◆30| L o v e b i t e◆

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Wer einmal der Schuld verfiel, den lässt sie nimmer aus den Krallen

|Paul Heyse|

Lasst euch von der Anfangsszene nicht irritieren. Lest weiter, dann werdet ihr die Szene verstehen.

Es war heiß. Mir war heiß. Unglaublich heiß, vervollständigten sich jene Sätze in meinen Gedanken, die sich auch äußerlich dank einiger körperlicher Auffälligkeiten deutlich abzeichneten.

Nervös knetete ich meine Hände in meinem Schoß liegend, zu einem kleinen Ball zusammen, in der Hoffnung dessen mich, dadurch ansatzweise beruhigen zu können, während tausende und abertausende Gedanken wie ein Wirbelsturm in meinem Kopf wüteten. Ich war Sekunden davor entfernt hier und jetzt unter all diesen Menschen die Nerven zu verlieren. Doch das durfte nicht passieren.

Nicht jetzt. Nicht in diesem alles entscheidenen Augenblick, dachte ich bis ich durch die Person, die sich neben mich auf eine der stahlharten Sitzplätze setzte, wieder in meine Umgebung zurückbefördert wurde. Aus dem Augenwinkel registrierte ich die dunkle Jeans sowie das körperbetonte Oberteil, das er mit einer Bomberjacke kombiniert hatte. Zugleich fielen mir die vielen silbernen, aber fein gehaltenen Ringe auf, die besonders in dem Moment hervorstachen, als er sich durch sein dunkles volles Haar fuhr.

Tian ist eine Augenweide, ging es mir durch den Kopf, als ich einige Meter weiter erneut eine weitere junge Frau dabei erwischte, wie sie immer wieder verstohlen Blicke in seine Richtung warf. Die wievielte Frau es seit unserer Ankunft hierhin war, konnte ich nicht mehr sagen. Doch es hätte mich wenig wundern sollen. Mit Silvana in einem Raum zu sein hatte schließlich genau denselben, wenn nicht sogar einen noch größeren Effekt. Irgendetwas hatten die beiden Geschwister an sich, was die Menschen in ihrem Radius unmittelbar in den Bann zog. Das konnte selbst ich nicht leugnen, während mein Blick auf die feinen, gar künstlerischen Gesichtszüge von Tian fielen. Geblendet von seiner Schönheit, benötigte ich einen Moment, ehe meine Augen den Störfaktor registrierten, der so gar nicht zu dem lockeren Look dieses jungen Mannes passen wollte.

Wäre ich angesichts der gegenwärtigen Situation nicht derart unter Strom, so hätte ich ihn möglicherweise ausgelacht. Stattdessen richtete ich meinen Blick wieder nach vorne und sagte einen neutralen Tonfall bemüht:

«Schicker Schnurrbart. Denkst du der wird als Tarnung ausreichen ?»

Es war doch mehr als offensichtlich, dass das Ding im Gesicht dieses schönen Mannes Fehl am Platz wirkte.

Ohne ihn eines Blickes zu würdigen spürte ich instinktiv, dass sich bei meinen Worten die eine Seite seiner Mundwinkel nach oben hob.

«Nicht so schick wie die Perücke auf deinem Kopf. Rot steht dir. Richtig feurig, genau wie dein loses Mundwerk. Vielleicht solltest du Mal generell darüber nachdenken dir die Haare färben zu lassen.»

Jeder Außenstehende, der diese Szene aus entfernter Nähe beobachtete, hatte bei diesem Schlagabtausch möglicherweise ein bestimmtes Bild vor Augen. Ein sich nahestehendes Paar, das die verbliebene Zeit mit Neckereien überbrückte. Doch wir beide wussten es besser. Weder die spielerischen Worte, noch das an unseren Lippen wie festgetackerte Grinsen täuschten darüber hinweg, dass es unter der Oberfläche brodelte. Und zwar gewaltig. Wir versuchten lediglich mit jeder Faser unseres Seins, den verfaulten Gestank der Angespanntheit zu vertuschen, der uns seit jeher wie ein treuer Schatten verfolgte; aber vergebens. Nichts würde die Wahrheit verdecken können.

Ein leichtes Gewicht legte sich auf meine Handinnenflächen, als ich trotz des kurzzeitig angenommenen Tunnelblicks registrierte, dass Tian mir etwas überreicht hatte. Ich musste nicht einmal den Blick nach unten richten, um zu wissen um was es sich dabei handelte.

His At NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt