Kapitel 10

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Schließlich schaue ich mich in der Küche um und sehe Charlie, der mit einem Mann redet, der mir den Rücken zugekehrt hat.
„Bill! Das ist Scarlett!", sagt Charlie, stellt sich neben mich und legt mir einen Arm um die Schulter. Jetzt dreht sich auch der fremde Mann zu uns um und mir fällt schlagartig die Kinnlade runter.

Er glotzt mich genauso an, wie ich ihn. Das darf doch nicht wahr sein! Wie kann man nur so ein Pech haben! Jetzt weiß ich, warum mir Charlies Augen so bekannt vorkamen. Sein Bruder hat dieselben. Warum ist mir das nicht aufgefallen!
Ich blicke ihn an. Die langen roten Haare, die glänzenden Augen und der unverwechselbare Ohrring sind zwar geblieben, aber er sieht trotzdem verändert aus. Man merkt, dass er älter geworden ist. Er ist ein kleines Stück seit damals gewachsen. Auch an Muskelmasse hat er ordentlich zugelegt. Außerdem ist seine linke Gesichtshälfte mit einigen Narben durchzogen, was ich jedoch zu meinem Missfallen nicht im Geringsten abstoßend finde.
„William?", frage ich ungläubig.
„Scarlett! Wie?"
„Das glaub ich jetzt nicht!", sage ich etwas schockiert, meinen Blick starr auf seine Augen gerichtet.
„Äh... Ihr kennt euch?", fragt Charlie sichtlich verwirrt. Ich bin unfähig zu antworten. Ich hätte nie gedacht, dass ich ihn wiedersehen würde. Noch nicht ein einziges Mal habe ich in den letzten zwei Jahren an ihn gedacht. Er war einfach aus meinem Gedächtnis verschwunden. Ich habe ihn aus meinem Ordner Erinnerungen gelöscht und den Papierkorb auch gleich noch geleert. Nie habe ich daran gedacht, ihn wieder zu sehen. Nie habe ich mir das vorzustellen gewagt. Aber hier steht er. Mit seinen braunen Augen, die ich vergessen hatte, und sieht mich mit einem Mix aus Verwirrung und Erstaunen. Doch plötzlich wird seine Miene hart.
„Ja, wir kennen uns.", sagt er mit einem Tonfall, der mich zusammenzucken lässt. „Charles, erinnerst du dich an das Mädchen, dass mich vor fünf Jahren das Herz gebrochen hat? Darf ich vorstellen, sie steht neben dir!", sagt er und schaut mich zornig an. Seine Augen funkeln vor Wut. Ich bin jetzt mindestens genauso verwirrt und sprachlos wie Charlie.
„Du sagtest mir doch, dass du Adams mit Nachnamen heißt! Wie könnt ihr da bitte Brüder sein?", frage ich Will.
Er übergeht meine Frage einfach und wird jetzt lauter: „Du hast keine Ahnung, wie es mir all die Jahre ging, nachdem du weg warst! Jetzt hör bloß auf so zu tun, als wäre dir das nicht egal!"
„Hör auf mich anzuschreien! Bis du Mist gebaut hattest, warst du mir nie egal. Und ich war ja wohl kaum alleine daran schuld, auch wenn du das jedes Mal so darstellst. Was ist eigentlich dein Problem? Ich bin hier für die Hochzeit und dann gehe ich wieder. Von mir aus sehen wir uns dann nie wieder. Also reg dich ab.", sage ich bestimmt.
Er antwortet nicht, sondern läuft wortlos an mir vorbei, wobei er es sich nicht nehmen lässt, mich noch einmal bitterböse anzusehen und grob anzurempeln, sodass ich einen Ausweichschritt machen muss und zu fallen drohe. Jedoch fängt mich Charlie noch rechtzeitig auf.
„Bill! Was soll das?", ruft er seinem Bruder hinterher. Der verschwindet jedoch zügig die Treppe hinauf.
„Alles OK?", fragt er mich dann.
„Ja, danke!", sage ich und halte meine Schulter, die etwas schmerzt.
„Erklärst du mir mal, was das eben war?", fragt Charlie etwas wütend, nachdem Will verschwunden ist, und setzt sich neben mich auf das Sofa.
„Ich war mit ihm zusammen. Weißt du noch, was ich dir erzählt habe, als ich deinen Zauberstab gesehen habe?"
„Du verarschst mich! Das war Bill?", fragt er. Ich nicke, woraufhin er seufzt und sich durch die Haare fährt.

„Ja. Aber Charlie! Hör mir zu! Er ist sauer auf mich wegen damals, aber das ist sein Recht. Und du musst jetzt nicht auch noch sauer auf mich sein."
„Ich soll nicht sauer sein?", fragt er sarkastisch und stellt sich vor mich, sodass ich nicht vom Sofa aufstehen kann. „Bist du nicht mal auf die Idee gekommen, mir vielleicht zu sagen, dass dein Ex mit dem Kind mein Bruder ist!", schreit er.
„Ich wusste das doch auch nicht!", brülle ich zurück.
„Von wegen du wärst ehrlich zu mir! Ich habe dir immer alles gesagt, du weißt mehr als jeder andere Mensch von meinem Leben. Sogar mehr als meine Mutter und Bill! Und was machst du? Du verheimlichst mir etwas von einer solchen Wichtigkeit?"
„Hör mir doch mal zu!", brülle ich ihm ins Gesicht und schiebe ihn vom Sofa zurück, dass ich aufstehen kann. „Ich habe dir alles erzählt. Von ihm, von der Trennung, von Leon. Du weißt alles, was ich bis gerade eben auch wusste.", schreie ich. Er sieht mich wie vor den Kopf gestoßen an, aber sagt nichts. Ich atme tief durch, um wieder runter zu kommen, und sage dann in normalem Tonfall.
„Wenn ich gewusst hätte, wer er ist, hätte ich es dir ganz sicher nicht verheimlicht. Das ist gerade genauso ein Schock für mich, wie für dich. Aber ich hatte keine Ahnung. Also bitte sein nicht sauer, denn dazu hast du im Gegensatz zu Will einfach kein Recht." Wortlos sieht er mich an, doch sein Blick entspannt sich langsam.
„Du hast Recht.", sagt er schließlich und richtet seinen Blick zu Boden. „Tut mir leid, ich bin nur..."
„Total verwirrt? Glaub mir, ich auch."
„Was meintest du damit, als du gesagt hast, er hieße Adams?", fragt er schließlich.
„Er hat mir gesagt, dass er William Arthur Adams heißt. Dabei heißt er Weasley! Er hat mich zwei ganze Jahre von vorne bis hinten angelogen. Ich nehme mal an, er arbeitet auch nicht bei der Bank, oder?", frage ich, kann mir aber den spöttischen Unterton nicht verkneifen.
„Doch, aber nicht bei der für Muggel, sondern bei Gringotts. Das ist eine Bank für Zauberer in der Winkelgasse.", erklärt er. „Scar?", fragt er dann.
„Ja?"
„Wie...wie lange wart ihr... zusammen?", fragt er zögerlich.
„Zwei Jahre.", antworte ich. „Fast auf den Tag genau." Charlies Gesichtsausdruck verspannt sich etwas. Er nickt etwas abwesend und sieht zu Boden. Ich greife nach seiner Hand und umfasse sie mit beiden Händen. Sie ist kälter als sonst. Normalerweise hat er immer warme Hände.
„Was ist los, Charlie?", frage ich und versuche Augenkontakt herzustellen, aber sein Blick ist auf den Boden gerichtet. Er zuckt etwas, aber blickt trotzdem nicht auf.
„Nichts.", sagt er, entzieht mir seine Hand. Dann schiebt er die Hände in seine Hosentaschen und dreht sich um. Meine Rufe ignoriert er und läuft zügig die Treppe hinauf.

Verhängnisvolle Liebe (Charlie/Bill Weasly ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt