17. Kapitel

8 0 0
                                    

Pov: Tao

„Es ist schon spät, gleich gibt es unten Abendessen und ich habe Kim versprochen mit ihr zu gehen..", murmelte ich nach einigen Schweigeminuten gegen Chos weichen Hinterkopf. Er zuckte zusammen, wie als hätte ich ihn damit aus dem Schlaf gerissen, und blickte mich von unten herauf an.
Ich ging schon seit ich hier war jeden Abend um die gleiche Uhrzeit mit Kimmi zusammen in die Mensa, aber ich hatte keine Lust, ihm das zu erklären.

Seine braunen Augen fixierten mich und sanft aber bestimmt drückte ich ihn dann von mir zurück aufs Bett. „Verstehst du das? Die warten alle.." Meine Stimme war seltsam nervös, obwohl ich das nicht geplant hatte. „Du kannst ja nachher auch noch runter kommen, um dir etwas zu holen."

Ich bekam nur ein schwaches Nicken, was ich fast als eingeschnappt gedeutet hätte, doch dann sah ich erst die Müdigkeit in Chowas Augen, die jeden Moment aus Erschöpfung zufallen würden. Das konnte ihm auch niemand verübeln, denn schließlich war seine Mutter gestorben, er hatte sie dabei gefunden und der ganze Tag war die reinste Hölle für so einen kleinen Körper.
Er nickte und zog sich dabei aus meinen Armen, um sich wieder in das flauschige Kissen zu kuscheln, welches ich vorhin bezogen hatte.

Mit schlechtem Gewissen ihn hier allein zu lassen stand ich auf und schlich zur Tür, von welcher ich meinen Schlüssel zog.

„Tao?"

Blitzschnell drehte ich mich um, wobei mein Blick auf den dünnen Jungen viel, für den das Bett zu groß war. Er hatte jetzt mein T-Shirt an, das zugegeben viel besser an ihm aussah, als an mir. Das Stück Stoff ging ihm gerade so über die Taille und war an der Brust etwas weit, am Bauch aber wieder enganliegend.
Seine Augen war geschlossen.

„Ich wollte nicht, das dieses Foto gepostet wird. Meine Absicht ist es nicht, dir zu schaden, im Gegenteil..", säuselte er schläfrig und ich hatte das Gefühl, er war sich auch nicht bewusst darüber, was er sagte.

Gerne hätte ich was Sinnreiches erwidert, aber mein Mund fühlte sich komplett ausgetrocknet an und denken konnte ich auch nicht. Das Einzige, was ich fühlte, war wieder dieses Ziehen im Bauch, das manche wohl als Schmetterlinge bezeichnen würden. Bullshit, wenn man mich fragt. Eher sind es kleine Piranjas, die ein paar Blutbahnen verbissen hatten und deswegen schlug auch mein Herz so unglaublich schnell.

Ohne ein weiteres Wort öffnete ich die Tür und ging raus, wobei ich so stark in jemanden knallte, das mein Mund danach voller blonder, langer Haare war. „Verdammt, wie oft noch?", ermahnte mich Kim und hielt sich an mir fest, damit sie nicht umfiel.
„Wo warst du? Ich habe schon 10 Minuten vor der Tür gestanden. Komm jetzt, sonst ist unser Stammplatz weg!"

Der Platz würde nie weg sein, denn niemand traute sich dorthin, nichtmal wenn wir krank waren.
Es war der Beste, denn es gab die größte Tischfläche, die meisten Stühle, er stand am Fenster und war der nahestehenste zur Essensausgabe.

Stanley, Jacob, ein paar von Kims besten Freundinnen sowie andere Kids, die anscheinend cool genug waren, saßen schon da und hatten uns absichtlich zwei Plätze nebeneinander frei gehalten, wie jedes Mal. Ich war davon überzeugt, das Kims Freunde versuchten uns beide zu verkuppeln, weil sie glaubten wir sind ein Liebespaar, das dies nur noch nicht weiß. Da war aber überhaupt nichts, noch nie und würde auch niemals da sein. Als Freundin wollte ich niemanden, der den halben Tag vorm Handy und die andere Hälfte vorm Spiegel verbrachte und im Monat mehr Geld für Schminke und Haarpflege, als für Essen ausgab.

Angekommen wurden wir also von allen begrüßt und setzten uns. Übliche Tischgespräche begannen, bevor die Mahlzeit überhaupt los ging. Darin enthalten waren Make-up-hacks, die neusten X-Box spiele, wann ich das nächste Mal Zigaretten kaufen sollte -worauf ich erstmal nichts antwortete, weil ich nicht wusste, ob der Laden geschlossen werden würde- aber von diesem Thema kamen wir dann auf Kims Geburtstag, der bald war. Da sie 18 werden würde, planten meine Freunde die größte Feier des Jahres für das hübscheste Mädchen der Welt, und Kim? Die fand das alles natürlich super schön und badete in ihrem Lob.
Zum kotzen.

Pov: Chowa

Ich schreckte auf.
Wieder so ein komischer Traum, in dem nochmal alles verarbeitet wurde, was in den letzten Stunden passiert war. Nicht nur die Sache mit meiner Mutter, sondern auch der Polizist kam ein paar mal vor und natürlich Tao, die ganze Zeit lang. Wie er mich im Arm hielt, ich mich für einen Moment in Ordnung fühlte und wusste, das er nicht gehen würde.

Als er dies dann doch später tat war ich zwar traurig, sah es aber dennoch ein. Er musste es tun, so war er. Ein Mensch wie Tao ließ nicht alles und jeden stehen, nur weil ich Probleme hatte. Außerdem war es nicht schlecht von der Idee her, denn ich brauchte den Schlaf. An das mit den Albträumen hätte er ja nicht denken können...

Irgendwann gab ich es endgültig auf und kletterte aus dem Bett, um mich vor dem Spiel am Schrank zu stellen, damit mir in mein verschlafenes Gesicht anschauen konnte. Zwar war ich vor gut zwei Stunden duschen, aber trotzdem könnte ich nicht zerknitterter sein. Die eine Hälfte meines Gesichts spiegelte den Abdruck des Kissens wieder, auf welchem ich gerade lag und meine Haare standen wild zu allen Seiten ab.
Murrend fuhr ich mir durchs Gesicht und rieb meine schlaftrunkenen Augen, wobei ich ein Geräusch vernahm. Mein Bauch grummelte und nach diesem einem Mal hörte es auch nicht mehr so schnell auf. Ich hatte Hunger..

Es war die schlechteste Idee gewesen, die ich je hatte, die Mensa aufzusuchen. Bedauerlicherweise war sie nicht schwer zu finden gewesen und ich trat mit leisen Schritten ein. Auf den ersten Blick waren wohl alle Tische belegt und tausende Augen starrten mich an. Ich schluckte.

Da keiner in der Schlange stand, die ich vor der Ausgabe erwartet hatte, lief ich in zügigen Schritten durch den gesamten Raum, spürte dabei wie die Augen mir folgten und stellte mich an die Glasscheibe. „Hallo", lächelte ich die Bedienstete an, welche eine Schürze trug, die wohl mal weiß gewesen war, bevor da lauter Essensreste dran geschmiert wurden.

Die Frau drehte sich langsam zu mir und nickte mir dann freundlich zu, wirkte allerdings ein wenig überrascht über meinen Aufenthalt.

Pov: Tao

Oh nein, oh nein, oh nein, großer Gott. Verzweifelt beobachtete ich wie Cho genau das tat, was seinen Untergang bedeuten würde. Er hielt sich nicht an die Regeln. Und gewaltiger Gott, er kannte ja nichtmal die Regeln! Ich dummes Stück hätte sie ihm erklären müssen, gleich als erstes.

Ich musste zusehen wie er sein Essen bekam und sich an einen Tisch setzte, der auch nur noch einen Platz frei hatte. Die Kameraden daran starrten ihn mit großen Augen an.

Stanley neben mir zischte. „Der weiß wohl nicht, dass wir als erstes Essen holen." Seine Fingerknöchel wurden weiß durch den Druck, als er seine Hände ballte. „Der regt mich so auf."
Seine kleine Freundin, sicherlich nichtmal 1.60, klammerte sich an seinen Arm und versuchte, ihn zu besänftigen.

Ratlos schüttelte ich darüber den Kopf, wobei ich an Kim hängen blieb, die mit verengten Augen zu Chowa rüber sah. „Alles gut?", fragte ich sie und stupste ihren Ellenbogen aus Spaß mit meinem an.

„Was macht der hier? Ich dachte, der wohnt im Wald oder so und ernährt sich von Pilzen. Und verkauft Zigaretten wie seine blöde Mutter.."

Nachdenklich verweilte ich auf ihrem schönen, misstrauischen Gesicht. „Du warst nie da, woher weißt du das seine Mutter da arbeitet?", fragte ich und täuschte ein Lachen vor, denn weder sie noch jemand anderes am Tisch wusste von dem Vorfall heute morgen Bescheid, und ich würde nicht derjenige sein, der sie aufklärte.
„Er lebt jetzt mit hier. Stell dir vor, er ist sogar in meinem Zimmer jetzt." Ich bemühte mich, möglichst gleichgültig dabei zu klingen, um keine Emotion ablesen zu lassen.

Ihre riesigen Manga-Augen richteten sich sofort auf mich und all das Schöne, Süße, was Kim nunmal ausmachte war für einen Moment verschwunden.

forever and beyond Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt