Charity Night

Kapitel 19

Mittlerweile hat Nadine die Flüge gebucht und das Meeting bei Zac in den Kalender eingetragen und diesen als sehr wichtig markiert. Für mich scheint die Zeit jedoch überhaupt nicht zu vergehen und auch meinen fünften Anruf heute drückt mein Chef wieder einmal weg. 'Du kannst dich bei Fragen jederzeit an meinen Bruder wenden. Ich habe vollstes Vertrauen in ihn.' war seine Antwort per Mail nachdem ich ihm auch dort geschrieben habe, dass ich eine Frage hätte.

Frustriert stöhne ich jetzt schon mindestens zum zwanzigsten Mal auf. "Charlotte, was ist denn heute los mit dir?" fragt Lucas mich durch die offene Tür. "Ach, ich kann mich einfach nicht konzentrieren und nicht klappt so, wie ich es mir vorstelle." versuche ich mich rauszureden.

"Sollen wir eine kleine Pause einlegen? Bestimmt musst du nur einfach mal den Kopf frei bekommen!?" Eigentlich hat er vermutlich sogar recht, aber ich kann nicht riskieren, dass man uns zusammen sieht oder Zac irgendwie davon Wind bekommt. Das würde alles nur noch viel komplizierter machen.

"Das ist lieb von dir, aber ich habe hier noch alle Hände voll zu tun und da ich Ende der Woche nach New York fliege sollte zumindest das Meiste davon erledigt sein, dass ich keine Nachschichten einlegen muss und deshalb nicht mehr zum Packen komme. Kannst du mir vielleicht noch einen Tipp geben, was ich mir denn für Kleidung einpacken sollte? Ich weiß ja nicht, was ihr im Big Apple so für einen Dresscode habt." versuche ich mich rauszureden.

"Naja, im Büro kannst du dein Outfit von hier gut tragen, aber solltet ihr am Abend noch in eine Bar oder zum After Work gehen würde ich dir ein Cocktailkleid oder was ganz Ausgefallenes empfehlen. Ich bin aber sicher kein Experte, da wir Männer es in der Hinsicht ja schon deutlich einfacher haben. Ein sexy Hosenanzug oder ein luftiges Satin-Dress würde dir sicher hervorragend stehen." fügt er mit einem Zwinkern hinzu.

Eigentlich bin ich schon recht empfindlich, wenn jemand solche anzüglichen Kommentare von sich gibt, aber selbst für einen guten Konter fehlt mir heute die Kraft.

Die Situation raubt mir jegliche Energie und wenn mit noch vor ein paar Wochen gesagt hätte, dass ich wegen eines Manner mal so durch den Wind sein würde, hätte ich denjenigen vermutlich für verrückt erklärt.

Ich arbeite mich weiter durch die Aktenberge und Mails und versuche mich nicht weiter ablenken zu lassen. Und doch driften meine Gedanken immer wieder zu Zac ab und ich frage mich wo er gerad wohl ist und was er so tut.

Dieses vernichtende Schweigen ist wirklich die Höchststrafe.

Keine Ahnung wie lange ich vor dieser Mail saß als das Klingeln meines Telefons mich aus den Gedanken reißt. "Charlotte, ich habe gesehen, dass du mich Ende der Woche in die Staaten begleiten wirst." höre ich meinen Chef am anderen Ende der Leitung. "Ich werde schon morgen fliegen, aber du kannst den Firmenjet nutzen und einfach am Donnerstag nachkommen. Wir sehen uns dort." war alles was ich wahrnehmen kann bevor er die Verbindung unterbricht und mich niedergeschmettert zurücklässt.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erwache ich aus meiner Starre und fluche laut vor mich hin. Zu laut, da Nadine kurze Zeit später mein Büro betritt und fragend die Augenbrauen hebt. "Was ist passiert?" "Hast du Zac einen anderen Flug gebucht?" will ich von ihr wissen, aber sie schüttelt nur langsam den Kopf.

"Er hat mich gerade angerufen, um mir mitzuteilen, dass er schon früher fliegt und ich aber gern den Jet nehmen kann." gebe ich verzweifelt und schon fast weinerlich von mir. Es macht mich wahnsinnig, dass er mir so sehr aus dem Weg geht.

"Ich wusste nichts davon. Meinst du er hat Wind von deinem Plan bekommen? Eigentlich sollte er doch froh sein. Es war ja immerhin seine Aussage, dass es nun an dir ist, ihm zu zeigen, dass was du fühlst und dass du ihn willst!" Das trifft es so ziemlich auf den Punkt.

" Dann muss ich mir jetzt noch einen Plan B zurechtlegen, damit ich zumindest dort vor Ort die Chance bekomme. Weißt du zufällig, wie seine Adresse in New York ist? Vielleicht könnte ich ja versuchen dort in seiner Wohnung etwas vorzubereiten oder ihn dort einfach überraschen!?" "Klingt nach keiner schlechten Idee. Das müsste ich herausfinden können."

Ich bin wieder überrascht, wie engagiert Sie sich für meine Sache einsetzt und habe das Gefühl in ihr wirklich eine Verbündete, wenn nicht sogar eine Freundin gefunden zu haben! Es ist schließlich nicht selbstverständlich, dass sie sich über so einige Regeln unseres Unternehmens hinwegsetzt.

Zwei Stunden später steht sie mit einem Zettel vor mir. "Ich dachte, dass es sicherer ist, wenn ich dir diese Informationen nicht per Mail sende, weil man ja nie weiß, ob jemand mitliest." Sie schiebt mir das gefaltete Blatt über den Tisch und ich komme mir ein bisschen vor, als würden wir etwas Illegales machen. Dann tippe ich die Adresse in mein Handy und lasse den Zettel in meiner Handtasche verschwinden.

"Das ist ja eine Adresse in der Upper East Side." stelle ich fest. "Ganz schön noble Gegend in der der Herr dort haust." Nadine pfiff anerkennend durch ihre Lippen. " Und wir müssen hier fast am Hungertuch nagen" übertreibt sie und dreht sich um.

Ganz so schlimm ist es nicht, aber London ist schon ein teures Pflaster und wenn man nicht unbedingt in solchen Positionen und Unternehmen arbeitet wie wir, kann es schon echt schwer werden direkt in der Stadt zu wohnen.

Bestimmt hat sein Wohnhaus einen Portier und an dem vorbeizukommen wird eine größere Herausforderung. Wie soll ich denn an dem vorbeikommen? Vielleicht kann ich das ja auch über die Firma verwirklichen und mir Akten als Vorwand mitnehmen.

Ich schnappe mir meine Tasche und mache mich auf den Weg in den Feierabend. Für heute muss es reichen!

Gerade als ich in den Fahrstuhl steige und sich die Tür schließt schiebt sich noch eine Hand dazwischen. Lucas steigt ein und grinst mich an. " Na, hast du Feierabend? Dann können wir ja doch noch etwas Essen gehen?!" Es ist mehr eine Aufforderung als eine Frage.

" Es tut mir wirklich leid, aber ich habe jetzt wirklich keine Zeit. Ich treffe mich mit einer Freundin zum Shoppen." Entschuldige ich mich und hoffe, dass er es dabei belässt.

"Schade, aber vielleicht kann ich euch ja begleiten und ich suche dir ein passendes Outfit für deinen Business Trip aus." lässt er nicht locker und ich überlege fieberhaft, wie ich ihn dieses Mal abwehren kann.

"Lucas, das ist wirklich zu freundlich von dir, aber ich denke ich passe... Wir sehen uns sowieso viel zu selten und ich möchte meiner Freundin eher als Unterstützerin dienen. Ich denke nicht, dass es da so passend wäre dich im Schlepptau zu haben!"

Das leise Ping der Aufzugtür ist meine Rettung und ich stürze schon fast aus dem Gebäude, um ihm zu entkommen.

Nicht, dass er noch auf die Idee kommt und mich verfolgt.

Es wäre das Letzte was ich will, dass er mich bei dieser Notlüge erwischt.

Ein Gutes hat meine verzwickte Lage... Die Spannung die noch letzte Woche zwischen uns herrschte ist wie weggewischt und dafür bin ich mehr als dankbar. Noch mehr Drama würde mein eh schon geschundenes Herz nicht ertragen!