2.03: "Monster"

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Der Panther von Virginia rast über die Interstate 95, während Tessa und Joyce still auf dem Rücksitz des Wagens hocken und kein Wort sagen.
"Ich werde nie verstehen wie die Menschen in diesen Dingern rumfahren können. Diese Kutschen sind so langsam.", keucht Virginia am Steuer und drückt mit ihrer rechten Hand auf den verschiedensten Knöpfen rum, in der Hoffnung das Radio anzubekommen.
"Mutter, was tust du da?", keucht Joyce und stützt ihren Kopf an der Tür des brummenden Autos ab, während Tessa wie abwesend aus dem Fenster starrt, hinein in die weite Natur von Maine.
"Ich will die Zauberkiste anbekommen. Ich habe das bei dem Kutschenmeister in dem Stall gestern gesehen.", antwortet sie und gibt allmählich auf. Joyce runzelt ihre Stirn und ist mit dem Nerven am Ende.
"Meint sie die Werkstatt?", fragt Tessa verwundert. Joyce ignoriert die Parker und drückt auf dem ausgeschalteten Display ihres Handys herum.

"Mutter, ich habe keinen Akku mehr. Wieso teleportieren wir uns nicht einfach zu deinem 'alten Freund'?"
Virginia schaut in den Rückspiegel und streckt ihre Hand aus,
"Gib mir das Ding."
Joyce überreicht ihrer Mutter das Handy, woraufhin sie das Fenster hinunterfährt und es mit voller Wucht aus dem Auto schmeißt.
"MUTTER!", brüllt Joyce entsetzt, woraufhin Tessa zu lachen beginnt.
"Was passiert wenn wir Magie zum Reisen benutzen und jemanden wie Tessa dabei haben?", fragt sie ihre Tochter rhetorisch. Joyce atmet stark aus und schließt die Augen,
"Jemand könnte einen Lokalisierungszauber auf uns anwenden."
Virginia lächelt breit und schafft es durch Zufall das Radio anzubekommen.
"Kluges Mädchen."

Laut schallt das Lied 'Hells Bells' durch das Auto und Joyce kann ihre eigenen Worte nicht einmal verstehen.
"MUTTER! SCHALT ES AUS!", ruft sie laut und hält sich die Ohren zu, während Tessa amüsiert dem Spektakel beiwohnt.
"Ich liebe den Fortschritt.", lächelt die Mutter der Montgomery und der Wind aus der offenen Scheibe pustet ihr frisch in's Gesicht.

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An den Docks geht die Sonne am Horizont langsam unter, als Nici alleine und ohne Worte auf die Fischerboote starrt, welche raus auf das weite und kalte Meer vor der Küste von Maine fahren. Die braunen Haare der jungen Hexe wehen im Wind und sie putzt sich vorsichtig ihre Brille sauber. Die Laternen der Stadt gehen langsam an, während am Horizont sich nichts weiter als eine weite Front aus orangener Farbe erstreckt und vom hellen Leuchten des Coast Lighthouse unterstützt wird, welches sich - wie schon all die Jahre - von der Stadt abhebt.

In ihrer Hand hält sie das geschlossene Buch von Tessas Vater, welches sie seit der schicksalhaften Nacht der Vereinigung hütet. Sogar Michael weiß nichts davon, dass es im Besitz der Hexe ist. Traurig schaut sie auf das Erbstück der Parker und vermisst ihre Freundin, welche sie durch eine so unfassbar frustrierende Art und Weise verloren hat, ohne eine Möglichkeit auf das Finden von Frieden, oder gar einer würdigen Möglichkeit sich zu verabschieden.

Zwei paar Sneaker stapfen hinter ihr den Steg entlang und nähern sich ihr ruhig. Nici dreht sich um und erblickt das Gesicht von Derrick.
"Hey.", begrüßt sie ihn und er stellt sich zu ihr hinzu und schaut nun ebenfalls auf das Meer, welches immer mehr das wunderschöne Licht der Sonne reflektiert.
"Hi. Es gibt Neuigkeiten.", begrüßt er sie und lehnt sich mit beiden Armen auf das hölzerne Geländer, als auch das letzte Boot den Hafen verlässt. Nici steckt das Buch weg und atmet stark aus,
"Ich bin müde. Geht das auch morgen?", fragt sie ihn vorsichtig, ohne versuchen unhöflich zu klingen, doch er besteht drauf.
"Nicole, Michael und Jakob haben einen Hinweis gefunden.", offenbart er ihr. Die Körperhaltung des Mädchens spannt sich an und sofort ist sie hellwach. Sie richtet sich auf und schaut Derrick mit hochgezogenen Augenbrauen an.

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Unzählige Meilen außerhalb von Nighthowl Bay, hält der Panther der Montgomerys an der Grenze einer anderen Stadt. Der Motor schaltet sich aus und die Mutter steigt aus.
"Heute Nacht bleiben wir hier. Ich überprüfe derweil die Grenze. Es war noch nie einfach hier rein zu kommen.", erklärt sie und schließt die metallische Tür des Oldtimers, während Tessa und Joyce still im Auto verweilen.

Über den hohen Bäumen von Maines Vegetation erstreckt sich nun auch das harmonische Orange welches Nici derweil am anderen Ende des Staates erblickt. Tessa richtet ihre Augen aus den geputzten Scheiben des Wagens und fährt mit diesen den waagerechten Streifen am Himmel entlang. Joyce bemerkt das Lächeln der Parker und lehnt sich unwohl zurück. Sie vergräbt sich in ihrem dunkelroten Mantel, und versucht die Tatsache zu ignorieren, dass sie seit Tagen Zeit mit ihrer schlimmsten Feindin verbringen muss.

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"Sie haben herausgefunden, dass die Vereinigung nicht geklappt hat. Die Tore zwischen den Welten sind immernoch offen und die Lage ist kritisch.", erklärt er Nici, welche eine Gänsehaut über ihrem ganzen Körper bekommt.
"Es...hat nicht geklappt?", fragt sie und ist den Tränen nahe. Sie packt kräftig an das Geländer und ihre Hände zittern bereits, da sie so feste drückt. Der Frust wird immer größer.
"Sie ist umsonst gestorben."
Derrick fasst ihr an den Arm und schüttelt den Kopf,
"Nein, Nici. Sie ist noch da draußen. Tessa lebt."
Aus dem Gesicht der Trauer, pressen sich ihre Augenlider zusammen und sie lächelt breit, als die Tränen doch noch ihre Augen verlassen.
"Tessa?", fragt sie und schaut auf den orangenen Horizont.

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Die Augen der Parker betrachten voller Staunen diese pure Perfektion am Himmel der Welt und sie fragt sich wie nur eine so große Dunkelheit in den Herzen der Menschen entstehen kann, im Anbetracht der Existenz einer so harmonischen Erde. Ihre Augen werden immer müder und müder...

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"Jakob denkt, dass Joyce sie in ihrer Gewalt hat. Etwas großes kommt auf uns zu, größer als alles was diese Welt je gesehen hat."
Nici presst ihre Augenbrauen zusammen und ihr fahren all die schlimmen Gedanken durch den Kopf, wenn sie an den Abend denkt, an dem Joyce Thornhill angegriffen hat und mehrere ihrer Mitschüler tötete.
"Was könnte sie Tessa nur antun? Geht es ihr gut?", fragt sie sich selbst und wird unruhiger.
"Michael ist entschlossen sie zu finden. Aber niemand weiß was wir dann mit Joyce machen. Sie hat so viel Leid verursacht.", fährt Derrick fort. Nici atmet stark ein und nickt,
"Was wohl? Sie ist ein Monster..."

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Tessa liegt auf dem harten Sitz des Wagens, mit geschlossenen Augen und im tiefen Schlaf, als die Kälte des Windes durch das undichte Auto in dieses eindringt und die zierliche Parker zum zittern bringt. Ihre Hände wickeln sich um ihre Schultern und sie beginnt leicht zu wimmern.
Joyce öffnet ihre Augen und schaut still zu der Parker herüber.

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"Es gibt nichts menschliches mehr in Joyce. Nichts gutes...keine Güte...", keucht Nici und schaut Derrick vollen ernstes an,
"Da ist nur noch dieses Monster in ihr, welches aufgehalten werden muss."

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Joyce greift nach einer kleinen Decke, welche auf dem Beifahrersitz liegt und zieht sie nach hinten in den Wagen. Vorsichtig und ohne einen Ton von sich zu geben breitet sie sie aus und legt sie vorsichtig über Tessa und senkt sie langsam ab. Das Zittern der Parker verschwindet langsam.

Joyce lehnt sich zurück und schaut auf die Straße, auf der ihre Mutter langsam auf und ab geht und vorsichtig ein hölzernes Ortsschild betrachtet. Der Eingang zu der Stadt Rosewood...

VENGEANCE - Hölle auf ErdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt