33. Kapitel

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Die folgenden Tage vergingen in einer Art Nebel. Madam Pomfrey bestand darauf, mich im Krankenflügel zu behalten – sie hielt mich für emotional labil und sorgte sich, was ich wohl anstellen würde, wenn ich nicht andauernd unter Aufsicht stand. Mit ersterem hatte sie vermutlich sogar recht, was das Zweite anging: Ich hatte beschlossen, mich ganz und gar auf die ZAG-Prüfung in Arithmantik zu konzentrieren. Es war das einzig sinnvolle, womit ich mich ablenken konnte, da der Unterricht der Sechstklässler nach den Prüfungen recht gemütlich wurde. Dass Madam Pomfrey darauf bestand, dass ich zumindest über Nacht im Krankenflügel blieb, war mir ganz recht. In der ersten Nacht nach der letzten Aufgabe war ich schreiend aus einem Albtraum aufgewacht – und auch in jeder folgenden Nacht. Ich träumte von Cedric: wie er gefoltert wurde, wie er getötet wurde. Immer musste ich zuschauen, konnte aber nichts dagegen tun, konnte mich nicht einmal bewegen. Und wenn ich mich doch bewegen konnte, kam ich immer zu spät. Aber am schlimmsten waren die Träume, in denen Cedric zusammen mit Harry am Ende der dritten Aufgabe auftauchte und ich ihn immer wieder verzweifelt schreiend aufzuwecken versuchte. Mein Vater hatte versucht, Madam Pomfrey zu überreden, mir einen Trank für einen traumlosen Schlaf zu verabreichen – ich hatte nicht einmal gewusst, dass es so etwas gab. Ein paar Nächte lang hatte ich Ruhe gehabt. Dann hatte Dumbledore davon erfahren und darauf bestanden, dass ich den Trank wieder absetzte. Ich würde diese Ereignisse nicht verarbeiten können, wenn ich die Träume unterdrückte, hatte er gesagt und ich hatte ihn dafür gehasst. Sollte er sich doch jede Nacht diesen Albträumen stellen! Er würde bestimmt auch einen Trank für einen traumlosen Schlaf bekommen wollen. Schliesslich war Madam Pomfrey dazu übergegangen, mir alle paar Tage einen Trank zu geben, damit ich wenigstens zwischendurch einmal eine Nacht durchschlafen konnte.

Den Tag durch im Unterricht und beim Essen in der Grossen Halle spürte ich pausenlos die mitleidigen Blicke der anderen auf mir. Einige wollten mir ihr Mitleid aussprechen, doch Jessie und Kaspar, die mich auf Schritt und Tritt begleiteten, hielten sie meistens auf Abstand. Ich war froh darum, denn ich konnte ihre Blicke und Worte nicht ertragen; es war einfach zu viel. Ein paar Tage nach der letzten Aufgabe war Gianna, eine Siebtklässlerin aus Hufflepuff zu mir gekommen und hatte mir angeboten, mich zu den Hufflepuffs zu setzen, doch ich hatte höflich abgelehnt. Noch mehr Trauer würde ich einfach nicht aushalten. So sass ich weiterhin am Gryffindortisch, umgeben von meinen Freunden Jessie und Kasper, den Zwillingen und den anderen Gryffindor-Sechstklässlern, sowie Fleur und Jared mit Leo und Rina. Irgendwann setzte sich zu meiner Überraschung sogar Farley zu uns, aber es machte mir nichts aus. Sie mieden alle Themen, die mit Cedric oder dem Trimagischen Turnier zu tun hatten; warteten darauf, dass ich selbst darauf zu sprechen kam. Aber vorerst tat ich das nicht.

Nach der nächsten Zaubertrankstunde, behielt mich mein Vater noch kurz da. Er sah müde aus und besorgt und wollte nicht über den Auftrag sprechen, den Dumbledore ihm übertragen hatte.

«Ich habe herausgefunden, wer deinen Namen in den Feuerkelch geworfen hat», berichtete Sev.

Mit grossen Augen sah ich ihn an.

«Karkaroff hat eine Notiz dagelassen, bevor er geflohen ist», sagte Sev. «Er war es. Er wollte sich an Kathleen rächen. Offenbar gehörte seine Familie zu den Anhängern Grindelwalds und er macht Kathleen für Grindelwalds Sturz verantwortlich – durch den seine Familie alles verloren hat. Da Hogwarts bereits zwei Champions hatte, beschloss er, dich für Durmstrang einzuwerfen. Dass du gezogen wurdest, war allerdings Zufall.»

Ich nickte. Es ergab Sinn, dass Karkaroff sich rächen wollte, aber mittlerweile war es mir egal, wie ich ins Turnier geraten war. Es gab andere Dinge, um die ich mich sorgte.

Die ZAG-Prüfung kam und ich hatte ein ganz gutes Gefühl, als ich die Grosse Halle nach der Prüfung verliess. Das erste Mal seit Tagen, legte sich ein stolzes Lächeln auf meine Lippen – und dass ausgerechnet wegen einer Prüfung. Meine Wangen fühlten sich wie eingerostet an, als hätten sie vergessen, wie Lächeln funktionierte, aber es tat gut. Es schien, als würde mit dem Lächeln ein kleines bisschen von dem schweren Gewicht von meinem Herzen gehoben.

Unfriedliche Zeiten - Adrienne Seanorth 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt