Kapitel 11

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Sofort nachdem Lucas mich allein und verwirrt in meinem Büro zurück gelassen hat, habe ich mich an die Arbeit gemacht und ihm die Akten, nach denen er verlangt hat in sein Zimmer gebracht. Dann habe ich mich selbst auch wieder an meinen Computer gesetzt und angefangen weitere Aufträge abzuarbeiten und außerdem Zac die wichtigsten Mails zugesendet.

Mittlerweile ist es kurz vor Mittag und ich bin ein bisschen angespannt, weil nicht im geringsten einordnen kann, was mich bei dem Lunch-Termin mit Lucas genau erwartet. Dieser Mann kann extrem charmant sein und ich denke, dass er ahnt, warum ich seinen Bruder duze. Leider weiß ich absolut nicht, was ich ihm erzählen soll und was nicht.

Zum Glück bin ich heute um einiges produktiver als gestern und habe den Großteil meines zu erledigendes Pensums schon vor der Pause abgearbeitet. Was bedeutet, dass ich heute mal früher Feierabend machen kann.

Vielleicht sollte ich mal wieder was trinken gehen und spiele mit dem Gedanken Chloe und Nadine zu fragen ob wir nachher noch in einen Pub gleich hier um die Ecke gehen sollen. Es wäre sicher lustig mal wieder was mit ihnen zu unternehmen und wahrscheinlich könnte ich mich auch so ein wenig von meinen verwirrten Gefühlen ablenken.

Mit diesem Gedanken stehe ich auf und gehe in das Großraumbüro, dass an meines angrenzt und halte nach Chloe Ausschau, um ihr meinen Vorschlag zu unterbreiten. Nadine werde ich später anrufen oder Chloe bitten das zu tun.

„Hey, na geht es dir heute besser?" begrüßt mich meine Kollegin freundlich und mit aufmunterndem Lächeln. „Ja danke und da Mr. Hyde heute nicht im Haus ist, wird sich das hoffentlich auch nicht so schnell ändern. Hast du heute nach der Arbeit schon was vor? Wir könnten doch mal wieder zusammen ein Bier oder so trinken gehen?" erwidere ich gut gelaunt.

„Das klingt wundervoll, sollen wir noch ein paar andere Kollegen fragen?" „Klar! Kannst du das vielleicht übernehmen? Ich habe gleich noch eine Besprechung beim Lunch mit dem anderen Mr. Hyde." frage ich sie in der Hoffnung, dass sie mir keine Fragen darüber stellt.

Mit einem großen Grinsen und wackelnden Augenbrauen nickt Chloe mir zu und zeigt mir mit einer Kopfbewegung an, dass besagter junger Mann schon hinter uns getreten ist. „Ich unterbreche die Damen bei ihrem Plausch ja nur ungern und will ihre Abendplanung auch nicht stören, aber ich glaube wir beiden haben jetzt ein Date, wenn ich mich nicht täusche."

Ein Date? Etwas verwirrt sieht Chloe zwischen mir und Lucas hin und her und wirft mir einen Blick zu, der so viel bedeutet wie – ich will genau wissen was hier gerade los ist.                            Aber was soll ich ihr denn Antworten? Seine Aussage hat mich ja selbst verwirrt und ganz schön überrumpelt.

Als wir ein paar Minuten später an dem Tisch in meinem Lieblingscafé platzgenommen haben macht sich eine bedrückende Stille breit. Wahrscheinlich habe ich das ganze eh nur falsch interpretiert und er meinte diesen Spruch nur als Scherz.

„Erzähl mir was über dich..." unterbricht Lucas meine Gedanken und ich bin einmal mehr von ihm überrumpelt. „Was soll ich denn groß erzählen? Ich dachte wir sind zum Arbeiten hier?" füge ich etwas leiser hinzu und schaue schüchtern zu ihm auf.

Seine Attitude ist mindestens genauso einschüchternd und dominant wie die seines Bruders nur seine Augen strahlen eine solche Wärme aus, dass es irgendwie wiederum beruhigend auf einen wirken kann.

Nachdenklich senkt er den Blick auf die Tischplatte und schweigt für einen Moment. Als er gerade wieder anfangen will zu reden tritt der große, blonde Kellner an unseren Tisch heran und ich beobachte neugierig seine tätowierten Arme. Er zwinkert mir zu und ich lächle ihn leicht an.

Im Augenblick ist mir alles lieber, als Lucas anzusehen.

Ein Räuspern bringt mich zurück an den Tisch und der junge Mann wendet sich Lucas zu, der einfach für uns Beide bestellt. „Wir bekommen zwei Pint von einem lokalen Bier und dazu jeweils zweimal das Chicken-Sandwich." Seine Augen sagen dem Kellner, dass er hier nicht mehr gebraucht wird und dieser verschwindet schnell um die Ecke.

„Findest du es in Ordnung mit dem Kellner zu flirten, wenn du doch mit mir hier bist?" fragt er mich mir rauer Stimme und ich frage mich, was daran bitte flirten sein sollte.

„Ähm, ich wusste nicht, dass es jetzt schon verboten ist, jemanden anzusehen und außerdem bleibt es ja wohl immer noch mir überlassen, mit WEM ich WANN flirte, oder?" spreche ich missmutig aus, was mir gerade durch den Kopf geht. „Naja, grundsätzlich mag das ja stimmen, aber es ist doch schon ziemlich unhöflich das zu machen, wenn wir hier gerade ein Date haben, oder?" Stellt er mir eine Gegenfrage. „Ich wusste nicht, dass das hier ein Date sein soll. Laut ihrer Aussage heute Vormittag handelt es sich um eine Besprechung zu einem Auftrag." Versuche ich ihn darauf hinzuweisen.

Seine Mundwinkel zucken belustigt und der Schalk blitz in seinen Augen. „Guter Konter, das muss ich dir lassen, aber wenn ich ehrlich sein soll war das nur ein Vorwand, um mir dir etwas Essen gehen zu können. Du hättest ja höchstwahrscheinlich nicht zugesagt, wenn ich dich nach einem Date gefragt hätte, nachdem du weißt, dass ich quasi dein Chef bin. Oder liege ich da falsch?"

Aufmerksam beobachte ich sein Gesicht und versuche herauszufinden ob er mich nur auf den Arm nimmt oder das wirklich ernst meint, aber ich kann keinerlei Ironie feststellen.

„Nein, wenn ich ehrlich bin liegen sie da sogar sehr richtig. Ich bin im Moment nicht wirklich daran interessiert mit überhaupt irgendjemandem auszugehen, also macht es mir die Tatsache, dass sie mein Chef sind nur leichter." Entgegne ich ihm schonungslos ehrlich und versuche zu ignorieren, dass mir mein Körper etwas ganz anderes mitteilt. Was haben diese Hyde-Brüder nur an sich, was mich so zu ihnen hinzieht?

„Wow, ich weiß nicht, wann ich zuletzt eine so deutliche Abfuhr erteilt bekommen habe, aber erklär mir bitte eine Sache... Warum habe ich das Gefühl, dass das nur dein Kopf ist, der da spricht und deine Augen und dein Körper etwas vollkommen anderes wiederspiegeln? Ich sehe doch, wie du mich ansiehst und ich fühle die Gänsehaut, die sich auf deinem Arm ausbreitet, wenn ich das hier mache..." langsam fährt er mit den Fingerspitzen über die Haut auf meinen Unterarm entlang und sofort geschieht genau das, was er zuvor beschrieben hat.

Am liebsten würde ich ihm das selbstzufriedene, wissende Grinsen aus dem Gesicht schlagen, aber da ich von meinen Eltern anders erzogen worden bin nehme ich mir zurück und lege meine Hände in meinen Schoß.

„Lucas, ich bitte sie. Lassen sie das! Es wäre mir wirklich recht, wenn wir das hier auf einer rein geschäftlichen Ebene belassen können." Versuche ich noch einmal ihn zurückzuweisen und zu meinem Erstaunen nickt er betrübt und widmet sich seinem Bier. „Ich hoffe, dass du deine Meinung noch änderst, Charlotte!" und dann fügt er leise, fast unhörbar hinzu. „Das hoffe ich wirklich!"

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