Kapitel 8 : On a bus

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♪♫♪ Not enough time for all that I want for you. Not enough time for every kiss, and every touch and all the nights I wanna be inside you ♪♫♪

-INXS „Not enough time"-

Dein ständiges Gefasel von wegen man müsste nochmal zwanzig sein oder meinetwegen zehn Jahre jünger oder älter

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Dein ständiges Gefasel von wegen man müsste nochmal zwanzig sein oder meinetwegen zehn Jahre jünger oder älter... mit irgendwem tauschen, egal mit wem... If I were a boy, even just for a day...

Klick!

Wie sich doch die Bilder gleichen. Nur, dass es sich in meinem Fall um ein Nachbild handelt, das der gerade erst in den Baum eingeschlagene Blitz vor meinen Augen hinterlassen hat, greller als tausend Sonnen. Klar und leider nur zu deutlich kann ich uns alle wieder vor mir sehen, denn so, wie sich Eva und Nicky nichts geschenkt haben, ist bei uns zuletzt auch die Post abgegangen, nur mit dem Unterschied, dass ich nicht nur einen gegen mich hatte, sondern gleich fünf.

O, kommt mir nicht mit Frohe Weihnachten – damit könnt ihr mir gestohlen bleiben: Erst für Stress sorgen und dann einen auf Big Happy Family machen? Nicht mit mir!

An manchen Tagen kommt eben alles zusammen. Erst schaffte es Michael ewig nicht aus den Federn und wir kamen deswegen so spät zu unserem Gig, dass außer dem obligatorischen Soundcheck zum Proben keine Zeit mehr war. Einen Auftritt übrigens, den uns Chris noch auf den letzten Drücker reingequetscht hatte, obwohl er genau wusste, dass wir am Nachmittag des Sechsundzwanzigsten in Hobart sein sollten – als „Warm Up", wie er sich besserwisserisch ausgedrückt hatte – und den wir natürlich später als sonst beenden mussten, weil drei Zugaben ja nicht reichten.

Kann nicht irgendwann mal Schluss sein mit den Pannen? Aber immer wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt immer noch 'ne Schippe mehr daher.

Sag also besser niemals nie, denn die nächste Verzögerung kommt garantiert. Diesmal wegen Michael, der ja unbedingt noch eine Runde auf 'ner Harley drehen musste, die er draußen am Straßenrand entdeckt hatte. Keine Ahnung, wie er es geschafft hatte, dem Bären von einem Typen die Fahrt auf seinem persönlichen Heiligtum aus dem Kreuz zu leiern, aber aus der einen Runde wurden erst zwei und dann drei, während Garry und Jon versuchten, sich mit den Besitzern der Maschinen zu verbrüdern. Dumme Idee, saudumme Idee sogar. Inzwischen hing mir der Magen in den Kniekehlen, und die Schmerzen in meinen Knien wurden von der vielen Warterei auch nicht weniger. Irgendwann war Mitternacht vorbei und der heiß ersehnte Burgerladen geschlossen, obwohl der Fahrer nochmal extra auf die Tube gedrückt und einen mehr als heißen Reifen gefahren hatte. Da half auch nichts, dass Kirk mit einer Idee angetanzt kam, die er schon öfters gehabt hat.

„No worries, mate – wozu hab ich denn meinen Wok eingepackt?"

Oh ja, die Geschichte war legendär. Mitten im Outback 'nen Wok auspacken und darin sein mitgebrachtes Gemüse brutzeln. Kann man einmal machen, muss man aber nicht dauernd. Vor allem nicht nach dem ganzen China-Takeaway-Gedöns in der letzten Zeit, das mir so langsam aber sicher zum Hals heraus hing. Da hatte ich auf ihn und seine Patentlösung gerade noch gewartet. Nämlich gar nicht. Inzwischen war der Knoten in meinem Magen, der mir innerlich alles abzuschnüren drohte, um ein weiteres Stück gewachsen und ließ mich nach Luft ringen; Luft, die mittlerweile nicht nur verdammt dünn geworden war, sondern auch förmlich kurz vorm Brennen stand. Ein Funke würde genügen, und der von ihm ausgehende Flächenbrand würde sich von Melbourne bis nach Geelong ausbreiten, davon war ich überzeugt. Es war nur noch eine Frage der Zeit.

Und der ließ auch nicht lange auf sich warten.

„Vielleicht hilft es unserem Timmy-Boy ja, wenn wir ihm eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen", kam es da von weiter hinten aus dem Bus, begleitet von einem dünnen Buch für Kinder ab zwölf. Da reichte es mir. Denn wenn ich so einen billigen Witz erwartet hatte, dann ganz bestimmt nicht von Andy.

Wie hieß das Teil denn überhaupt? Freaky Friday? Ein Blick auf den Klappentext, und ich wusste Bescheid: „Ich wollte, ich könnte mit dir tauschen... der Wunsch soll für die 13jährige Annabel Andrews und ihre Mutter schneller in Erfüllung gehen, als ihnen lieb ist..."

Mehr musste ich nicht wissen – ich konnte mir schon denken, woher der Wind wehte. Mehr als einmal hatte ich mich beschwert, wenn ich mal wieder in den Burgerladen um die Ecke wollte und keine fünfzig Meter weit kam, weil wieder irgendwer ein Autogramm wollte. Lächeln und winken, dachte ich in solchen Momenten und bemühte mich, freundlich zu bleiben, damit ich nicht wie das hinterletzte Arschloch rüberkam. Nicht, dass mein Verhalten noch auf die anderen zurückfiel und sie es ausbaden durften. Schließlich wollte sich keiner von uns nachsagen lassen, dass uns der Erfolg zu Kopf gestiegen war.

Wie passend, würde ich heute sagen, aber das sah ich in dem Moment nicht. Ja, sind denn jetzt alle völlig verrückt geworden, war das, was mir statt dessen durch den Kopf ging.

Erst Michael mit seinen ständigen Extrawürsten, dann Garry und Kirk. Jon ließ ich gleich ganz außen vor. Der hatte wegen seiner Dauerzankerei mit seiner Liebsten sowieso eine Stinklaune. Aber jetzt auch noch Andy? Mein sonst so stiller Bruder, der sich aus Konflikten grundsätzlich heraushielt, kam mir auf diese Tour und machte mich zum Gespött vor der ganzen Mannschaft? Und dann noch mit so einem Schmöker?

Damit war das Maß endgültig voll. Kochend vor Wut, schoss ich aus meiner Koje und pfefferte das Teil mit Schwung durch den Gang, doch noch bevor ich richtig in die Luft gehen konnte, übertönte ein Donnerschlag von draußen den Lärm im Bus, und das Fahrzeug kam jäh zum Stehen. Das war das Zeichen für mich, zur Tür zu stürmen und den Bus zu verlassen. Lieber war ich jetzt draußen unter freiem Himmel als in der explosiv aufgeladenen Stimmung im Gang hinter mir.

Nachdem ich die letzten Stufen im Sprung genommen hatte, blieb ich wie angewurzelt stehen. Ich hatte keine Ahnung wo wir waren, aber hätte mir jemand gesagt, die Apokalypse wäre ausgebrochen, während ich mich im Tiefschlaf befunden hatte, ich hätte es doch glatt geglaubt. Am tintenschwarzen Himmel wüteten strahlend weiße Blitze und tauchten die sich in irrsinniger Geschwindigkeit zusammenballenden Gewitterwolken in bedrohliche Lilatöne, während es dazu in einer Lautstärke donnerte, wie ich sie so auch noch nie erlebt hatte. Das Stimmengewirr hinter mir nahm ich so gut wie gar nicht mehr wahr, statt dessen blieben meine Augen fasziniert an etwas anderem hängen: dem baumstammdicken aber nicht ganz so schweren Ast, der die Fahrbahn über die komplette Breite blockierte.

Ein Blitz musste in den Baum auf der anderen Seite der Friedhofsmauer eingeschlagen sein und dieses Chaos verursacht haben. Um uns herum zuckten die Blitze, doch das hielt mich nicht davon ab, mein Glück mit dem Hindernis zu versuchen. Wenn es uns nicht gelang, das Teil von der Fahrbahn zu entfernen, würden wir im Niemandsland übernachten müssen und den Kampf gegen die Uhr endgültig verlieren. Und mit unserer Ankunft zur geplanten Zeit wäre es vorbei. Ach, hätten wir doch nur...

Ab da kann ich mich nur noch an Bruchstücke erinnern: als erstes ein ohrenbetäubender Donnerschlag, gefolgt von einem gleißenden Blitz in hellem Violett, der die Straße auf der anderen Seite der Straßensperre für einen kurzen Augenblick aufleuchten ließ; und dann der giftgrüne Shelby, von dem ich hätte schwören können, dass er vorher noch nicht dagewesen war.

Ich sollte nicht mehr dazu kommen, mich darüber zu wundern oder gar darüber, dass das Auto auf der falschen Straßenseite stand. Mit einem Mal brüllte mir Andy von hinten etwas Unverständliches zu – dann war er auch schon an meiner Seite und riss mich zu Boden. Mein Glück, denn sonst hätte mich der aus dem Nichts kommende Schlag gegen meine Schulter ins Jenseits befördert. So aber taumelte ich und stürzte in eine bodenlose Tiefe, nur um im letzten Augenblick wie von einem unsichtbaren Gummiband mit Macht zurückgezogen zu werden.

Dann verlor ich vollends die Besinnung. Mit bekannten Folgen.

Zitat: 34 Wörter - Text: 1274 Wörter - insgesamt: 1308 Wörter

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Not enough timeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt