Kapitel 1 : Welcome to wherever you are

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Fiep. Fiep.

Fiiiiep.

„Schnell - schau mal, ich glaube er wacht auf."

Unverständliches Gemurmel, dann antwortet eine mir unbekannte Frauenstimme durch die monotonen Pieptöne hindurch, die von überall her auf mich eindringen.

„Na, Gott sei Dank. Du glaubst gar nicht, was mir für ein Stein vom Herzen fällt, Andy. Ich habe schon mit dem Schlimmsten gerechnet."

Benommen versuche ich, die Augen zu öffnen, doch das helle Weiß der Zimmerdecke blendet mich, und so lasse ich meine flatternden Lider wieder zufallen. Überhaupt fällt es mir schwer, mich zu bewegen, und so gebe ich meinen kläglichen Versuch, mich aus der unbequemen Rückenlage in eine angenehmere Position zu drehen, auch dementsprechend schnell wieder auf. Zugegeben, mit einem eingegipsten Arm wäre das ohnehin nicht gegangen, also versuche ich es nicht noch einmal. Das ständige Fiepen ist schon anstrengend genug für mich.

Eingegipster Arm? Mit der vielen Watte in meinem Kopf weiß ich nicht viel, aber wenn ich die wenigen Fetzen, die ich gerade noch zusammenbekomme, richtig deute, dann muss ich im Krankenhaus liegen. Das würde auch erklären, warum die Stimme ununterbrochen weiter redet.

„Wartet hier. Ich sage Dr. Flanders Bescheid."

Im Krankenhaus also. Aber wieso habe ich keine Ahnung, wie ich hier her gekommen bin? Seltsam - wirklich seltsam, drängt sich mir ein Gedanke auf, kurz davor wie alles andere wieder zu entschlüpfen. Kaum glaube ich, zu begreifen, was hier gerade geschieht, da laufen sie mir auch schon wieder davon. Die Gedanken sind frei? O ja, so frei, dass sie immer wieder auseinander laufen und wirr zerfasern, nur um am Ende wieder da anzukommen, wo ich schonmal war.

„Das wird ihn freuen..."

Freuen? Wie? Was? Wen? O what a mess!

Nach und nach löst sich die Watte auf, und dennoch: So zerschlagen und völlig durcheinander habe ich mich noch nie gefühlt. Wie nach einer Runde Achterbahn nach der anderen. Außerdem ist da noch etwas, das ich nicht benennen kann, etwas nicht greifbares. Mir ist, als wäre ich nicht ganz vollständig, und irgendwo tief in mir macht sich eine dumpfe Ahnung breit, dass mir ein Stück meiner Erinnerungen fehlt. So einen Filmriss hatte ich noch nicht mal an meinem vierzigsten Geburtstag. Und selbst das ist schon einige Jahre her.

KO-Tropfen, leuchtet es wie ein flüchtig glimmendes Irrlicht in meinen Hirnwindungen auf. Schon oft hat mich Eva vor den Gefahren gewarnt. Eigentlich jedes Mal, wenn wir zusammen unterwegs waren.

„Lass ja nie dein Getränk unbeaufsichtigt stehen. Bestell dir lieber ein neues, wenn du vom Tanzen zurückkommst. Lieber ein paar Dollar mehr. Mensch, Nicole, wenn es sich jemand leisten kann, dann doch wohl du."

So viel zum Thema Erinnerungen, die nur in kleinen Stücken zurückkehren. Aber es würde sich doch bestimmt anders anfühlen, wenn mir jemand welche in den Drink gekippt hätte. Und doch...

„Zum Glück ist gleich Visite. Dann werden wir hoffentlich erfahren, wie schlimm es wirklich um ihn steht."

... wenn es doch welche waren und ich vor mich hin fantasiere? Aber dann wäre ich doch nicht in der Lage, nach und nach immer klarer zu denken. Oder zu begreifen, dass der Gips an meinem rechten Arm schon mal keine Einbildung ist.

Alles andere dagegen wahrscheinlich schon. Wie zum Beispiel den Typen links von mir - meinen Zimmergenossen, dem es anscheinend noch dreckiger geht als mir. Männlein und Weiblein in ein und demselben Krankenzimmer? Echt jetzt? Hoffentlich nur vorübergehend. Wahrscheinlich auch besser, als die Patienten einfach auf dem Gang abzustellen. Aber trotzdem: In Down Under muss ja echt Not am Mann sein, wenn es jetzt schon so weit gekommen ist.

Zustände, über die Eva mit dem Kopf schütteln würde. Eva. Wo ist sie überhaupt?

In der Cafeteria?

„Ah, da ist ja der Patient. Wenn Sie dann bitte kurz draußen warten würden, Mrs Farriss."

Ah ja, die Visite. Jetzt kann ich hören, wie sich links von mir jemand umständlich von einem Plastikstuhl erhebt und mit klackernden Absätzen langsam das Zimmer verlässt, gefolgt von einem Paar Beinen in Jeans und schwarzen Stiefeln. So viel bekomme ich gerade noch durch den schmalen Spalt mit, zu dem ich meine Augen gerade noch so habe öffnen können. Mehr aber auch nicht, dann verschwimmt schon wieder alles. Keine Ahnung, wie viele das Zimmer verlassen haben, denn wenn sich die Ärzte den Patienten anschauen, haben Angehörige nichts dabei verloren. Und bei zwei oder gar drei Kranken kann es schon mal länger dauern.

Da wird Eva wohl nicht so schnell zurückkommen.

Dann schieben sich mehrere Kittel in Weiß in mein Sichtfeld. Ah ja, wie ich es mir dachte: jetzt kümmern sie sich erst mal um das arme Schwein nebenan. Der Ärmste muss einen wahren Horrortrip hinter sich haben und stundenlang bewusstlos gewesen sein. Dagegen bin ich ja noch geradezu gut dran und mein Gipsarm das kleinere Übel.

„Sehen Sie, Dr. Flanders? Wie ich es mir schon gedacht habe... auf die Minute genau. Vier Stunden im Aufwachraum, und er ist so gut wie ansprechbar."

Ansprechbar... Sagen sie das nicht immer in diesen Krimiserien kurz vor der Befragung durch einen Officer? Noch so ein Kandidat, der wahrscheinlich keine Ahnung hat, wie er hier gelandet ist und dem sie auf die Sprünge helfen müssen. Alles Gute, Kumpel, denke ich mir mein Teil, du wirst es brauchen können.

Vorsichtig drehe ich meinen Kopf zur Seite und erwarte, einen dieser scheußlichen grünen Raumteiler aus Stoff zu sehen, aber mein Blick fällt auf ein Fenster und einen leeren Stuhl. Um mein Bett herum stehen Flanders und seine Kollegen. Aus dem rechten Augenwinkel nehme ich wahr, wie eine Schwester das Zimmer betritt und mit einem Tablett an meinem Bett vorbei geht.

Die Erkenntnis trifft mich wie ein Hammer: Ich liege in einem Einzelzimmer und hier gibt es keinen anderen Patienten außer mir. Das arme Schwein bin ich.

Aber wieso sagen sie die ganze Zeit über er?

Aber wieso sagen sie die ganze Zeit über er?

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956 Wörter.

Not enough timeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt