Kapitel 15

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---Seine Sicht---
„Will! Soll ich dir was helfen?", fragt eine Stimme hinter mir. Als ich mich umdrehe, sehe ich genau die, die ich erwartet habe, aber am wenigsten sehen will. Scarlett lehnt im Türrahmen und sieht mir beim Tisch saubermachen zu, der noch vom Frühstück dreckig ist.
„Wenn du unbedingt willst...", sage ich trocken und werfe ihr ein Handtuch zu, das sie geschickt auffängt.
„Ich will dich wirklich nicht nerven, Will. Also wenn du willst, dass ich von hier verschwinde, dann mach ich das. Du musst es mir nur sagen."
„Nein, ist schon ok.", antworte ich knapp.
„Na schön.", sagt sie, klingt aber alles andere als überzeugt. Eine Weile sagt sie gar nichts, wofür ich ihr wirklich dankbar bin. Auf ein Gespräch habe ich wirklich keine Lust.
„Wie hast du Fleur eigentlich kennengelernt?", fragt sie. Wusste ich doch, dass sie irgendwann anfängt, mit mir zu reden. Ich antworte nicht, sondern verzaubere stattdessen die Teller vor mir in der Spüle.
„Will, ich verstehe, wenn du nicht mit mir reden willst. Aber wir sollten wenigstens versuchen, miteinander auszukommen. Und da haben wir wirklich keinen guten Start hingelegt. Also ich hatte die Hoffnung, dass wir versuchen könnten Freunde zu werden."
„Wir können keine Freunde werden, Scarlett. Man kann sich nicht mit der Ex anfreunden. Das ist ein Gesetz der Natur. Und bitte akzeptier das einfach und lass mich in Ruhe.", sage ich ruhig ohne sie anzusehen.
„Wenn du das so siehst... Ok, dann eben keine Freunde. Aber bitte tu nicht so, als wäre ich Luft."
„Doch, genau das mach ich. Und zwar liebend gerne.", sage ich und drehe mich zu ihr um. „Weil ich sehe, wie glücklich Charlie ist. Und ich weiß, wie sehr du einem wehtun kannst. Und ich hasse dich dafür, dass du ihn glücklich machst, weil das bedeutet, dass ihn das sehr schwer treffen würde. Ich kenne ihn seit ich denken kann. Also ich kann denke ich behaupten, dass ich ihn besser kenne als jeder andere. Und ich weiß, dass sein Äußerliches überhaupt nicht zu dem, was in ihm vorgeht, passt. Er hat nicht gerade das größte Selbstvertrauen. Und ich sag dir eins... Wenn du ihm wehtust, dann wird ihn das mehr treffen, als du dir vorstellen kannst. Das schlägt ein wie eine Bombe. Und er wird völlig am Ende sein. Du hast ihn so noch nie erlebt... Aber ich schon. Er ist mein kleiner Bruder, Scar. Ich muss ihn beschützen."
„Vor mir?", fragt sie verständnislos.
„Ja, vor dir."
„Bill, das mit Charlie ist anders als mit dir. Ich weiß von Zauberei und Magie. Das, was uns im Weg stand, steht nicht zwischen mir und Charlie. Ich werde ihm nicht wehtun."
„Ich vertrau dir einfach nicht! Lass mich in Ruhe, ok?", sage ich und lasse sie alleine in der Küche stehen. Es fiel mir schwer die Worte auszusprechen. Es war schon immer schwer für mich zu lügen. Und bei ihr fällt es mir sowieso schwer. Ich hasse sie nicht. Ich könnte sie nie hassen. Und ich will auch nicht, dass sie mich in Ruhe lässt. Aber es ist einfacher so. Ich muss lernen mich selbst zu kontrollieren.

---Ihre Sicht---
Ich schleiche so leise wie möglich die Treppe hinunter um die anderen nicht zu wecken. Es ist erst sieben Uhr morgens, aber ich konnte einfach nicht schlafen. Die Stufen quietschen unter meinem Gewicht, weshalb ich versuche, noch vorsichtiger zu laufen. Ich will mir schon gratulieren, weil ich unten angekommen bin und niemanden aufgeweckt habe, als ich durch ein Klirren zusammenfahre. Ich schaue mich um, da ich befürchte, etwas umgeworfen zu haben, aber das Geräusch kam aus der Küche. Ich sehe also nach. Am Herd steht - die Arme vor der Brust verschränkt und mit leicht zerstruppelten Haaren - Bill. Er trägt nur eine Jogginghose, sein kompletter Oberkörper ist frei. In der Hand hält er eine Tasse und verzieht das Gesicht, als er mich sieht.
„Auch schon wach?", fragt er genervt.
„Ja! Bei dem Krach hier kann man ja auch schlecht weiterschlafen.", gebe ich bissig zurück. Er grinst spöttisch.
„Hast dich überhaupt nicht verändert. Du bist noch genauso zickig, wie damals."
„Und du noch genauso eingebildet." Ich schiebe mich an ihm vorbei, wobei mein Oberarm seine Brust streift. Ein Kribbeln durchläuft mich, aber ich ignoriere es und fülle mir ein Glas mit Wasser.
„Ich dachte, du willst mir aus dem Weg gehen.", sage ich.
„Schon, aber ich bin heute irgendwie in Stimmung für Smalltalk.", sagt er und grinst breit. Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue hoch. „Was denn?", fragt er vorwurfsvoll. Ich kann nur verwirrt den Kopf schütteln.
„Was zum Teufel ist mit dir los?", frage ich verwirrt.
„Nichts, ich versuche nur gerade zu verstehen, wie es Charlie so lange mit dir aushält. Wie lange seid ihr schon zusammen? Zwei Jahre?"
„Zweieinhalb Jahre."
„Aha.", meint er abschätzig und trinkt einen Schluck aus seiner Tasse.
„Tu gefälligst nicht so arrogant, ok?", sage ich genervt.
„Wow, Miss Perfect kann ja auch mal unhöflich sein."
„Ja, stell dir vor, das kann ich. Und ich bin liebend gerne unfreundlich zu Menschen, die mich blöd anmachen. Also verurteile mich nicht!"
„Zu spät. Und arrogant bin ich ganz sicher nicht."
„Ach nein? Also läufst du generell ohne Oberteil durchs ganze Haus?", frage ich.
„Nein, nur wenn das andere auch machen.", grinst er und mustert mich. Ich schaue an mir herunter und stelle fest, dass mein Top vorne ein gutes Stück nach unten gerutscht ist und man so einen guten Blick auf meinen BH hat. Meine Hose lässt außerdem etwa 7/8 meiner Beine frei.
„Früher haben dir die Sachen besser gestanden. Hast du zugenommen?", fragt er grinsend.
Mein Geduldsfaden reißt endgültig. Ich knalle mein Glas auf den Tisch, gehe auf ihn zu und bleibe dicht vor ihm stehen.
„Was bildest du dir eigentlich ein?", zische ich. „Du meinst, dass das damals alles meine Schuld war und du jetzt dadurch das Recht hast, mich runterzumachen? Da hast du dich geschnitten! So lass ich mich nicht von dir behandeln! Ich habe schließlich zwei Jahre mit dir zusammengelebt und dachte, ich kenne dich! Aber du hast mich von vorne bis hinten angelogen. Noch nicht einmal deinen richtigen Namen wusste ich. Und da erwartest du, dass ich nicht sauer bin! Ich habe dir zwei beschissene Jahre meines Lebens hinterhergeheult und es bereut, dich verlassen zu haben. Aber soll ich dir was sagen! Seit ich Charlie habe, bist du weg aus meinem Kopf. Weil er ein guter Mensch ist. Er hat mich nicht angelogen! Er hat mir nichts vorgespielt! Ich kenne ihn besser, als es bei dir je der Fall war. Und das, obwohl du mir immer gesagt hast, ich wäre der einzige Mensch, der dich wirklich kennt. Aber ich kenne dich nicht. Ich kenne nur die Figur, die du zwei verdammte Jahre gespielt hast. Also bilde dir nicht ein, dass es diese zwei Jahre mit dir wert waren! Du bist ein verlogenes, arrogantes Arschloch! Ja, vor allem arrogant!", werfe ich ihm an den Kopf und stürme aus dem Zimmer zur Tür hinaus und in den Garten, wo ich mich in das nasse Gras fallen lasse. Der Zustand meiner kurzen Hose ist mir jetzt völlig egal. Ich starre geradeaus in den Wald. Was bildet sich dieses Arschloch eigentlich ein! Er hat mindestens genauso viel Schuld an unserer Trennung damals. Ich werde abreisen. Nur muss ich warten, bis Charlie wach ist, dass er mit mir apparieren kann. Hier halte ich es keine Minute länger aus. Meine Finger reißen wie von fern gesteuert das nasse Gras aus der Erde. Es hilft mir, meine Aggressionen auszulassen.
„Hey!", sagt plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich weiß sofort wem sie gehört.
„Was ist?", frage ich. Ich höre mich wütender an, als ich bin, aber ich sehe nicht ein, es ihm einfach zu machen.
Er setzt sich schweigend neben mich. Ich stelle fest, dass er jetzt eine Jeans und ein weißes Hemd trägt. Wenigstens dazu hat sich der werte Herr herabgelassen.
„Ich will mich entschuldigen.", sagt er schließlich. „Es ist nicht fair, auf dir rumzuhacken. Ich muss meine Aggressionen anders auslassen. Aber nicht an dir."
„Wieso Aggressionen?"
„Denkst du, ich habe die Trennung so einfach weggesteckt? Ich habe Charlie die Ohren vollgeheult, bis ich Fleur kennengelernt hab. Ich hätte alles getan, dass du wiederkommst. Und jetzt tauchst du nach zwei Jahren wieder auf! Ich bin einfach ausgerastet deswegen. Das war nicht fair, dich deswegen runterzumachen." Ich schweige, da ich nicht weiß, was ich sagen soll. Ich habe mit vielem gerechnet, aber ganz sicher nicht mit einer Entschuldigung. „Weißt du, was ich als erstes gemacht habe, nachdem mir klar war, dass du nicht wiederkommst?", fragt er und sieht mich an. „Ich bin nach Paris appariert und habe mitten in der Nacht das Brückengeländer der Pont de Arts, an dem unser Schloss hing, abgerissen. Stand am nächsten Tag in der Zeitung. Die Polizei hat geglaubt, dass das Gewicht zu schwer war und das Geländer deshalb eingestürzt ist.", sagt er und ich muss grinsen. Zu meinem Missfallen bin ich schon jetzt nicht mehr sauer auf ihn. Das ist eben eine seiner guten Eigenschaften. Oder schlechten... Wie man es nimmt. Er hat es damals schon immer geschafft, mich zum Lachen zu bringen, wenn ich eigentlich sauer auf ihn war. Aber durch seine Entschuldigung könnten wir es vielleicht sogar schaffen, unseren ewigen Streit endlich zu beenden.
„Mir tut es auch leid.", sage ich. „Ich habe dich gleich runtergemacht, als ich dich letzte Woche gesehen habe. Das war nicht fair."
„Stimmt."
„Will?", fange ich an. „Hast du das ernst gemeint, dass du mich hasst, weil ich Charlie glücklich mache?"
„Ganz ehrlich? Ja. Aber das kann sich ja noch ändern. Vielleicht können wir ja doch Freunde werden."
„Das wäre schön.", sage ich.
„Du sagtest vorhin, dass du denkst, mich nicht zu kennen.", sagt er.
„Ja, ist ja auch so.", sage ich und schaue wieder den Wald an.
„Nein! In diesem Punkt habe ich nie gelogen. Du kennst mich wirklich am besten. Sogar besser als Charlie. Und mit ihm habe ich mein ganzes Leben verbracht. Alleine, dass du immer gemerkt hast, wie es mir gerade ging. Du wusstest es, bevor ich überhaupt irgendetwas sagen konnte."
„Stimmt.", sage ich leise und sehe ihn lächelnd an. 

Verhängnisvolle Liebe (Charlie/Bill Weasly ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt