5. Kapitel

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(TW! Selbstverletzung)

Venti war vor einigen Minuten losgegangen, während ich den anderen aus unserer Band half, alles für die Probe vorzubereiten. Anschließend verließ ich den Raum, da ich auf die Toilette musste. Als ich am Gang stand, spielte ich kurz mit dem Gedanken zum Direktorat zu gehen und nach Venti zu sehen, aber ich entschied mich dazu, erstmal zu meinem eigentlichen Ziel zu gehen. Doch als ich die Toilette erreichte und die Tür öffnete, blickte ich direkt in das Gesicht von Chongyun, der wohl gerade heraus gehen wollte. Die Überraschung war ihm ins Gesicht geschrieben, doch er fasste sich schnell wieder und wollte grinsend etwas sagen. Die Gelegenheit dazu ließ ich ihm allerdings nicht, denn ehe er auch nur einen Ton von sich geben konnte, hatte ich ihm die Tür wieder vor der Nase zugeschlagen. Mit einer schwungvollen Drehung eilte ich in die entgegengesetzte Richtung davon und beschloss zu der Toilette im nächst höheren Stockwerk zu gehen. Dort war nie etwas los, also konnte ich wohl kaum auf ungebetene Überraschungen treffen. Dachte ich...

Ich sprintete also eilig die Treppe hinauf, damit dieser blauhaarige Vollpfosten mich nicht verfolgen konnte und wurde im oberen Stockwerk schließlich wieder langsamer. Ich folgte dem leeren und leisen Gang, das einzig hörbare waren meine leisen Schritte, die von den Wänden widerhallten. Dann blieb ich abrupt stehen und lauschte. Man konnte ein leises Weinen vernehmen, das scheinbar aus Richtung der Toiletten kam. Langsam und darauf bedacht keinen Lärm zu machen ging ich auf die besagte Tür zu und trat ein. Der Anblick, der sich mir dort bot, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. „X...xingqiu?!", stieß ich geschockt hervor und starrte den am Boden sitzenden und weinenden Jungen an. In seiner Hand hielt er eine Rasierklinge und am Boden war Blut. Erschrocken blickte er zu mir auf, brachte jedoch kein Wort heraus, während ich stumm auf ihn zuging. Die Tür fiel hinter mir ins schloss und dann herrschte Stille im Raum. Vorsichtig kniete ich mich zu ihm herunter und nahm ihm die Klinge aus der Hand. „Warum?", fragte ich ruhig, obwohl ich mir die Antwort schon denken konnte. Statt einer Erklärung begann der Teenager wieder bitterlich zu weinen, weshalb ich ihn vorsichtig in meine Arme zog und somit versuchte ihn zu trösten. Etwas überfordert fragte ich mich, was ich nun am besten tun sollte. Währenddessen fiel der offene Rucksack des Jüngeren in mein Blickfeld und in dessen Inneren konnte ich einen Verband und Desinfektionsmittel sehen. Er tat dies wohl leider nicht zum ersten Mal. Vorsichtig ließ ich ihn los, griff nach den Papiertüchern zum Händeabtrocknen, nahm mir einige um sie auf die zum Glück nicht all zu tiefen Schnitte auf seinen Armen zu tupfen. Anschließend desinfizierte ich die Wunden, was ihn dazu brachte, einige qualvolle Geräusche zu machen, und verband dann alles mit den Worten: „Das kann sich entzünden, du solltest zum Arzt." Sein Schweigen war mir Antwort genug, er würde es nicht tun. Frustriert atmete ich aus, wischte das Blut vom Boden weg, nahm seinen Rucksack und hob ihn dann einfach im Brautstil hoch. Er sog erschrocken die Luft ein und suchte an meinen Oberteil nach Halt. „W...was?!" „Ich bring dich zur Schulkrankenschwester", entgegnete ich knapp und setzte mich in Bewegung.

Während ich mit ihm in den Armen durch die Gänge ging hörte ich ihn leise Schluchzen: „I...ich verstehe warum er dich l...liebt und nicht m...mich... Du bist... h...hilfsbereit... und stark... u...und ich einfach n...nur erbärmlich...." „Das stimmt nicht... du bist nicht erbärmlich, du bist klug und witzig und tatsächlich der Einzige den ich aus der Klasse früher nicht gehasst hab. Und das will etwas heißen, da kannst du dir was drauf einbilden." Tatsächlich hatte ich es mit dieser Aussage geschafft, ihn für einige Sekunden leicht zum Lächeln zu bringen.

Schließlich erreichten wir den Sanitätsraum, wo ich den federleichten Jungen sanft auf die Krankenliege setzte und mich anschließend in das danebenliegende Büro begab. „Entschuldigen sie?", sprach ich die ältere Frau an, welche nun von ihrem Laptop ansah und freundlich lächelte. „Wie kann ich dir helfen junger Mann?", fragte sie freundlich und wandte sich mir zu. Ich räusperte mich kurz und meinte dann: „Mein Freund hat Schnittverletzungen... könnten sie sich die bitte ansehen? Ich hab davon leider nicht viel Ahnung." Besorgt runzelte sie die Stirn, nickte und erhob sich von ihrem Stuhl. Zusammen gingen wir zurück zu Xingqiu, der wie ein Häufchen Elend auf der Liege saß und stumm auf den Boden starrte. Die Frau machte behutsam die provisorischen Verbände ab und begutachtete die Verletzungen. Während sie begann diese zu behandeln fragte sie Xingqiu mit ihrer beruhigenden Stimme: „Hast du schonmal überlegt dir professionell Hilfe zu suchen?" Er schüttelte nur langsam den Kopf, ohne dabei aufzublicken. „Ich würde es dir ans Herz legen. Es ist nicht schwach sich helfen zu lassen, viel mehr zeigt es Stärke. " Sie drückte ihm noch ein Bonbon in die Hand, tätschelte seinen Kopf und kehrte anschließend in ihr Büro zurück. Viel mehr konnte sie wohl nicht machen, da er kein Schüler an dieser Schule, sondern nur ein Besucher war.

Es folgt eine kurze, etwas unangenehme Stille in der ich beschloss, mich neben ihn zu setzten. „H...hast du das gerade eigentlich ernst gemeint...? D...das wir Freunde sind...?", wollte er verunsichert wissen und traute sich nicht mich anzusehen. Ich lächelte aufmunternd: „Ja, das war erst gemeint. Sofern du es auch möchtest." Nun suchte er doch Augenkontakt und nickte. Er weckte einen starken großer-Bruder Instinkt in mir, von dem ich bis gerade eben nicht wusste, dass ich ihn hatte. Kurzerhand beschloss ich, ihn erneut in meine Arme zu ziehen. Ich wollte ihm aus diesem Loch helfen, in das er gefallen war und ich würde Chongyun schon noch die Augen öffnen. Er sollte erkennen, was für ein wunderbarer Mensch Xingqiu war. „Soll ich dich zurück zu deiner Band bringen? Du wirst doch sicher schon vermisst", fragte ich und strich beruhigend über seinen Rücken. Er gab ein bestätigendes „mhm" von sich, woraufhin ich ihn los ließ, aufstand und ihm aufhalf. Anschließend reichte ich ihm seinen Rucksack und ging neben ihm her zurück nach oben.

„Hey, was hältst du davon, wenn ich dir meine Nummer gebe und wenn es dir das nächste Mal so scheiße geht, dann ruf mich einfach an, okay? Ich bin für dich da" Der Blauhaarige nickte und bedankte sich, woraufhin ich meinen Arm um seine Schultern legte. „Was soll das denn?!", ertönte auf einmal die wütende Stimme von Chongyun hinter uns, die uns beide herumfahren ließ. Damit hatte er selbst mich erschreckt, der Typ war gerade zu lautlos. „Versuchst du ernsthaft mir Xiao auszuspannen?! Ich dachte wir sind Freunde!", brüllte er den Jungen an, der neben mir immer kleiner wurde und kurz davor war, los zu weinen. „Yun d...du verstehst das f...falsch... i...ch hab ni-", er wurde von dem anderen unterbrochen. „Deine scheiß Ausreden will ich nicht hören!", damit riss er ein scheinbares Freundschaftsarmband von seinem Handgelenk und warf es Xingqiu vor die Füße, „Fick dich Xingqiu!" Dann ging er. Und der Junge neben mir fiel auf die Knie...

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Ich möchte hier zum Schluss noch sagen, dass ich keinerlei Ahnung von diesem Thema habe. Ich will auf keinen Fall jemandem zu nahe treten oder es in irgend einer Weise verharmlosen!

Und nun wünsche ich euch noch einen schönen Tag. <3

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