Der Montag kommt und mit ihm eine anstrengende Arbeitswoche. Auf meinem Schreibtisch stapelt sich die Arbeit und mein Postfach quillt über. Dadurch dass es kein geplanter Urlaub war, habe ich nicht vorgearbeitet und jetzt holt es mich ein. Ich brauche bis Mittwoch, um wieder einigermaßen auf dem aktuellen Stand zu sein.
Jonas und ich sehen uns nur sporadisch, bei seinen alten Leuten scheint einiges im Argen zu liegen, aber so wirklich redet er nicht darüber und ich möchte ihn nicht drängen. Wie versprochen fahre ich am Freitag nach der Arbeit nach München, um meine Eltern zu besuchen.
Meine Mutter wartet schon mit Kuchen auf mich, als ich am späten Nachmittag eintreffe. Es duftet herrlich nach Vanille und Schokolade. Der Tisch ist für drei Personen gedeckt, aber das Auto von meinem Vater steht noch nicht vor der Tür. Als sie mich sieht, zerquetscht sie meine Rippen und redet ohne Filter los:
„Du siehst besser aus als beim letzten Mal, wann war das doch gleich? Vor zwei Monaten?" Ich höre natürlich den unterschwelligen Vorwurf und murmle ein „Tut mir leid."
„Ja, das sollte es auch, ist ja nicht so, als ob Frankfurt eine Weltreise wäre. Dein Vater ist auch schon ganz unruhig und bringt mich damit auf die Palme."
Letzteres bezweifle ich sehr stark, aber unterbreche sie nicht. Aus Erfahrung weiß ich das kann schlimme Folgen haben. Also höre ich mir einen Schwall Vorwürfe an, vermischt mit Liebkosungen, was das Ganze noch schräger macht.
Ich meine, wenn dir deine Mutter sagt, dass du, im übertragenen Sinne, der fürchterlichste Sohn bist, weil du dich so lange nicht meldest, aber im selben Atemzug deine Wange streichelt und dich liebevoll ansieht, ist das schon merkwürdig. Aber so ist sie halt, ich weiß ja, wie ich sie nehmen muss. Als sie nach einer gefühlten Ewigkeit fertig ist, versuche ich einen Anlauf.
„Mama, kann ich...nein können wir, reden."
„Was liegt dir denn auf dem Herzen mein Schatz?"
Warum ist das denn plötzlich so schwer?
„Ähm, dass es mir die letzten Jahre nicht so gut ging, weißt du und warum auch. Mama, ich hab es einfach nicht geschafft mich allein aus diesem Loch zu ziehen. Ich weiß auch nicht ob ich schon wirklich aus dem Loch draußen bin, aber jedenfalls möchte ich, dass du weißt, mir geht es wieder etwas besser. Also ich hab wieder Lust darauf, etwas zu verändern, ja, das ist es, was ich sagen möchte."
Heiliger Strohsack was labere ich denn da für einen Scheiß?
„Ich sag doch, du siehst besser aus. Und was hat die Veränderung ausgelöst?", fragt sie neugierig.
„Mein Mitbewohner."
„Ah!", meint sie mit einem vielsagenden Ausdruck im Gesicht.
„Nein, nicht so, wie du meinst. Wir haben zu reden begonnen, also mehr als sonst und ich hab ihm alles erzählt. Mir ist dabei klar geworden, wie sehr ich mich habe hängen lassen. Was ich doch für ein Versager bin und..."
„Du warst nie ein Versager mein Junge.", höre ich die tiefe Stimme meines Vaters.
Erschrocken sehe ich zur Küchentür, in der er steht. Er ist einfach eine Erscheinung! Ebenfalls zwei Meter groß und ein Hüne. Die Größe hab ich eindeutig von ihm, aber nicht die Muskeln. Wie lange steht er schon dort? Er kommt auf mich zu und reißt mich vom Stuhl in seine Arme.
„Hörst du, du warst nie ein Versager! Du bist ein großartiger Junge.", wiederholt er sich und drückt mich noch fester an sich.
Wie gut sich das anfühlt, in diesen starken Armen zu liegen und sich noch einmal wie ein kleiner Junge zu fühlen. Meine Emotionen machen sich selbstständig, zu viel dreht sich in mir und ich schluchze an seine Brust.
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Queer-Seite
RomanceDrei Jahre nach der Trennung von Alex schafft Daniel es nicht loszulassen. Langsam öffnet er sich seinem Mitbewohner Jonas, erzählt von Alex Wandlung. Jonas hört zu, hält ihm den Spiegel vor und begleitet ihn zurück in das Leben und die Liebe.