Capìtolo 12

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Adriana

Er versucht es zu überspielen. Er versucht zu überspielen, dass er gerade komplett in Gedanken verloren war und ich keine Ahnung habe woran er gedacht hat. Er versucht zu überspielen wie angespannt er gerade geworden ist und wie sein Kiefer sich verkantet hat. Er versucht zu überspielen, dass nicht mehr alles okay ist. Er versucht zu überspielen, dass er Angst hat. Er versucht seine verdammten Emotionen zu überspielen, doch ich merke es.
Plötzlich rückt er näher zu mir. Keine zwei Zentimeter trennen uns voneinander. Eine kleine Bewegung nach vorn und unsere Lippen fallen aufeinander. Es wäre ein süchtiger und gieriger Kuss, der gleichzeitig mit bedacht ist. Doch ich will es nicht. Nicht so.
„Kian", stoppe ich ihn kurz vor meinen Lippen. Er hält inne, schließt kurz die Augen und atmet angestrengt aus. Er versucht sich zu sammeln. Ich merke genau, dass hier gerade etwas gewaltig nicht stimmt.
Nicht das ich diesen Kuss nicht wollen würde, im Gegenteil. Aber nicht jetzt. Nicht so verdammt. Nicht wenn ich davon ausgehen kann, dass er mich nur küssen will, weil er sich ablenken will. Nicht wenn ich davon ausgehen muss, dass er mich nur Küssen will, weil sein Gehirn gerade raucht.
„Was ist? Geht es dir zu schnell?" – seine Stimme klingt belegt, als würde er versuchen einen ruhigen Ton zu bewahren, auch wenn ihm nicht danach ist. „Wenn das funktionieren soll, dann küss mich nicht, nur um dich auf andere Gedanken zu bringen", murre ich und stehe auf, um Abstand zwischen uns zu bringen. Den Abstand, den ich jetzt ganz dringend nötig habe. Fuck. Was mache ich hier eigentlich? Ich bin mit dem Sohn des Feindes auf einem Date! Mit dem Sohn, dessen Mannes, welcher einen Spitzel bei uns hatte. Dessen Mannes, der gerade Stress mit meinem Vater sucht. Dios, mein Vater ist Tyrann! Er wird mich Blau schlagen, wenn er hier von erfährt! Ich muss ganz dringend wieder zurück. Jetzt.
„Was!?"

Kian

Erschrocken sehe ich sie an. Adriana steht mit dem Rücken zu mir und schaut aus dem Bodenlangen Fenster in den Wald hinein, wo sich unter anderem auch ein kleiner See befindet. Sie rauft sich ihre braunen Haare und legt den Kopf in den Nacken. „Kian, lass den scheiß. Ich weiß ganz genau, dass du gerade über all bist, aber nicht hier. Der Kuss wäre falsch"
Gott nein, der Kuss wäre nicht falsch! Alles andere wäre falsch!
„Fahr mich bitte zurück, sonst muss ich laufen"
Das wäre falsch.
„Sag einfach nichts. Mach es bitte einfach"
Erst jetzt dreht sie sich zu mir um und sieht mich bittend an. Sie sieht plötzlich fertig aus. Nicht mehr so entspannt, wie noch vor ein paar Minuten. Fassungslos starre ich sie an, doch ich bin kein Arschloch. Also werde ich ihrer Bitte nachkommen und sie jetzt nach Hause fahren. Stumm stehe ich auf, räume die Tassen in die Küche und schnappe meinen Rucksack. „Komm", meine ich nur und halte ihr die Tür der Hütte auf. Adriana geht stumm an mir vorbei. Sie würdigt mir nicht mal einen Blick. Verdammter Mist, wann ist denn die Stimmung so verdammt gekippt!? Ich will nicht, dass unser erstes Date so endet! Ich will es einfach nicht. Ich hätte auf einen Kuss gehofft, ja das stimmt, aber ich hätte sie nicht geküsst, weil ich andere Gedanken haben wollte. Ich hätte sie geküsst, weil ich es mit jeder Faser meines Köpers gewollt habe. Doch ich akzeptiere ihre Entscheidung, was nicht heißt, dass ich nicht weiterhin um sie Kämpfen werde.

-

Adriana

Der Regen prasselt gegen die Fensterscheiben meines Fensters. Mein Vater hat nicht Mal bemerkt, dass ich nicht da war und meine Mutter war nur froh, dass ich nicht komplett durchnässt war. Alejandro hat mir angesehen, dass irgendetwas nicht stimmt. Aber auf seine Nachricht mit der Frage, ob ich drüber reden will bzw. ob er irgendetwas gemacht hat, was ich nicht wollte, habe ich weder noch geantwortet. Ich wollte gerade nur alleine sein.
Stumm schäle ich mich aus meinen halb nassen Sportklamotten und hänge diese über die Heizung im Bad. Danach befreie ich meinen nicht mehr ganz in Takten Zopf, welcher eher einem Knäul ähnelt und drehe das Wasser in der Dusche auf. Keine zwei Minuten später prasselt das heiße Wasser über meinen Körper und erwärmt mich binnen von Sekunden. Während ich das Shampoo in meinen Haaren verteile denke ich an Kian. Wollte er mich wirklich Küssen? Also so richtig und nicht wegen Ablenkung? Er sah erschrocken aus, als ich meinte ich will gehen. War er es wirklich? Wollte er, dass ich noch da bleibe?

Meine Gedanken kreisen zu sehr um ihn, dass ich in jener Nacht auch nur ein Auge vernünftig zubekommen habe. Ein, zwei Stunden schlaf waren drinnen, aber mehr nicht. Den Rest bin ich nur durch mein Zimmer getigert und habe krampfhaft versucht an etwas anderes zu denken, als an Kians bescheuerte Lippen. Zwecklos, wie sich heraus gestellt hat.
Jetzt sitze ich um sechs Uhr morgens in der Küche und esse einfach nur schnell einen Apfel, ehe ich mich auf den Weg zum Joggen mache. Diesmal wirklich. Ich muss meinen Kopf frei bekommen und obwohl ich übermüdet bin, trinke ich keinen Kaffee oder anderes Koffeinzeug, sondern nur einen Schluck Wasser, ehe ich mich nach draußen begebe. 

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𝑻𝒉𝒆 𝑴𝒂𝒏 𝑰 𝑾𝒂𝒏𝒕 𝑭𝒐𝒓𝒆𝒗𝒆𝒓 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt