Kapitel 2

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Angespannt lief ich durch das Treppenhaus, blieb immer wieder auf den Stufen stehen, um mich zu meiner Wohnungstür umzudrehen. Der Ort, an dem ich mich wohl und sicher fühlte, den ich jetzt verlassen sollte und wofür? Damit ich mich mit IHM treffe, er schnell bemerken wird, wie langweilig ich war und die Flucht ergreift? Es war doch von Anfang an abzusehen, dass dieses Treffen in einer Katastrophe enden wird! In unserer Collegezeit war es vielleicht niedlich gewesen, die schüchterne und junge Frau zu beobachten, aber jetzt als Erwachsene, war es mehr als seltsam. Daran war nur Charlie schuld, schimpfte ich innerlich. Ich hätte dem ehemaligen Theaterkollegen niemals geschrieben, fühlte mich jetzt zum einen verpflichtet dort hinzugehen und zum anderen nötigte mich mein bester Freund, der mir sogar gedroht hat, nicht mehr mit mir zu reden, wenn ich Absage. Schwer schluckend stieg ich die nächsten Stufen hinab, musste dieses Aufeinandertreffen schnell hinter mich bringen, damit ich in mein altes Leben zurückkann. Als ich die Haustür öffnete drang augenblicklich der ohrenbetäubende Lärm von London in mein Ohr, den ich so gerne aussperrte. Der Krach der Autos, das rege Stimmengewirr der Menschen, die hier herumliefen, war einfach zu viel für mich. Als ich fünf Schritte nach rechts ging, stand ich schon vor der durchsichtigen Tür, auf der, mithilfe einer weißen Folie, Café London West stand. Nervös betrachtete ich mich in der Spiegelung des Glases und musste zugeben, dass Charlie sich wirklich Gedanken um mein Styling gemacht hatte. Bis spät in die Nacht hat er den Inhalt von meinem Kleiderschrank durchforstet, mir sämtliche Vorschläge unterbreitet, die ich teilweise alle abgelehnt hatte.

Der Blonde kam auf die banale Idee, mich in ein schwarzes Cocktailkleid zu stecken, welches ich nur wegen einem damaligen Anlass im Schrank besaß, seither nie wieder anhatte. Für ein Treffen in einem Café war es mehr als unpassend, weshalb ich mit viel Überredungskunst den Extrovertierten davon abbringen konnte. Ohnehin haben wir viel hin und her diskutiert, bis ich ihn dazu überreden konnte, mich etwas unauffälliger zu kleiden. Deshalb trug ich jetzt eine enge Blue Jeans, ein weißes Top und einen beigefarbenen offenen Cardigan. Meine schwarzen Boots rundeten das Outfit ab, während ich meine mittellangen schwarz welligen Haare offen trug. Das war nicht so aufdringlich wie die ersten Outfits, die er mir zusammenstellen wollte. Wenn es etwas gab, was ich anstrebte, dann war es unsichtbar zu wirken, mich der Masse anzupassen und nicht hervorzustechen. Während ich mich noch immer im Glas betrachtete, spürte ich dieses bekannte, aber flaue Gefühl in meinem Bauch, welches mit enormeren Zweifeln einherging. Ich war mir nicht sicher, ob dieses Treffen die richtige Entscheidung war, auch wenn mich mein bester Freund dazu zwang, weil er es eingefädelt hatte. Tom war ein äußerst attraktiver Mann und natürlich könnten wir über unsere alte Collegezeit reden, aber ich kannte mich und wusste, dass ich sicherlich keinen Ton herausbekommen werde. Es war sinnlos mich mit dem Blauäugigen zu treffen, nur damit er sich nach diesem nicht mehr bei mir meldet. Was soll er auch schon groß mit mir anfangen? Selbst eine Freundschaft war ausweglos, da ich mein Haus kaum verließ und deshalb keine angenehme Gesellschaft war.

Auch wenn ich es riskierte meinen besten Freund mit meiner Entscheidung zu enttäuschen, schüttelte ich entschlossen den Kopf und drehte mich auf dem Absatz um. Ich werde es schon schaffen, die Wogen zwischen uns zu glätten. Doch plötzlich fuhr ich vor Schreck zusammen, als ich eine vermummte Person vor mir entdeckte.
»Wo willst du hin, Sophia?«, fragte der Mann, woraufhin ich meine Augen zusammenkniff und ihn von oben bis unten betrachtete.
»Charlie?«, fragte ich verwundert. Der Blondhaarige sah aus wie ein Bankräuber, trug einen grauen Trenchcoat, dessen Kragen er so weit hochgeschlagen hatte, dass man sein halbes Gesicht nicht mehr erkennen konnte. Außerdem tarnte er sich unter einer Mütze und hinter einer Sonnenbrille. Hätte er eben nichts gesagt, so hätte selbst ich ihn nicht erkannt.
»Wieso siehst du so komisch aus?«, stellte ich verwundert fest und konnte mein Augenmerk von seiner seltsamen Verkleidung nicht abwenden. Mein bester Freund schnalzte mit der Zunge und griff nach meiner Hand, ehe er mich zu der Tür des kleinen Cafés zog.
»Ich bin hier, weil ich schon geahnt habe, dass du einen Rückzieher machen möchtest! Deshalb werde ich dich jetzt dort drinnen an einem Stuhl anketten!« Angespannt drückte ich meine Hand gegen die Tür und verhinderte somit, dass er diese öffnen konnte.

Für immer noch einmalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt