• Drittes Kapitel •

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Einen kurzen Augenblick erstarre ich. Ich spüre die Kälte, sie kommt immer näher.

Ich habe eine Gänsehaut am ganzen Körper, meine eisigen Hände umklammern den Besen. Ich traue mich nicht meinen Blick gen Himmel zurichten, mir graut es vor dem, was ich dort sehen könnte. Für einen Moment bin ich geneigt wieder auf meinen Besen zu steigen, doch ich habe zu viel Angst vor dem, was über mir lauert.

Ehe ich mir wirklich im Klaren darüber bin, was ich tun möchte, merke ich, wie meine Beine mich schon Richtung Ausgang des Stadions tragen. Ich muss weg von hier und zwar schnell. Ich laufe so schnell ich kann, die Kälte folgt mir im Nacken. Die Sterne sind längst verschwunden und die eben noch so angenehme Stille, ist nun nur noch unheimlich und erdrückt mich. Ich laufe weiter, schneller und schneller. Der Ausgang des Stadions ist nun sehr nahe. Während ich ihn passiere, nehme ich die gefrorenen Bäume und Rasenflächen um mich herum wahr. Mein Magen krampft sich zusammen, meine Kehle schnürt sich zu. Mir ist, als würde ich hinter mir ein entsetzliches Röcheln hören. Ich werde noch schneller. Ich drehe mich nicht um. Ich muss weiter, schnell weiter.

Ich sehe den dunklen See und seine spiegelglatte Oberfläche, die am Rande schon zugefroren ist. Der See friert immer weiter zu. Schneller als ich laufen kann. Noch einmal beschleunige ich meine Schritte, obwohl ich schon kaum mehr Atmen kann und ich fürchterliches Seitenstechen habe. Vor mir ragt nun das Schloss auf. Ich sehe das Portal näher kommen.

Vor dem Portal sehe ich zwei Gestalten. Und immer noch spüre ich die unerträgliche Kälte in meinen Rücken. Sie holt mich ein. Mir wird schwindelig. Ich laufe weiter, so schnell ich kann. Die zwei Gestalten werden auf mich aufmerksam. Sie scheinen auf mich zuzugehen.

Ich merke, wie ich langsam in die Kälte weggleite.

Und da ist er wieder, dieser ungepflegte, schmutzige, grausame Mann. Sirius Black. Seine zotteligen Haare umranden sein ausgemerkeltes Gesicht. Er sieht nicht böse aus. Eher resigniert. Hoffnungslos. Verzweifelt schaut er mich an. Er ruft etwas, doch ich kann es nicht verstehen.

„Lauf weiter, Annie!", höre ich stattdessen einen anderen drängenden Schrei.

„Weiter! Schnell!"

Eine warme Hand umfasst mein Handgelenk. Der Mann, Sirius Black, verschwindet vor meinen Augen und ich nehme die Realität wieder war.

„Komm schon, Annie, du musst weiter. Beeil dich!"

Ich merke wie die Hand mich mitzieht. Zwei Rotschöpfe laufen mit mir zusammen auf das Schloss zu.

„Schneller, Fred!", höre ich George rufen.

Im selben Moment spüre ich, wie ich meine Schritte beschleunige und weiter gezogen werde.

„Wir sind fast da, ein kurzes Stück noch!", sagt Fred zu mir gewandt.

Wir erreichen das Portal. Während ich kurz dahinter in der Eingangshalle zusammen breche, versiegeln Fred und George die große Eingangstür. Ich liege keuchend am Boden und schnappe verzweifelt nach Luft.

„Wer ist da?!", donnert eine raue Stimme vom Treppenhaus her.

„Das ist Filch, wir müssen hier weg!", sagt einer der Zwillinge und hilft mir auf. Wieder werde ich weitergezogen, ehe sich meine Atmung beruhigen kann.

„Wir nehmen den Geheimgang im zweiten Stock", flüstert der andere.

Wir durchbrechen einen Wandvorhang in einem der Flure. Hier war ich noch nie. Außer Atem benötigen wir alle einen Moment um uns wieder zu sammeln. Ich atme tief durch. Stemme meine Hände in meine Hüfte. Langsam beruhigt sich mein Puls und meine Atmung.

„Danke!", sage ich, während ich immer noch nach Luft schnappe.

„Was hast du da draußen gemacht, Annie? Wolltest du es alleine mit den Dementoren aufnehmen?", fragt George ungläubig.

„Ich - habe - für - die - Auswahlspiele - trainiert", sage ich keuchend.

„Mitten in der Nacht? Wolltest du, dass die Dementoren dich trainieren?", fragt Fred und grinst.

„Blödmann", entgegne ich, muss bei dem Gedanken aber auch grinsen.

„Was habt ihr da draußen gemacht?", frage ich und schaue die beiden mit großen Augen an.

„Wir waren im Schloss unterwegs, wir haben nach einem Geheimgang gesucht, als wir dich auf der Kar..."

„Als wir dich aus dem Fenster gesehen haben", unterbricht George seinen Bruder und wirft ihm einen schnellen Blick zu.

„Von welchem Fenster, kann man denn bis zum Quidditch-Stadion sehen?", frage ich zweifelnd.

„Wir haben dich über das Gelände laufen sehen. Und die Dementoren über den See kommen", sagt George. Misstrauisch schaue ich die beiden an.

„Mh, na gut", sage ich schulterzuckend. „Danke, dass ihr da wart. Ich weiß nicht, was passiert wäre."

„Nimm uns doch beim nächsten Mal einfach direkt mit. Nachts im Schloss und auf dem Gelände herumschleichen, gehört schließlich zu unseren Spezialitäten", sagt Fred und zwinkert mir zu.

Augenblicklich beschleunigt sich mein Puls wieder. Grinsend schaue ich zu Boden.

„Wir sollten jetzt aber besser zurück in den Gemeinschaftsraum gehen...", meint George schließlich.

„Bevor Filch uns doch noch findet", ergänzt Fred.

Ich nicke. George steckt seinen Kopf durch den Wandvorhang und kontrolliert ob der Gang frei ist. Währenddessen werfen Fred und ich uns noch einen Blick zu. Wieder müssen wir grinsen.

Schließlich deutet er mit einem kurzen Kopfnicken, dass ich George folgen soll und wir machen uns auf den Rückweg.

Ich bin wahnsinnig erleichtert, als wir den Gemeinschaftsraum schließlich erreichen.

Nach einer kurzen und wütenden Begrüßung der fetten Dame, die natürlich schon längst eingeschlafen war, stehen wir endlich vor dem wärmenden Kamin. Meine Hände sind immer noch eisig.

„Gute Nacht, Annie, wir gehen schlafen. Denke daran, beim nächsten Mal nimmst du uns mit, wenn du wieder mit den Dementoren Quidditch spielen willst.."

„... oder hilfst uns bei der Suche nach dem Geheimgang, wobei du uns heute unterbrochen hast", beendet Fred den Satz seines Bruders.

Zufrieden schaue ich den beiden hinterher, während sie in ihrem Schlafsaal verschwinden. Noch einmal atme ich tief durch und schaue in den Kamin.

Einerseits bin ich ziemlich glücklich, wie mein Ausflug verlaufen ist. Wäre ich nicht draußen gewesen, wäre ich Fred nicht über den Weg gelaufen und die beiden hätten mich nicht retten müssen. Vielleicht nehmen sie mich ja wirklich mit, wenn sie nach dem Geheimgang suchen, überlege ich.

Andererseits bin ich immer noch ziemlich schockiert über das Geschehene. Das Bild von Sirius Black geht mir nicht aus dem Kopf. Was hat er gerufen? Warum sieht er so verzweifelt aus? Und wieso führt eine Begegnung mit den Dementoren nun schon zum zweiten Mal dazu, dass ich diesen Mann sehe. Das kann doch kein Zufall sein. Ich habe keine Angst vor ihm. Nicht mehr, als alle Anderen, denke ich zumindest.

Diese Gedanken schwirren mir noch eine Weile durch den Kopf, während die Glut im Kamin allmählich erlischt und am Himmel schon langsam der Morgen graut.

Schließlich gehe ich in den Schlafsaal um noch einige Stunden zu schlafen und bei den Quidditch-Auswahlspielen morgen fit zu sein. Bevor ich einschlafe, denke ich noch einmal an Fred's warme Hand um mein eiskaltes Handgelenk. Ich lächle, kuschel mich in mein Kissen und schlafe auch gleich ein.

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All's Well That Ends Well (fred weasley fan fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt