhe schien Matt eine Menge überschüssiger Energie verbrennen zu müssen. Daraus konnte ich ihm keinen Vorwurf machen.
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Der Fluch des Raben | Wattys 2023 Shortlist
ParanormalEin Fall für die Geister-Garde - Sandrine und Matt sollen herausfinden, warum ein Geist auf der archäologischen Ausgrabung eines römischen Friedhofs sein Unwesen treibt. Als sie aber auf Vickys Grabung eintreffen, ist der Geist bereits weg - um am n...