◆3| U n k n o w n I d e n t i t y ◆

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Nur das Unbekannte ängstigt den Menschen.

|Antoine de Saint-Exupéry|

Die Sekunden strichen dahin, langsam, still und qualvoll zugleich, während ich meine innere Welt aufrechtzuerhalten bestrebte. Wirr kollabierten mehrere Gedanken miteinander, sodass aus der zarten, feinen Schnur meiner Gedankengänge, ein dicker Knäuel entstand... Ein vermischter, ineinander gefädelter Knäuel, der sich in dieser Verstrickung verloren hatte und nicht mehr zu lösen war.

Nichtsdestotrotz stand ich nun da, inmitten all dieser Studenten, deren Blicke, wie scharfe Pfeile auf mich gerichtet waren und schussbereit darauf warteten sich in meine Haut einzubohren.
In die Haut einer Alington.
Einer Alington, deren Zukunft bereits mit ihren Nachnamen besiegelt worden war. Denn im Gegensatz zu all diesen anderen Studenten hier, wusste ich, wie meine Zukunft, wie mein Leben nach meinen Abschluss an der Universität auszusehen hatte. Ich würde genau wie mein Bruder auch ein Mitglied der berühmten Alington Kanzlei werden und damit außerdem, als erste Frau in die Fußstapfen meine Mutter treten.

Trotz dessen hatte ich dabei jedoch nie beabsichtigt, dies als einen Vorteil für mich anzusehen oder dies für meine Zwecke gegenüber jemand anderem auszuspielen. Papá war immer der Ansicht gewesen, dass ich den Namen Alington mit Stolz tragen sollte, obwohl sie unsere spanischen Wurzeln in erster Linie leider nicht repräsentierte. Dafür hingegen, hatte er eines Abends, erhobenen Hauptes von sich gegeben, dass dies für eine neue Ära unserer Familie stand.

Dies hatte ich immer respektiert und es auch so hingenommen. Dennoch hatte ich mir dabei selbst das Versprechen gegeben dies nicht an die große Glocke zu hängen und meinen Nachnamen, wenn nicht nötig, Preis zu geben. Denn jedes Mal, wenn jemand den Namen Alington hörte, geschah immer wieder dasselbe: Sie analysierten, bewerteten und kritisierten im nächsten Augenblick und dann nahmen die Vorurteile blitzschnell ihren Lauf an. Dass ich ein verwöhntes Mädchen wäre, dass ich mir diesen Platz an dieser Universität durch meinen Vater erkauft hätte...

Alle würden anfangen zu munkeln und einen Halt dieser gewaltigen Mundpropaganda würde niemand mehr bezwecken können. Denn wenn ein Damm bereits Risse vorwies und Wasser auf die andere Seite durchsickerte, dann würde es diesen Druck nicht aushalten können, sodass es letzten Endes sowieso vollkommen in sich zusammenfallen würde. Natürlich war ich mir aber auch im Klaren darüber gewesen, dass durch Liza, die ihren Stand mehr als deutlich zur Schau stellte, garantiert, der ein oder andere herausgefunden hatte, wer ich war oder aus welcher Familie ich kam. Doch mit dieser Aktion von gerade eben war nun auch der letzte hier Anwesende im Saal sich dessen schier bewusst.
Und dieser Misere ausgesetzt worden zu sein, hatte ich niemanden anderen, als diesem unbekannten Kerl zu verdanken, deren Haare nun leicht nach vorne fielen und sich somit ein Schleier über seine Augen legte, die, so schien es mir seine Belustigung zu verbergen bestrebten.

Sanjana, die just in dem Augenblick auf ihrem Sitz sitzend hoch auf mich empor blickte, holte mich wieder in die Realität zurück, als der Kugelschreiber in ihrer Hand auf den Boden auffiel und die endlose Stille durchbrach.

Korruption.

Ein weit verbreitetes überaus gefährliches und betrügerisches Wort. Eine Hässlichkeit, die das Leben vieler Menschen verseuchte, sie vergiftete. Wie konnte dieser Kerl vor mir behaupten, dass er wüsste wie es in dieser Branche zuging ? Hatte er etwa Eltern, die in diesem Bereich tätig waren ? Wurde er selbst mit solch einer Ungerechtigkeit konfrontiert oder hatte diese selbst einmal bei jemanden angewandt ? Warum gab er sich das Recht, mich belehren zu müssen, obwohl er nichts außer meinen Familiennamen kannte ? Natürlich war ich Vorurteile gewohnt, aber dies ging einen gewaltigen Schritt zu weit. Dies war nicht nur eine Erniedrigung meiner Persönlichkeit, weil ich beim Fallbeispiel ein falsches Urteil gefällt hatte. Nein, es war eine Erniedrigung, die sich wie eine Gewitterwolke über meine ganze Familie erhebte, indem er die Gedanken all dieser jungen Menschen in diesem Hörsaal mit seinen selbstgefälligen Blick und seinen überaus unmoralischen Worten infizierte.

His At NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt