22. Kapitel

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Dass ich das Rätsel um das goldene Ei nun gelöst hatte, hatte einen entscheidenden Nachteil: Ich konnte den Weihnachtsball nun nicht mehr hintan stellen. Und da besagtes Unheil nun immer näher kam, musste ich mir auch die ganze Zeit das Geschwätz über verschiedene Festumhänge, Schuhe und Frisuren anhören. Aber das schlimmste war, das Pucey mich zwang, zu mindestens drei Tanzstunden zu gehen. Er wolle sich schliesslich nicht mit mir blamieren. Ha! Das sagte gerade der Richtige! Mehr blamieren, als mit Pucey zum Ball aufzukreuzen, konnte man sich überhaupt nicht.

Und nun stand ich doch in dem ungenutzten Klassenzimmer, das für den Tanzunterricht ausgesucht worden war und musste mit Puceys Hand an meiner Hüfte klarkommen, während meine auf seiner Schulter lag. Die andere Hand hatten wir mit der des anderen verschränkt und streckten diese zur Seite aus.

«Und: eins, zwei, drei, eins, zwei, drei, eins, zwei, drei, ...», gab Professor Flitwick den Takt für die Tanzschritte des Walzers vor.

Ich versuchte die Schritte nachzuahmen, die Professor Flitwick uns kurz zuvor gezeigt hatte, war aber viel zu langsam für das flotte Eins-zwei-drei-eins-zwei-drei des Professors.

«Du musst die Schritte so setzten, Adrienne», sagte Pucey und machte es vor. «Das heisst natürlich spiegelverkehrt. Na los, so schwer ist das nicht. Eins, zwei, drei, eins, zwei drei.»

Am liebsten hätte ich Pucey angeknurrt, während er mir diktierte, was ich zu tun hatte. Nur der Wunsch, mich nicht komplett vor der ganzen Schule, den Schülern aus Beauxbaton und Durmstrang sowie möglichen gelandenen Gästen zu blamieren, sorgte dafür, dass ich ihm nicht den Kopf abriss.

«Nein, nicht zweimal den gleichen Fuss!», sagte er ungeduldig, als ich wiederholt mit dem falschen Fuss begann. «Immer linker Fuss, rechter Fuss, linker Fuss, rechter Fuss, ...»

Wieder übten wir den Schritt, immer und immer wieder, natürlich ganz ausserhalb des Takts, der für mich viel zu schnell war.

«Und jetzt sieh mich an, Adrienne», sagte Pucey.

Genervt hob ich meinen Blick von unseren Füssen. Wo war nun schon wieder das Problem? «Was?!», fauchte ich ihn an.

Pucey erstarrte mitten in der Bewegung und sah mich mit schreckgeweiteten Augen an. Er zitterte sogar etwas, während er mich anstarrte wie ein Maus Auge in Auge mit der Katze, die sie gleich fressen würde. Da mittlerweile so vertraute Prickeln auf der Haut verriet mir, was da gerade geschehen war: Ich hatte Pucey eine geballte Ladung der einschüchternden Aura der Fey entgegengeschleudert. Ich wandte den Blick ab und ein paar Augenblicke später hörte ich, wie Pucey zitternd tief ein und ausatmete.

«Das war heftig», murmelte er, liess mich los und brachte etwas Abstand zwischen uns.

«War keine Absicht», murmelte ich.

Pucey nickte und beobachtete mich nachdenklich, bevor er schliesslich galant die linke Hand ausstreckte. Seufzend legte ich meine rechte hinein und ging wieder einen Schritt auf ihn zu bis wir in der Grundstellung waren.

«Was ich eigentlich sagen wollte», meinte Pucey, «du sollst mich anschauen beim Tanzen oder nach vorn sehen, aber nicht auf deine Füsse. Du musst die Schritte machen ohne hinabzuschauen. Keine Sorge, in der Regeln sind die Tanzböden eben und ohne Hindernisse.»

Genervt schnaubte ich, ergab mich dann aber in mein Schicksal.

Wenn ich sagen würde, dass es von diesem Moment an einwandfrei klappte, dann wäre das eine Lüge. Wenn ich sagte, dass es von diesem Moment an besser wurde, dann auch. Wenn wir überhaupt Fortschritte machten, dann waren sie so minimal, dass man sie nur mit einer Lupe sehen konnte. Meine Ungeduld war da nicht gerade hilfreich und dass Pucey irgendwoher die Geduld nahm, mir auch noch beim zehntausendsten Fehltritt eine Chance zu geben, störte mich noch mehr.

Unfriedliche Zeiten - Adrienne Seanorth 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt