24. Kapitel

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Eigentlich hätte ich triumphieren müssen, eigentlich hätte ich stolz sein müssen, dass mein Plan so gut aufgegangen war. Doch ich fühlte nichts dergleichen. Nicht, als der Weihnachtsball um Mitternacht endete, nur wenige Minuten nach dem Kuss; nicht, als ich mich am nächsten Morgen zum Frühstück an den Gryffindortisch setzte und schon gar nicht, als ich Cedrics anschuldigenden Blick auf mir spürte. Was hatte mich nur geritten, mit Pucey zum Ball zu gehen?

Die Gerüchteküche von Hogwarts kochte wieder einmal über. Niemandem war der Kuss von Pucey und mit entgangen, und auch Cedrics Reaktion nicht. Das einzig Gute war, dass nicht nur mein Liebesleben lang und breit diskutiert wurde, sondern auch das von Hermine. Allerdings war sie nicht geeignet, um uns gegenseitig zu bemitleiden, denn sie war vollkommen glücklich mit Viktor Krum und überhörte die Kommentare der anderen Schüler einfach.

Zurück im Gemeinschaftsraum der Gryffindors, ging ich sofort hoch in meinen Schlafsaal, um meinen Winterumhang zu holen. Ich hatte keine Lust, mit Fragen zu gestern Abend bombardiert zu werden. Nur Minuten später fand ich mich auf dem Pfad, der um den See führte, wieder und begann zu rennen. Ich rannte, rannte so schnell ich konnte, rannte, bis das Prickeln in meinen Beinen einsetzte, das meine Feykräfte ankündigte, und rannte noch schneller. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen, als ich den See einmal umrundet hatte und zu einer zweiten Runde ansetzte. Mein Herz wurde mit jedem Schritt leichter. Irgendwann verlangsamte ich mein Tempo und joggte gemütlich um den See; wobei 'gemütlich' noch immer recht schnell war, da immer noch die Feykräfte in meinen Beinen kribbelten.

«He, Adrienne! Warte!», hörte ich eine Stimme hinter mir und Jared kam zwischen den Felsen und Bäumen am Uferweg in Sicht.

Ich verlangsamte meine Schritte etwas, hielt aber nicht an, zu sehr freute ich mich, ihn keuchen zu sehen wie die Lokomotive des Hogwarts-Expresses. Schliesslich holte er mich ein und versuchte mit meinem Tempo Schritt zu halten. Es gelang ihm nur mühsam, stellte ich amüsiert fest.

«Können wir anhalten?», japste Jared fünfzehn Minuten später, als wir gerade den Ausfluss des Sees erreicht hatten.

«Noch bis zum Waldrand», beschied ich Jared und rannte weiter. Hier am Ende des Sees gab es nicht ausser dem schäumenden Bach, durch den das Wasser abfloss, und einigen grossen Felsen. Und natürlich dem bräunlichen Gras, das sich meilenweit über die Highlands erstreckte.

Am Waldrand sorgten die Bäume für Windschatten und es gab eine gemütliche Bank, auf der man die Sonne geniessen konnte. Immer vorausgesetzt, die Sonne schien; nicht so wie heute. Neben der Bank stoppte ich und musste mich sofort hinsetzen. Die ganze Welt drehte sich und schwarze Punkte hüpften durch mein Sichtfeld. Ich war nicht ausser Atem, hatte Seitenstechen oder einen Krampf in den Waden, nichts davon, aber ich war vollkommen entkräftet und fühlte mich nicht in der Lage, jemals wieder aufzustehen. Der Einsatz meiner Feykräfte hatte einen höheren Tribut gefordert, als ich gedacht hätte. Aber zehn, na gut, neuneinhalb Runden um den Schwarzen See waren auch ein ganzes Stück. Bei Gelegenheit sollte ich einmal nachschlagen, wie lange die Strecke um den See war.

Schliesslich kam auch Jared bei der Bank an und liess sich keuchend darauf fallen.

«Wie machst du das? Wie kannst du so schnell sein?», fragte Jared, nachdem er wieder zu Atem gekommen war.

«Feyblut. Bei dir doch auch», erklärte ich kurz, zu müde, um viel zu sagen.

Jared schüttelte den Kopf. «Nein, bei mir nicht. Du vergisst, dass ich nur zur Hälfte Fey bin.»

«Und ich gar nicht», warf ich ein.

Nachdenklich sah Jared mich an. «Stimmt. Das hat mich schon irritiert, als du im Sommer im Amphitheater gegen Carlion gekämpft hast. Eigentlich dürftest du das gar nicht können.»

Unfriedliche Zeiten - Adrienne Seanorth 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt