↠ NEUN ↞

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[Taehyung]

Mit großen Augen sehe ich Namjoon an, der schmunzelt.

Verstehe ich das gerade richtig? Hat Jungkook wirklich einen Crush auf mich? Ich dachte all die Jahre, dass er mich aus tiefstem Herzen hasst.

„Taehyung?" frage ich leise, ohne normal über meine Reaktion nachzudenken. Namjoon lacht.

„Wer denn sonst? Du solltest doch wissen, in wen du dich verliebt hast. Oder gibt es etwa mehrere?"

Ich schüttle nur meinen Kopf.

Also verstehe ich es tatsächlich richtig. Seit zwei Jahren mag Jungkook mich insgeheim mehr, als er mir zeigte? Vielleicht tut er auch einfach so, als würde er mich nicht mögen, damit ich nicht einmal auf die Idee kommen könnte, dass er mich eigentlich liebt.

Irgendwie finde ich diesen Gedanken süß. Ich kann nicht erklären, wieso.

Und ich kann auch nicht erklären, wieso ich lächeln muss.

Aber dann, anhand der Reaktionen von Yoongi und Namjoon, realisiere ich, was ich gerade getan habe.

In ihren Augen bin ich Jungkook. Also hat Jungkook gerade gelächelt. Hat Jungkook etwa auch nie vor den beiden gelächelt? Das würde nämlich ihre Reaktionen erklären.

Schnell lasse ich die Mundwinkel wieder sinken, doch es ist zu spät. Namjoon schenkt mir ein breites, fröhliches Lächeln und steht auf, um zu mir zu kommen und mich fest durchzuknuddeln.

„Aww, wie süß du bist! Du musst ihn echt mögen, wenn du dich so sehr über seine Nummer freust."

Aufgrund seiner Reaktion kann ich nicht anders, als wieder zu lächeln, weil ich es echt niedlich finde, wie sehr er sich für Jungkook freut, auch, wenn es eigentlich keinen Grund dazu gibt, denn als wir draußen waren, hat er von mir keine Nummer, sondern eine genervte Rede bekommen.

Da ich aber immer noch nicht ich, sondern Jungkook bin und mich auch wenigstens ein bisschen wie Jungkook verhalten sollte, halte ich schützend meine Hände zwischen uns und schiebe ihn sanft von mir. Er versteht es schnell und wendet sich von mir ab.

„Sorry, das musstest du aber gerade ertragen. Ich weiß, dass du keinen Körperkontakt magst, aber das war mir gerade egal. Einmal im Monat nehme ich mir das Recht, dich zu umarmen, ob du willst, oder nicht."

Er wuschelt mir über den Kopf und setzt sich mit einem breiten Lächeln wieder hin. Ich kann auch sehen, wie Yoongi sich ein Lächeln nicht verkneifen kann.

„Wenn er einen Freund hat, wirst du ihn noch seltener umarmen können. Ich kann es aber immer noch nicht glauben. Das Kind hat sich tatsächlich verliebt. Joonie, wir verlieren ihn bald! Er wird uns verlassen."

Ich muss lachen und blicke wieder zu meinen eigenen Freunden, wo ich sehen kann, wie Jungkook ebenfalls zu uns rüber schaut und wohl nicht verstehen kann, was hier gerade vor sich geht.

Wenn er nur wüsste.

Da kommt bei mir auch die Frage auf, was ich nun mit dieser Information anfangen soll.
Soll ich es ihm sagen, oder es einfach geheim halten?

Als ich dann darüber nachdenke, was ich an seiner Stelle besser finden würde, entscheide ich mich für das zweite.

Ich behalte es einfach für mich und lasse ihn nicht in eine unangenehme Situation geraten. Das wäre besser.

Ich lasse ihn in dem Glauben, dass ich denke, er würde mich hassen.

Außerdem heißt das Ganze immer noch nicht, dass ich ihn mag. Würde ich für ihn dasselbe fühlen, würde ich es ihm sicherlich sagen. Aber ich fühle eben nicht dasselbe für ihn, also würde ich ihn nur verletzen, wenn ich ihm sage, dass ich es weiß und er somit auch merkt, dass ich ihn nicht auch auf dieser Art mag.

Mag ich ihn denn überhaupt? Kann ich ihn leiden? Es kommt oft vor, dass sein Verhalten mich nervt und es ist auch erst der zweite Tag, an dem wir gezwungen sind miteinander zu kommunizieren. Vielleicht werde ich ihn noch mögen, aber im Moment nervt er mich noch.

Aber dann trifft mich der Gedanke, wie ein Schlag.
Das bedeutet also, dass er Schwul ist. Das ist wortwörtlich die erste Person, die ich persönlich kennengelernt habe, die nicht heterosexuell ist.

Wieder sehe ich zu Jungkook rüber, der in seinem Essen herumstochert. Ich hätte irgendwie nie gedacht, dass er auf Männer stehen würde. Nicht, dass ich es mir nicht vorstellen konnte, sondern weil ich einfach nie darüber nachgedacht habe.

Immerhin sind alle in meinem Umkreis heterosexuell, also denke ich kaum darüber nach, ob jemand, den ich kennenlerne, auf dasselbe Geschlecht stehen könnte.

Aus diesem Grund verspüre ich eine Art Bindung zwischen uns beiden, einfach weil es doch etwas gibt, was wir gleich haben. Wir sind also doch nicht komplette Gegensätze.

„Wir können nicht zulassen, dass Jungkook uns verlässt! Wer wird uns sonst dabei helfen, Mathe zu verstehen?"

Sicherlich nicht ich.

„Joonie, du bist auch gut in Mathe." Sagt Yoongi und schiebt sich Reis in den Mund. „Ja, aber auch erst, nachdem Jungkook mir das Thema erklärt. Dann kann ich es."

Ich sehe zu den beiden. Heißt es jetzt etwa, dass ich ihnen im Matheunterricht helfen soll? Das können sie vergessen. Ich kann ihnen vielleicht erklären, wie man zwei Zahlen addiert, mehr nicht.

„Aber guck mal, wenn Jungkook mit Taehyung zusammenkommt, heißt es dann vielleicht auch, dass er seine Freunde kennenlernen wird."

Namjoon weitet die Augen und sieht Yoongi an. „Stimmt! Er wird doch nicht mit ihnen klarkommen. Sie sind laut. Ich wiederhole: laut. Man hört sie bis hier hin."

Mit diesen Worten sehen wir alle zu dem Tisch rüber und ich schmunzle vor mich hin, weil nur ich weiß, dass genau jetzt dort eigentlich Jungkook sitzt und meine Freunde ertragen muss.

„Irgendwie sieht Taehyung heute traurig aus. Normalerweise sieht man ihn nur am Lachen und voller Energie. Jetzt sitzt er nur da und isst. Jungkook, was hast du mit ihm getan?"

Mit dem Mund voller Reis richte ich meine Augen auf Namjoon, der seine Frage offensichtlich nicht ernst meint, daher auch leicht lächelt, aber trotzdem bringt mich das zum Nachdenken.

Ach wisst ihr, eigentlich ist das nicht Taehyung, sondern Jungkook, wir haben unsere Körper getauscht und deswegen seht ihr einen lachenden Jungkook und einen ruhigen Taehyung. Nichts besonderes.

„Leute, wir sollten losgehen. Wir haben in zehn Minuten Biologie." Sagt Yoongi, woraufhin wir nicken, Namjoon noch schnell aufisst und wir dann zu dritt aufstehen, um unsere Sachen wegzuräumen.

Wir stellen uns an die kurze Schlange vor dem Rückgabeort und ich kann sehen, wie Yoongi auf mein Tablett starrt. Nun sehe auch ich auf diesen und höre, wie Yoongi leicht lacht.

„Warum hast du so viel übrig gelassen, damit kann man doch noch die ganze Schule füttern und du wirfst es weg. Dass du dich nicht schämst, tzz."

Da merke ich, dass er den einen Reiskorn meint, der noch auf meinem Teller liegt.

Ich sehe ihn an, er erwidert meinen Blick und wir sind beide einige Sekunden lang still, bis ich mich nicht mehr zurückhalten kann und lachen muss.

Irgendwie finde ich diesen Witz ein wenig komisch, aber einfach die Art, wie ernst er es sagte, war lustig. Die beiden haben einen etwas anderen Humor als meine Freunde und ich, das merkt man sofort, aber irgendwie mag ich es.

Und ich glaube, dass ich die ruhige und entspannte Art von Jungkooks Freunden anfange zu mögen. Eher gesagt, dass ich anfange, die beiden zu mögen.

Siehst du? Urteile nicht zu früh 👀

[ 1204 words ]

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20 HOURS | vkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt