Kapitel 11: Presse(er)zeugnis

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"Heey Mädel, du darfst nicht so viele Teile schmeißen. Komm ma hoch und trink nen Schluck Wasser."

Vic spürte, wie ihr jemand die Wange tätschelte und ihren Rücken stützte. Sie blickte ins Gesicht eines Mannes mit schmaler Sonnenbrille und kurzrasierten Haaren.

"Ich habe nicht zu viel genommen."

Trotzdem wurde ihr eine Flasche Wasser an den Mund geführt. Sie fügte sich und nahm ein paar Schlucke.

"Na dann hast du es falsch kombiniert. Lass mich raten, Ecstasy und LSD zusammen? Du darfst nicht alles glauben, was in den Zeitungen steht. Da vorne der Typ verteilt Broschüren, die über die richtige Dosis aufklären. Kann ich dich jetzt alleine lassen?"

"Mh-hm", die junge Frau bemühte sich überzeugend den Kopf zu schütteln.

Ihre Augen kniff sie noch immer halb zusammen, alles war so hell und so...laut.

He'd say: I know what I want
And I want it now
I want you cause I'm Mr. Vain

Sie spürte Wiese unter ihren Handflächen und schaute hinab.

"Was zum -", ihr Blick blieb stattdessen an ihrem Bauchnabelpiercing hängen. Gut sichtbar dank eines orange gelb pink gebatikten bauchfreien Tops und einer ultra tief sitzenden Cargo-Hose.

So ganz brachte sie nicht mehr zusammen was als Letztes passiert war und wie DAS passieren konnte. Es musste tatsächlich entweder ein Traum oder ein Drogentrip sein, aber sie war sich fast sicher, dass sie mit Honecker vorhin noch erfolgreich eine Abstimmung beeinflusst hatte. Und damit Merz gestürzt worden war und sein Plan nicht aufging und sie nicht mehr in den 70ern gefangen waren. - Ganz eindeutig waren sie hier nicht in 1976.

Sie schaute sich die Feiernden um sich herum an. Das waren eindeutig Gen Z mit ihren Plattform Sneakern, ausgestellten Jeans und bunten Ballonseide Windbreakern.

Sie ging einige Schritte zum Rand der Wiesenfläche und entdeckte den Fernsehturm am Horizont. Hm. Also war sie immer noch in Berlin. In irgendeinem Stadtpark. So nett diese Party auch grundsätzlich sein mochte und so lange sie auch auf keiner mehr war, es war ein bisschen viel zu verarbeiten.
Sie suchte den Ausgang dieser Partylocation und lief in Richtung eines runden Platzes.

Ihr Blick wurde währenddessen unweigerlich auf das tanzende Pärchen gelenkt, das neben dem DJ Pult erhöht stand und von einer kleinen Menge an Zuschauern angefeuert wurde.

Der Mann trug sein schwarzes Haar in der Mitte gescheitelt und war älter als die übrigen Feiernden, stand ihnen mit seiner neongrünen Hüfthose aber fashion-mäßig in nichts nach. Die sommerlichen Temperaturen hatten ihn dazu bewogen sein Hemd auszuziehen und den blanken Oberkörper zu Coco Jambo zu wackeln. Die kurzhaarige Frau, die bei ihm tanzte, war von seiner untrainierten Brust scheinbar nicht abgeneigt und bewegte sich in ihrem engen silbrig glänzenden Minirock so gut es ihr gelang zum Song.

Vic hatte sich gerade dem Gehen zugewandt als die Frau das Mikrofon ergriff und ein bisschen mitträllerte.

Ya-ya-ya coco jambo, ya-ya yeah
Ya-ya-ya coco jambo, ya-ya yeah, ey-o

Moment. Diese Stimmt kam ihr seltsam bek- UM HIMMELS WILLEN WAR DAS AKK?!
Sie lief einige Meter auf die Performer zu und traute ihren Augen nicht, als sich der Mann auch noch als Heiko Maas entpuppte.

"Herr Maas, Frau Kramp-Karrenbauer, kommen Sie runter da!", zischte sie, "Was, wenn sie jemand erkennt?! Diese Bilder bekommt man doch nie mehr aus dem Netz!"
"Aus welchem Netz?"
Glücklicherweise war der Song gerade zu Ende gegangen und sie mussten sich nicht gegenseitig anschreien.

Das SchattenkabinettWo Geschichten leben. Entdecke jetzt