Kapitel 14

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»Sophia, du musst sofort mitkommen«, erwähnte Deborah laut, als sie an meinen Schreibtisch trat. Erschrocken schaute ich zu ihr hoch und nahm langsam die Hand von der Computermaus, die ich eben noch über das Mousepad bewegte. Die Gleichaltrige schien ein wenig abgehetzt und ich ging felsenfest davon aus, es war etwas Fürchterliches passiert. Hatte O'Kelly etwas Grauenvolles angestellt? Ich hatte Angst, der Ältere hatte eine Kollegin belästigt. Ich war sicher nicht die Erste, bei der er es versuchte und ich konnte mir gut vorstellen, dass er schon mit der einen oder anderen im Bett gelandet war. Ob die Frauen das nun freiwillig machten oder nicht, konnte ich nicht erahnen.
»W...was ist passiert?«, wollte ich ängstlich wissen und spürte schon, wie mein Herz aufhörte zu pochen. Mein Gegenüber kam um meinen Schreibtisch gelaufen und schnappte nach meiner zittrigen Hand, bevor sie mich aus dem Schreibtischstuhl zog. Verwirrt über diese Handlung und wankend, weil sie mich so abrupt aus meiner Sitzmöglichkeit gezogen hatte, stand ich mit weit aufgerissenen Augen vor ihr. Ja. Es muss etwas Schlimmes passiert sein, stellte ich fest und schaute panisch an ihr vorbei. War vielleicht ein Feuer im Büro ausgebrochen? Ich konnte aber auf den ersten Blick keinen Rauch oder ein Feuer entdecken und auch die restlichen Kolleginnen saßen friedlich an ihrem Schreibtisch, um ihrer Arbeit nachzugehen.
»De...Deborah«, stammelte ich holprig und wollte in Erfahrung bringen, warum sie sich so seltsam benahm.

»Du musst schnell mitkommen«, meinte die Kollegin nur und griff nach meiner Handtasche. In Windeseile zerrte sie mich in den Gang des Büros, eilte an den Mitarbeiterinnen vorbei, die uns verwirrte Blicke zuwarfen. Ja, ich weiß genau so wenig wie ihr, dachte ich und senkte beschämt meinen Kopf. Wissend, wir zogen die Aufmerksamkeit der Rechtsanwaltsfachangestellten auf uns, ließ ich mich von der Rothaarigen verschleppen. Unfähig, die kleine Entführung aufzuhalten. Erst, als wir den Fahrstuhl erreichten, stoppte die Gleichaltrige, die ein bisschen aus der Puste war. Okay, sie wollte das riesige Gebäude verlassen, stellte ich fest, nachdem sie den Knopf des Fahrstuhls betätigte. Angespannt drückte ich meine Zähne in die Unterlippe und betrachtete ihre Silhouette in dem Metall des Fahrstuhls, welches uns den Weg versperrte.
»Debo...Debor...« Das laute Ping des Fahrstuhls unterbrach mich und bevor ich in der Lage war meinen Satz weiterzusprechen, zog mich die Rothaarige in die Aufzugsanlage, die uns in einigen Sekunden ein paar Etagen nach unten befördern würde. Sollte ich Deborah noch einmal fragen, was hier vor sich geht? Nachdenklich lehnte ich mich gegen die metallische Wand und beobachtete die Gleichaltrige dabei, wie sie sich in der Spiegelfront ansah. Sie prüfte ihr Make-Up und wirkte nicht so, als hätte sie etwas in Panik versetzt. Was ging hier vor sich? Meine Kollegin hatte bemerkt, wie ich sie angestarrt hatte. Ihr Spiegelbild lächelte mir zu, blickte mich direkt an, kaum hatte sie mit ihrem Finger durch den Mundwinkel gestrichen, damit an diesen Stellen bloß kein Lippenstift zurückblieb. Beschämt senkte ich meinen Kopf, schaute auf meine schwarzen Pumps, dessen Spitzen dreckig waren. Das kommt davon, wenn ich der Meinung war, den einen Schuh auf den Anderen zu legen, während ich am Computer sitze. Empfand diese Haltung aber als bequem.

»Alles gut, Sophia?«, erkundigte sich die Rothaarige und drehte sich in diesem Augenblick zu mir um. Befangen sah ich zu ihr auf, wusste nicht so ganz, wie ich reagieren sollte. An sich ging es mir gut. Aufgrund der Tatsache, dass der Dunkelblonde und ich vorankamen, ging es mir sogar blendend, aber diese stürmische Flucht aus dem Büro machte mir Angst.
»Also...«, begann ich und wurde abermals durch das schrille Ping des Fahrstuhles unterbrochen, der uns gerade verkündete, er war im Erdgeschoss angekommen. Die Rothaarige strahlte bis über beide Ohren, als sie sich zu den Türen wandte, die in diesem Augenblick den Ausgang freimachten. Rasch stieg sie aus, verschwand aus diesen beengten vier Metallwänden. Jedoch... Ich rührte mich nicht vom Fleck. Wie angewurzelt blieb ich stehen und schaute in das Foyer, welches ich jeden Tag zweimal passierte. Meine Augen verharrten auf dem roten Teppich, der dort auf dem Boden ausgelegt war. Unvorhergesehen tauchte die Gleichaltrige in meinem Sichtfeld auf und schaute verwundert in den Fahrstuhl, bevor sie laut seufzte. Eiligen Schrittes kam sie auf mich zu, schnappte wieder einmal nach meiner Hand, um mich aus der Aufzugsanlage hinauszuziehen. Erst jetzt bemerkte ich, dass auch die anderen Zwei von der Truppe hier unten versammelt waren.

Für immer noch einmalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt