18 - Der Fluch

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Wir erreichten Corbières eine halbe Stunde nach Mitternacht in einem Nieselregen. Ich genoss die kühlen Tröpfchen auf meiner Haut während ich die Stalltore öffnete, damit Lou seine antike Schönheit abstellen konnte. Trotz meiner Müdigkeit zirkulierte das Adrenalin in meinem System und machte mich ruhelos. Ich beschloss, nach unserem lokalen Geist zu suchen. „Ich versuche, Ritter Guillaume aufzustöbern, damit wir keine Zeit verlieren."

Lou lachte. „Der wartet vermutlich bereits in unserem Schlafzimmer auf die Neuigkeiten. Du kannst mit deinem Sprachkurs bestimmt sofort beginnen."

„Aber lieber nicht heute Nacht. Ich habe vor diesem Teil des Plans ziemlich viel Respekt. Aber vielleicht hat unser Freund Guillaume noch eine bessere Idee."

Natürlich lungerte der Ritter heute weder im Schlaf- noch im Wohnzimmer herum. Ich kontrollierte auch die Bibliothek und den Wellnessbereich, inklusive des Whirlpools. Beide waren dunkel und verlassen. Nicht das kleinste Kribbeln im Handgelenk zeigte mir die Präsenz eines Geists an. Ausgerechnet dann, wenn ich mit ihm sprechen wollte, war Ritter Guillaume nicht verfügbar.

Das Gute an der Sache war, dass so die Chance auf eine ungestörte Nachtruhe für Lou und mich bestand und die Hoffnung, morgens etwas Schlaf nachzuholen. Andererseits musste ich in diesem Fall bis am nächsten Abend warten, um die Hilfe des Ritters zu rekrutieren und hoffentlich einen Schritt weiter zu kommen.

Nach einem späten Frühstück begann ich den Tag, einen Freitag, in der Bibliothek mit dem Studium des Artikels, den mir Vic ausgedruckt hatte. Von da aus stürzte ich mich in die Nachforschungen. Als ich alles beieinander hatte, was mir nützlich schien und mehrere Blätter mit Notizen vollgekritzelt hatte, rief ich Matt an. Er setzte sich in den Wagen, um Lou und mich zum Mittagessen zu treffen.

Danach zog sich Lou zurück, um sich um die Administration des Hostels zu kümmern. Matt und ich nahmen die Bibliothek in Beschlag und hängten ein ‚Bitte nicht stören'-Schild an die Tür. Ich fasste für meinen Partner meine Ergebnisse zusammen.

„Der Zeitungsartikel, den der Rabe mir gezeigt hat, hatte recht. Auf dieser Bleitafel ist tatsächlich ein Fluch eingraviert. Die Wissenschaftler mussten das Ding auseinanderfalten, um die Inschrift sichtbar zu machen. Aber sobald sie das geschafft hatten, waren die Buchstaben recht gut zu lesen. Sie wurden offenbar von einer Person namens Marius geschrieben. Hier, in Vics Artikel gibt es ein Bild der Inschrift."

Matt beugte sich über die Schwarzweissfotografie, die durch eine saubere Zeichnung ergänzt war. Eine Falte bildete sich auf seiner Stirn. „Nicht dass ich mehr als einige wenige dieser Kringel lesen kann. Wo hast Du den Namen des Kerls gefunden?"

Ich lachte auf und deutete auf die erste Linie. „Hier, und willkommen im Club. Mir ging es gleich, als ich zuerst den Text studierte. Aber nach einer Weile und mit Hilfe der Erklärungen der Autorin fand ich mich dann zurecht. Es ist von rechts nach links geschrieben, was das Lesen zusätzlich erschwert. Und manche Buchstaben sehen in römischer Handschrift deutlich anders aus. Hier, zum Beispiel dieses Doppel-I steht für ein E.

„Huh. Ich dachte immer, die Römer hatten das gleiche Alphabet wie wir. Dass sie von rechts nach links schrieben, war mir unbekannt." Er hob das Blatt auf, um das Bild zu studieren.

„Eigentlich schrieben sie auch von links nach rechts, aber die Autorin meint, dass das Schreiben in umgekehrter Richtung wohl die Wirkkraft der Fluchformel erhöhen sollte. Das klingt nach einer seltsamen Logik, erinnert mich aber an andere, modernere magische Praktiken, die ich kenne."

„Nun, das ergibt wohl Sinn. Lass es mich nochmals versuchen. Hier ist ein M, und das hier könnte ein R sein." Er sah auf und rümpfte die Nase. „Ich glaube, ich bleibe lieber bei meinen elektronischen Spielzeugen. Dieses Entziffern von antiken Schriften ist nicht meine Stärke."

Der Fluch des Raben | Wattys 2023 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt