Kapitel 4

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Gedankenverloren starrte ich schon seit Ewigkeiten auf den Bildschirm von meinem Computer, sollte für meinen Chef ein wichtiges Schreiben an einen unserer Klienten aufsetzen. Aber das leere Dokument wollte sich einfach nicht mit Worten füllen, war blank und das weiße elektronische Blatt auf dem Monitor strahlte mich an. Ernüchternd dachte ich mir, wanderte mit meinem Blick zu der Akte, die neben meiner Tastatur lag und unweigerlich zu unseren Mandaten gehörte. Ich war kaum in der Lage anständig meiner Arbeit nachzugehen, wirkte die ganze Zeit unkonzentriert, gar unfähig einen klaren Kopf zu behalten. Warum war das so, fragte ich mich und wusste die Antwort darauf bereits. Wegen... Plötzlich hörte ich, wie die Glastür zum Büro von meinem Chef aufging, er seinen privaten Raum verließ, um in dem langen Gang entlangzulaufen, der umringt war mit Schreibtischen, wo überall Kolleginnen saßen und ihrer Arbeit nachgingen. Im Gegensatz zu mir, die ehrlich gesagt ein wenig Panik bekam, weil ich noch nichts zustande gebracht hatte. Blitzschnell setzte ich den Briefkopf auf, der nicht sonderlich viel Kreativität benötigt, um geschrieben zu werden. Es waren nur ein paar Worte, die es kaum schafften, dass zukünftige Schreiben auszufüllen. Der Anfang war getan, meinte ich in Gedanken und ging fest davon aus, der Rest schreibt sich von allein. Jedoch herrschte noch immer gähnende Leere in meinem Kopf, als ich auf den Cursor starrte, der vor meinen Augen blinkte. Schlecht, ahnte ich und wusste, wenn O'Kelly, mein Chef, gleich auftaucht und einen Blick auf meinen Bildschirm wagt, er über meinen Fortschritt nicht sonderlich erfreut sein wird. Angestrengt atmete ich aus, massierte mir meine Schläfen und war eigentlich gewillt, diesen Brief zu vollenden. Vor allem wollte ich mir Ärger ersparen, den ich nun wirklich nicht gebrauchen konnte. Ich positionierte meine Finger so, dass ich anfangen konnte zu tippen, wollte die Betreffzeile schreiben, in der wir unseren Auftraggebern mitteilen, worum es in dem Brief geht.

»Hallo, Sophia!« Vor Schreck zuckte ich zusammen, entdeckte Alex neben mir, die Jüngste aus der Truppe, die mich grinsend ansah. »Alles gut bei dir?«, wollte sie wissen, woraufhin ich nickte, meine Aufmerksamkeit wieder auf den Monitor richtete.
»Sicher? Ich höre schon den ganzen Tag, wie du frustriert am Seufzen bist. Ist etwas vorgefallen?« Tatsächlich? Ich hatte nicht mitbekommen, dass ich mich so demotiviert aufgeführt hatte. Dass es in meinem Inneren so aussah, war mir bewusst, aber dass es die Anderen mitbekommen, wollte ich natürlich nicht. Immerhin vertraute ich meinen Kollegen nicht so wirklich, weshalb die Möglichkeit bestand, sie würden unserem Chef mitteilen, wie unproduktiv ich war. Allerdings stand der Schreibtisch der Schwarzhaarigen direkt hinter meinem und ihr fiel alles auf, was mich betraf. Ich ignorierte Alex und versuchte meine Gedanken zu sortieren, damit ich zumindest die Betreffzeile endlich fertigbekam.
»Sophia, ich möchte mich bei dir entschuldigen«, meinte die neureiche Tochter, war schuld daran, dass ich meine Arbeit abermals unterbrach. Überrascht sah ich zu ihr auf, krümmte unwissend meine Augenbrauen und hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
»Es war unhöflich von mir, dass ich dich am Samstag ausgelacht habe, als du uns von deiner Phobie erzählt hast. Deborah hat mir deshalb die Ohren langgezogen und mich daran erinnert, dass ich noch einmal das Gespräch mit dir suchen soll.«

»Schon okay«, flüsterte ich, schaute wieder auf meinen Computer, ehe ich das nächste Wort tippte, wusste nicht, was ich sonst hätte sagen sollen. Die Jüngere stand nur bei mir, weil unsere Kollegin ihr das Geraten hat, wäre selbst nicht auf die Idee gekommen, sich bei mir zu entschuldigen. Das war zwar ziemlich frustrierend, aber ich wollte mir darüber nicht den Kopf zerbrechen. Halbherzige Entschuldigungen war ich gewohnt, hatte noch nie erlebt, dass es jemand ernst mit mir gemeint hat.
»Ich lasse dich weiterarbeiten, Sophia«, teilte mir die Schwarzhaarig mit, die sicherlich noch unproduktiver war als ich. Mit einem Nicken reagierte ich auf ihre Worte, bemerkte im Blickwinkel, wie sie sich wieder entfernte. Endlich war ich allein und es gab niemanden, der mich unterbrechen konnte. Als ich annahm endlich weitermachen zu können, vibrierte mein Handy, welches auf meinem Schreibtisch lag und meine Aufmerksamkeit wieder auf etwas anderes lenkte. Nachdem ich einen Blick auf das Display wagte, verdrehte ich die Augen und nahm es mir zur Hand. Es war Charlie, der mir heute schon zum vierten Mal eine Nachricht schrieb, in der nur ein Kuss-Emoji zu sehen war. Ein Nachteil, wenn man seinem besten Freund etwas erzählt und er diesen Grund zum Anlass nimmt, um einen täglich aufzuziehen, mich damit in den Wahnsinn treibt. Genau deshalb war ich unfähig diesen Kuss von Tom zu verdrängen, mich anderen Dingen zu widmen, wie zum Beispiel meiner Arbeit. Dieses Thema beschäftigte mich nun seit drei Tagen, denn so lange war es her, dass ich mich mit ihm getroffen und er mich einfach geküsst hatte. Seit dem katastrophalen Versuch, mich meiner größten Angst zu stellen, der von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, war es wieder ruhig in meinem Leben geworden.

Für immer noch einmalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt