6. Notaufnahme

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Ich erwache durch das Piepen meines Weckers, der mich aus einem der schönsten Träume der vergangenen Jahre reißt. Verdammte Scheiße! Frustriert möchte ich das Ding zertreten aber halte noch in der Bewegung inne, verwundert über das feuchte Gefühl in meiner Hose.

Das ist doch, nicht wahr?! Ich hatte einen feuchten Traum wie ein Teenager? Schnell wusle ich mich aus der Decke, um der Sache auf den Grund zu gehen. Tatsächlich! Der Wecker piept noch immer und holt mich aus meiner Starre. Kopfschüttelnd wackel ich ins Bad, heute gibts zur Abwechslung kaltes Wasser in der Dusche.

Was ist nur passiert heute Nacht? Ich meine, ich weiß natürlich, was passiert ist. Ich hab von Alex geträumt und Sex. Es war damals schön, das war es auch in meinem Traum und wenn ich könnte, würde ich jetzt genau dahin zurückgehen. Zurück in meinen Traum in diese Blase, in der die Welt noch in Ordnung war. Zurück ins Bett, vergraben unter der Decke und mich nur für einen kurzen Augenblick, der Illusion hingeben, es könnte die Wirklichkeit sein. Für ein paar Stunden in der Traumwelt leben. Weg aus diesem Leben, das keines mehr ist. Weg aus meiner eigenen Hölle.

Seit ich in Frankfurt bin, lässt mich die Vergangenheit nicht in Ruhe. Man kann einfach nicht davor weglaufen. Es nur selten so schöne Erinnerungen. Meistens kreisen meine Gedanken um weniger schöne Dinge. Warum brechen jetzt die positiven Erinnerungen herein und zerstören noch das letzte bisschen, dass von mir übrig ist?

Während ich mich anziehe, höre ich das Poltern aus der Küche und bin verwirrt. Ist Jonas noch hier? Barfuß tapse ich neugierig aus meinem Zimmer, höre, wie Jonas leise mit Rüdiger spricht.

 „Du musst warten, bis Daniel kommt. Ich kann mich nicht bücken mein Kleiner. Er ist bestimmt gleich da. Ja, ich weiß du hast die Dusche gehört und wolltest schon wieder spannen gehen, aber das Leben ist kein Wunschkonzert."

Meine miese Laune verfliegt und ich muss schmunzeln über seine Wortwahl. Als ob Rüdiger ein anderes Interesse hätte als Futter und natürlich Wasser.

„Denkst du wirklich, er ist an mir interessiert?", frage ich gespielt eitel und drehe mich dabei einmal um mich selbst.

Jonas rutscht ein leises Kichern heraus, aber schnell verzerrt sich sein Gesicht schmerzhaft.

Auf seiner Stirn prangt eine riesige Beule und nach wie vor, der dicke rote Striemen. Schnell mache ich ein paar Schritte auf ihn zu.

„Lieber Himmel, das sieht böse aus!", stelle ich erschrocken fest und kann mich gerade noch zurück halten die Beule mit meinen Fingern zu berühren. „Du solltest dir das von einem Arzt anschauen lassen."

Jonas senkt beschämt den Kopf und hält sich einen feuchten Waschlappen dagegen.

„Was ist denn gestern passiert?", frage ich besorgt.

„Ich bin ausgerutscht und habe mir den Kopf am Waschbecken gestoßen.", antwortet er mir zerknirscht. „Kannst du bitte Rüdiger aus dem Käfig lassen und ihm Futter geben? Er ist ganz nervös, seit er die Dusche gehört hat, aber ich kann mich nicht bücken, sonst platzt mir der Schädel.", bittet Jonas gequält und macht mir Platz.

„Natürlich setzt du dich hin. Kann ich dir etwas Gutes tun? Vielleicht einen Tee oder so?", frage ich ihn und kümmere mich um die Schildkröte.

„Nein, danke ich brauch nur noch eine Schmerztablette. Ich muss wach bleiben, bis bei mir jemand in der Arbeit ist, damit ich mich krank melden kann.", erklärt er mir.

Die Antwort lässt mich stutzen. „Wann fängst du denn an zu arbeiten?"

„Um neun.", ist die knappe Antwort.

Das verblüfft mich noch mehr! Ungläubig sehe ich ihn an, aber Jonas hat den Waschlappen über den Augen.

„Warum zu Kuckuck bist du dann immer schon vor mir aus dem Haus? Was machst du denn so lange? Von hier bis zum Büro brauchst du doch keine drei Stunden?", rutscht es mir vorwurfsvoll raus.

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