15. Kapitel

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Pov: Chowa

Meine Sicht verschwamm. Ich schrie und als sie sich nicht rührte, schrie ich nochmal, langsam realisierend was ich dort zu sehen bekam.
Das Ehebett meiner Mutter, in dem sie schon seit ich denken konnte allein drin schlief, war leer und die Decke so umgeklappt, das auf der gelben Matratze das Blut ins Auge fiel, welches anscheinend hindurchgesickert war und das gesamte Gestell tropfen ließ.

Die alte Frau selber lag komisch verdreht auf dem Boden, ihre Augen offen und an die Decke starrend. Das gesamte Gesicht war blutbespritzt und erst dann entdeckte ich wie ihr Nachthemd an der Brust komplett eingeweicht war und sich einige, nasse Wunden darunter befanden.

„Mama!", schrie ich und fiel zu ihr auf die Knie, griff zitternd nach ihrer Hand. Ich war zu geschockt um zu weinen, aber mein Herz schlug mir bis zum Hals. „Mama, hey.. Hörst du mich?"
Erst passierte überhaupt nichts, doch dann richtete sie ihren leeren Blick träge in meine Richtung und ruckartig drückte ihre Hand leicht gegen meine.

„Cho.. Chowa.." Sie musste Blut husten, wobei ich mit großen Augen zusah und mein Herz zu brechen begann.
„Ganz ruhig Mama..", begann ich ängstlich und streichelte über die faltige Haut, in der die Adern spürbar waren. „Alles wird gut, du blutest nur ein bisschen."

Das bisschen war untertrieben, denn sie triefte nur so vor fleckigen Platzwunden und sobald ich sie berührt hatte, war ich ebenfalls voll rötlicher Schmiere, die sie absonderte.

„Cho.." Ihre Stimme war jetzt leiser, nur ein Hauch und veranlasste mich, sie fester zu halten. „Versprich mir, das du auf dich aufpasst, ja? Versprich, das du niemals vor etwas weglaufen wirst, sowie dein Vater und das du immer hinter dir selbst stehst..", redete sie mir leise ins Ohr, Wort für Wort war eine Qual.

„Was erzählst du da?!" Ich wollte und konnte nichts von dem einsehen, was sie sagte. In meinen Augen war es nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder aufstehen würde und für immer den kleinen Laden führen würde, bis er pleite gehen würde und in ihrer Rente im Wald spazieren würde, weil sie jetzt keine Zeit dafür hatte.

Sie zog mich unerwartet an sich, sodass sie genau in mein Ohr reden konnte, wobei sie hechelte, nach Luft förmlich schnappte. „Und wenn du das rosane Messer siehst, lauf weg.."
Ich schüttelte heftig mit dem Kopf und beugte mich wieder über sie, doch ich kam nicht mehr dazu zu sprechen.
Im Gegensatz zu vorhin konnte ich jetzt weinen und schniefte atemlos vor mich hin. In meinen Gedanken erfasste ich eine Erkenntnis, mit der ich mich aber nicht auseinandersetzen wollte.

„Versprich mir, das du wegläufst..", wisperte sie und der Druck in ihrer Hand ließ sofort nach. Der, mit Haaren verklebte, Kopf drehte sich wieder zur Decke und sie blieb reglos liegen, starrend.

Ich blieb noch mindestens 5 Minuten daneben hocken, in denen ich mit ihr sprach, mich für alles entschuldigte, ihr versicherte, das ich nichts allein schaffen würde und bitterlich heulte.

Keine Ahnung wie ich es später geschafft hatte, das Haustelefon zu nehmen und die Polizei anzurufen, wobei meine Fingern vor Zittern nicht die 3 Zahlen treffen konnten, dann wurde es schwarz um mich.

•••

Wach wurde ich schweißgebadet in einem fremden Raum, in dem ich auf dem Rücken lag. Mein Körper war auf Hochtouren, auch wenn ich ohnmächtig gewesen war, fühlte ich mich wie nach einem Marathonlauf.
Ich blinzelte gegen das grelle Licht des Raumes und schon bald fühlte ich mich bereit, meinen Kopf zur Seite zu drehen.

Das Zimmer war klein und einfarbig gestrichen mit einem Tisch und zwei Stühlen, auf denen ich gerade quer gebettet war. Mein Blick führte unter dem kleinen Gestell durch und an der Wand des Raumes stand ein breiter Mann mit einer dunkelblauen Uniform. Als ich meine Augen zusammenkniff, erkannte ich auch die Aufschrift. Es handelte sich hierbei um unsere Vorwahl, ein kleines Schild mit „Müller" und darunter in dicken Buchstaben das Wort:

Polizei

Wäre mein Magen nicht komplett leer, hätte ich mich an der Stelle übergeben. Er schien mich zwar nicht zu bemerken, dafür bemerkte er aber auch nicht, dass er den Stecker der Kaffeemaschine nicht in die Steckdose gesteckt hatte, und jeder Blinde würde das sehen. „Komm doch!", rief er und schlug aufgebracht auf die Oberfläche der Kücheninsel, was mich zusammenzucken ließ.

Unglücklicherweise bemerkte er mich jetzt, wo er sich umdrehte. „Na sieh mal an, wer da wach ist." Er ignorierte die für ihn wahrscheinlich kaputte Maschine und ich musste mich aufsetzen, wobei mir übel und schwindelig wurde.

Der Officer zog den Klappstuhl, auf dem eben noch mein Kopf lag, herum und nahm darauf Platz. Dann sah er mich erwartungsvoll an.
„Du musst ja ziemlich traumatisiert sein, Kleiner. Fast den kompletten Tag hast du verschlafen.", schmunzelte er mich gruslig an.
No shit, Sherlock. Wichser.

Ich glaube er wartete tatsächlich auf eine Antwort darauf, als ich diese aber nicht gab, quasselte er weiter.
„Deswegen wird sicherlich noch ein Psychotherapeut informiert, ist nicht mein Gebiet. Für mich ist jetzt erstmal nur wichtig, was du gesehen hast und an was du dich erinnern kannst."

Erst sagte ich gar nichts, aber schließlich war das ein Regierungsmann und so begann ich ohne Details ganz sachlich das zu beschreiben, was ich noch wusste, und das war nicht viel. Den eigentlichen Schock, der immer noch auf mir ruhte, ließ ich mir nicht anmerken.

Während meiner abgeänderten Geschichte, in der ich natürlich nie weinte oder Angst hatte, nickte er nur ab und zu. „Alles klar", sagte er dann nach einer Weile und machte sich ein paar Notizen. „Hast du irgendwelche Verwandte, zu denen du kannst?"

Ich blickte auf meine Finger, knackte den Mittleren und schüttelte stumm meinen Kopf hin und her.
„Okay, dann müssen sie dich nach Tokio bringen. Du bist noch minderjährig und kannst nicht allein in einem Haus schlafen, wenn offensichtlich ein Mörder hier frei rumläuft."
Sofort blickte ich auf und fixierte ihn. „Das geht nicht, ich gehe hier zur Schule. Ich muss hier auf der Insel bleiben."

Sein Blick blieb seltsam steif. „Nope, so sehr ich mich auch freue das hier endlich mal etwas spannendes passiert, das ist zu gefährlich. Nichts für ungut, aber du siehst nicht aus als wärst du Profi im verteidigen. Aber warte, hat dieses Internat nicht auch ein Wohnheim?"

Mehr als beschämt nicken konnte ich nicht, also müsste ich wohl bald zwischen all diesen Mobbern auch noch wohnen. Nie wieder Ruhe haben wäre mein neuer Alltag und wahrscheinlich würde ich in der dritten Nacht sterben.

„Such's dir aus, entweder du gehst in eine neue Schule in Japan und lebst im Heim oder du findest einen Platz dort."

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