N O E L A N I P O V
Gähnend wachte ich auf, als eine laute Stimme „Wie bitte, Schätzchen? Ich kann dich nicht hören." schrie. Mit einem Blick auf das Bett meines Bruder bemerkte ich, dass er ebenfalls aufgewacht war. Mein Kopf pochte von zu wenig Schlaf. Ich stöhnte und setzte mich langsam auf.
„Du bist keine Oma, Noel. Du brauchst nicht so zu stöhnen", begann Nikolay auch gleich zu meckern.
„Hör doch einfach nicht zu", zickte ich auch gleich zurück.
„Wäre es möglich dieses Gestöhne auszublenden, hätte ich es schon längst getan", fuhr er mich an.
Ich schenkte ihm meinen besten Todesblick, denn er leider nicht sah, da er sich die Decke über den Kopf zog und anfing weiter zu schnarchen. Schnell schlüpfte ich in kakifarbene Shorts und wechselte mein Schlafshirt gegen eine weiße Bluse. Ohne mir die Mühe zu machen, leise zu sein, kramte ich in der Tasche von Nikolays Hose herum, die er gestern achtlos auf den Boden geschmissen hatte und zog das Trinkgeld von gestern Nacht heraus. Ich hatte ordentlich was verdient. Meistens von älteren Typen, die mir für meine gute Arbeit, etwas zugesteckt hatten und mir dabei in den zu tiefen Ausschnitt gelinst hatten.
Leise öffnete ich die Zimmertür und schlich im Flur leise zur Kommode auf der das orangene Sparschwein von der ganzen Familie stand. In der Küche hörte ich schon das Geklapper von Geschirr und die leise Stimme von meiner Mutter. Schnell steckte ich die Scheine in den Schlitz und ging zur Küchentür die leicht angelehnt stand.
„Meg, ich weiß nicht wie es weiter gehen soll", flüsterte mein Dad verzweifelt.
„Ich weiß, Patrick", seufzte meine Mutter.
Neugierig lugte ich durch den Spalt. Ich erkannte meinen Vater, der am Küchentisch saß und eine Zeitung vor sich liegen hatte. Daneben stand eine Tasse mit Filterkaffee. Meine Mum erschien in meinem Blickfeld. Vorsichtig legte sie eine Hand aus die Schulter meines Dads.
„Das schlimmste an der Sache ist, das wir unsere Kinder mit in die Sache hineinziehen."
„Ich weiß, Patrick, ich weiß. Wir haben solche Engel nicht verdient", murmelte meine Mutter und ein Schluchzen entwich ihrem Mund.
Fest presste sie ihre Hand auf ihren Mund, doch sie konnte nicht das Beben in ihren Schultern unterdrücken. Mein Vater stand auf und umarmte sie. Ich sah zu wie Stumme Tränen ihre Wangen herunterkullerten.
„Dabei könnten beide eine eigene Wohnung suchen und ein viel besseres Leben führen als wir. Sie haben sich dazu entschieden bei uns zu bleiben", brachte meine Mutter mühsam hervor.
Beruhigend strich mein Vater über ihren Rücken und steckte eine tränennasse Strähne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, hinter ihr Ohr. Dabei flüsterte er ihr beruhigende Worte zu.
„Es wird alles gut, mein Sonnenschein. Ich werde mir eine neue Arbeit finden. Meine alte hat mir sowieso keinen Spaß gemacht. Mein Chef hat mir mit der Kündigung sogar eine Freude gemacht."
Ich wusste das er log. Seine Augen verrieten ihn. Ich konnte mich an damals erinnern, wo ich noch ganz klein war. Mein Vater nahm mich jedesmal, wenn ich ihn anbettelte, mit zu seiner Werkstatt und zeigte mir, wie man den Motor reparierte oder die Reifen wechselte. Damals hatte es mir viel Spaß gemacht, doch die Besuche wurden mit der Zeit immer weniger. Mal musste ich für die Schule lernen, mal hatte er keine Zeit.
Ich atmete tief auf, dann machte ich mich mit einem Räuspern bemerkbar.
„Guten Morgen", wünschte ich und tat auf unwissend.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Mum sich hastig die Tränen wegwischte und sich abwandte, damit ich ihre roten Augen nicht bemerkte.
„Guten Morgen", antwortete mein Vater, der seine Zeitung wieder aufgeschlagen hatte und einen Schluck aus seiner Tasse nahm.
Ich setzte mich an den Tisch und griff nach dem Brot. Da wir nichts anderes hatten, schmierte ich mir Butter drauf und biss hinein. In Gedanken versunken kaute ich herum und starrte auf die Tasse meines Vaters. Drauf war ein Handabdruck von mir und einer von meinem Bruder. Sie waren so platziert, das es aussah wie ein Schmetterling. In krakeliger Schrift stand „bester Papa auf der ganzen Welt" drauf. Diese Tasse hatten wir ihm zu seinem Geburtstag geschenkt und er benutzte sie seitdem jeden Tag.
„Wie hast du geschlafen?", fragte meine Mutter und riss mich aus meinem Tagtraum.
Ihre Stimme klang vom Weinen noch belegt.
„Super!", antwortete ich überschwänglich.
„Ich habe gepennt wie ein Baby."
„Babys sind bekannt dafür, die ganze Nacht durch zu schreien", murmelte mein Vater leise.
Ich tat so, als hätte ich ihn nicht gehört. Es wurde still. Nur das Klacken der Stricknadeln meiner Oma, die neben uns in ihrem Schaukelstuhl saß, war zuhören.
Plötzlich öffnete sich die Tür und Nikolay kam oberkörperfrei reingetappt. Seine Haare standen in alle Richtungen ab und er hatte tiefe Augenringe. Er warf sich auf den Stuhl neben mir und nahm mir mein Brot weg. Ich wollte protestieren, doch er hatte schon abgebissen. Ich grummelte etwas undeutliches und trat ihm unter dem Tisch gegen sein Schienbein. Lautstark begann er zu fluchen. Krümel fielen ihm aus seinem Mund und ich verzog angeekelt mein Gesicht.
„Wer hat geklopft?", brüllte Oma Elise.
Mein Vater vergrub sein Gesicht in seinen Händen, während Mutter schimpfte.
„Kinder, könnt ihr euch ein einziges Mal nicht streiten. Nikolay gib Noelani ihr Brot zurück!"
Er verdrehte die Augen und stopfte den letzten Rest in den Mund.
„Blödmann", grummelte ich und verschränkte beleidigt die Hände vor der Brust.
„Noel und ich gehen heute übrigens zu einem Freund von mir, der wird ihr Handy reparieren", bestimmte Nikolay auf einmal, ohne mich überhaupt vorher zu fragen.
„Und mit was willst du Bitteschön bezahlen?", murrte ich.
„Geld wächst leider nicht auf Bäumen."
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Ein typischer Morgen bei den Ghawaiis!
Wie hat es euch gefallen?
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Angel's beating heart
RomanceNoelani- ein nettes Mädchen mit einem guten Herz. Mit ihren Eltern, ihrem Bruder und ihrer Oma wohnt sie in einem Hochhaus neben einer verrückten Nachbarin, die die besten Kekse der Welt bäckt. Von außen hin scheint die Familie wie eine perfekte, do...