Unser Plan war einfacher in die Tat umzusetzen, als ich befürchtet hatte. Sobald die Sonne den westlichen Horizont berührte, kündete ein unmissverständliches Kribbeln in meinem Handgelenk einen übernatürlichen Besucher an. Ritter Guillaume gilt von oben durch die Decke in den Raum und bot uns einen wenig schmeichelhaften Blick auf seine Unterseite, inklusive der wattierten Unterhose, die er unter dem Kettenpanzer trug. Diese hätte eine Wäsche vertragen können, aber ich hütete mich, ihm das zu sagen. Ich wollte unseren potentiellen Retter auf keinen Fall verärgern. Abgesehen davon wusste ich nicht, ob sich Kleider von Geistern überhaupt reinigen ließen — und in die Waschmaschine konnte ich den Geist ja wohl nicht stecken.Der Ritter begrüßte uns mit der üblichen eleganten Verbeugung, aber nahm sich heute nicht die Zeit für Komplimente. „Dame Sandrine, darf ich mich nach dem Ergebnis ihrer Begegnung mit dem römischen Geist erkundigen?"
„Nun, wir haben sie getroffen, und es ist tatsächlich eine gut-aussehende junge Dame." Ich musste ein Lachen unterdrücken, als seine Augen aufleuchteten. Guillaume war ein unverbesserlicher Frauenheld. „Unglücklicherweise war sie nicht sehr gesprächig. Obwohl Louis darauf hingewiesen hat, das dies daran liegen könnte, dass sie nur Latein spricht. Leider ist niemand von uns dieser Sprache mächtig."
„Latein?" Der Ritter warf sich in die Brust und breitete theatralisch die Arme aus. „Eine außerordentlich faszinierende Sprache, wenn ich das so sagen darf. Alea iacta est und in vino veritas."
Während sogar ich diese recht banalen Phrasen verstand, bezweifelte ich, dass sie uns irgendwie weiterbringen konnten. „Ja, gut, ich bin sicher, dass der Würfel gerollt is und dass im Wein Wahrheit zu finden ist. Aber wir werden mehr als ein paar flotte Sprüche brauchen, um herauszufinden, warum die junge Cinna, wenn das ihr Name ist, zweitausend Jahre nach ihrem Tod immer noch im Depot des Museums von Avenches herumspukt."
Guillaumes Augen glühten auf und ich wusste, dass ich nun seine Aufmerksamkeit besaß. „Ich soll übersetzen? Es wäre mir selbstverständlich eine Ehre. Aber was ist, wenn ich mich auflöse, sobald ich das Schloss verlasse?" Er verschränkte die Arme und ließ sich mit trotzig zusammengepressten Lippen in einen Sessel fallen, eine tiefe Falte auf seiner Stirn.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie aufhören, zu existieren, nur weil Sie mit einem römischen Geist sprechen." Ich versuchte, an seine Vernunft zu appellieren. „Solange Sie in der Nähe des Objekts bleiben, an das ihre Existenz gebunden ist, und nicht jenes Geschäft erledigen, das seit ihrem Ableben noch unvollendet ist, sollte ihre geistige Wenigkeit sicher sein. Das Problem ist, dass wir zuerst herausfinden müssen, welcher Gegenstand überhaupt ihr Anker in der Welt der Lebenden ist und Sie diesen Ort bindet."
„Und was ist, wenn ich ans Schloss selbst gebunden bin? Sie können nicht die ganzen Mauern bewegen."
„Ich bezweifle, dass es das ganze Schloss ist. Aber Sie sollten ja am besten wissen, um was es sich handelt. Wir könnten problemlos einen Ziegelstein oder sogar einen Mauerquader mitnehmen, wenn er nicht tragend in einer Mauer verbaut ist. Allerdings darf er nicht zu schwer sein, sonst müssen wir zuerst einen Transport organisieren. Ich hoffte wirklich, dass es nicht gerade der Türsturz des Haupteingangs ist."
Der Geist grinste während seine Augen orange aufglühten. Aber der Funken erlosch rasch wieder und er senkte den Kopf, wieder ernst geworden, um etwas kaum verständliches in seinen Bart zu murmeln. „Es ist peinlich."
Lou trat näher und fixierte den Ritter mit seinem Blick. „was ist peinlich? Wollen Sie der weißen Dame nun helfen oder nicht? Im Moment ist es mir piepegal, ob sie an einen historischen Nachtopf gebunden sind, so lange er nicht zu schwer ist, ihn zu transportieren."
Guillaumes Kopf schnappte hoch und seine normalerweise blassen Wangen röteten sich. „Wie haben sie das herausgefunden?"
„Was?" Lou runzelte verwirrt die Stirn, während Matt in lautes Gelächter ausbrach.
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Der Fluch des Raben | Wattys 2023 Shortlist
ParanormalEin Fall für die Geister-Garde - Sandrine und Matt sollen herausfinden, warum ein Geist auf der archäologischen Ausgrabung eines römischen Friedhofs sein Unwesen treibt. Als sie aber auf Vickys Grabung eintreffen, ist der Geist bereits weg - um am n...