Kapitel 2 - Eine Entscheidung

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POV - Sebastian

Ich war erschöpft. Die letzten Monate zerrten sehr an meinen Kräften. Nach meinem gescheiterten Versuch mit meiner Schwester Anne zu sprechen und meinen Nachforschungen wollte ich einfach zurück nach Hause, nach Feldcroft. Ich wusste nicht wo ich sonst hin sollte.
Ominis schrieb mir in einem Brief, dass er jetzt dort wohnen würde. Er hatte eine Menge Geld gespart durch seine Arbeit als Auror für das Ministerium und sich dort ein Haus bauen lassen. Auf den Grundmauern des alten Morganach Anwesens. Ich wusste nicht wieso er es dort bauen ließ, aber es kümmerte mich auch nicht sonderlich. Ich war froh ihn in der Nähe zu wissen. Seit er sich gänzlich von seiner Familie losgesagt hatte, kannte er nichts anderes als Feldcroft. Es war über die letzten Jahre auch sein Zuhause geworden.
Ich wusste selbst nicht was ich mit dem alten Haus tun sollte? Es niederbrennen?
Aber das konnte ich Anne nicht antun, auch wenn sie nichts von mir wissen wollte. Der Schmerz den ich ihr zugeführt hatte saß zu tief, genauso wie mein eigener der mich Tag für Tag von innen zerfraß. Die Reisen waren wohl eine Art Ablenkung, das redete ich mir jedenfalls ein. Seit wir nicht mehr zur Schule gingen wurden die Albträume schlimmer und häufiger, wodurch ich oft nicht schlief und umher wanderte. Ich dachte oft an Lilly in solchen Nächten. Damals hatten wir wenigstens einander und konnten uns den Schmerz teilen, es ging mir besser wenn sie in meiner Nähe war. In schlaflosen Nächten schrieb ich oft Briefe, Briefe die sie nie erhielt in denen ich erklärte, meine Gefühle für sie gestand. Aber ich war einfach zu feige. Die Angst, sie könnte niemals mehr in mir sehen als ihren Freund oder einen Mörder der seinen Onkel eiskalt tötete. Viel schlimmer noch, als ihren Untergang. Schließlich war ich derjenige der sie überredete sich mit schwarzer Magie auseinander zu setzen, der sie alle drei unverzeihlichen Flüche lehrte. Mir wurde erst viel später bewusst wie viel Schaden ich damit angerichtet hatte, durch ihre Kräfte - die Beherrschung der alten Magie - hatte dieser Einfluss viel stärkere Konsequenzen als auf einen gewöhnlichen Zauberer wie mich. Das machte mir Professor Fig klar, kurz bevor er starb. Er wusste es irgendwie, zwar sprach er es nie aus aber er wusste was ich getan hatte. Was ich ihr angetan hatte.
Die Schuldgefühle schlichen sich von dem Tag an in mein Herz und ließen mich verzweifeln. An unserem letzten gemeinsamen Abend wollte ich all meinen Mut zusammen nehmen und ihr alles erzählen, aber ich konnte es nicht. Letztendlich entschied ich mich, nach meinem Streit mit Ominis, sie zu schützen. Vor mir.
Als ich die leeren, verschneiten Straßen von Hogsmeade entlang ging, dachte ich an genau diesen Streit.

Nacht nach der Abschlussfeier, 1893

Völlig außer Atem rannte ich zu den Schlafsälen und zu dem Raum wo Ominis und ich alleine schliefen. „Ominis!!", rief ich und riss die Tür auf. Völlig außer Atem trat ich auf sein Bett zu und ließ mich neben ihn fallen.
Mein bester Freund sah verwirrt in meine Richtung und rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Was hat dich denn gestochen? Ein Bowtruckel?"
Ich schüttelte energisch den Kopf und atmete aus. In meinem Kopf drehte sich alles.
„Ich glaube ich habe gerade Lilly geküsst."
Ominis hob eine Augenbraue. „Du glaubst?"
Verärgert über mich selbst und meine Feigheit schlug ich die Hände vor mein Gesicht und murmelte: „Ominis wieso bin ich so feige? Ich konnte ihr nicht sagen was ich fühle, aber ich konnte ihren Zustand ausnutzen und sie küssen?! Ich bin..."
„...ein Idiot.", beendete Ominis meinen Satz genervt. „Kannst du bitte mal...?", fragte er und machte eine Bewegung die mir sagen sollte, ich solle mich doch bitte aus seinem Bett bewegen. Hastig stand ich wieder auf und ließ mich neben seine gepackten Koffer auf den Boden fallen. „Ich weiß nicht einmal ob sie sich überhaupt daran erinnern wird...immerhin hatten wir ne Flasche Whiskey zusammen...."
Ominis lachte bitter. „So schlecht bist du? Ich dachte du hättest mittlerweile ein wenig Erfahrung gesammelt..."
Mein Kopf wurde rot. „Ominis du weißt ganz genau was ich für sie empfinde, das kannst du nicht vergleichen außerdem habe ich mir sagen lassen ich wäre ganz passabel.", schnauzte ich meinen besten Freund an und verschränkte die Arme. „Sie ist etwas ganz besonderes..." Für einen kurzen Moment herrschte Stille zwischen uns. Bis Ominis sich zu Wort meldete: „Natürlich ist sie das. Also? Was ist passiert?"
„Ich bin ein Feigling, Ominis...ich konnte ihr weder die Wahrheit sagen noch meine Gefühle gestehen."
„Sebastian, ehrlich findest du das fair? Sie im Dunkeln zu lassen obwohl du von dir behauptest, dass du sie liebst?", fragte er mich direkt mit einem eiskalten Unterton. Mein bester Freund wirkte plötzlich sehr gereizt.
„Langsam reicht es mir, ich sehe wie du leidest, ich sehe wie sie leidet, wie ihr beide versucht euren Kummer zu verbergen, es reicht. Wenn du nicht den Mut findest, ich werde es." Seine Worte klangen wie eine Drohung und eine Zornesfalte bildete sich auf meiner Stirn. „Ominis...was meinst du?"
„Gar nichts, Sebastian. Vielleicht solltest du es endgültig gut sein lassen...", murmelte er und drehte sich um.
Ich stand auf, ging zu meinem Bett und brachte kein Wort mehr heraus. Seine Worte waren verletzend aber was hatte ich erwartet? Er hatte Recht.
Wir sprachen keine weiteren Worte mehr miteinander. In dieser Nacht schlief ich nicht, sondern packte meine Koffer, hinterließ Ominis eine Nachricht und verschwand im Morgengrauen unter Tränen aus dem Schloss.
Ich kehrte nie wieder zurück.

Die Zeit verging wie im Flug, aus Wochen wurden Monate, aus Monate schließlich zwei Jahre. Und hier war ich nun. Zurück in einer vertrauen Umgebung die sich trotzdem fremd anfühlte, als würde ich nicht mehr hierher gehören. Ich hatte vergessen wie kalt die Wintertage in Schottland wurden als ich mir die Kapuze tiefer ins Gesicht zog um mich vor meiner Umgebung zu verbergen. Es war bereits dunkel geworden und es schneite wie verrückt. Als ich meine Hände wieder in die Taschen gleiten ließ, fühlte ich den Grund warum ich hier war. Der Brief von Ominis der mich vor ein paar Tagen erreichte. Die wichtigsten Zeilen konnte ich auswendig:

Ich habe dir viel zu erzählen.
Es wird Zeit nach Hause zu kommen, Sebastian.
Sie ist hier und wohlauf.

Meine Gedanken drehten sich um meine Freunde als ich kurzerhand nach Feldcroft apparierte.
Es war Heiligabend.
Das Dorf lag still da, jeder war wahrscheinlich mit Feierlichkeiten beschäftigt. Mir bedeuteten Feiertage nicht besonders viel, aber seitdem Ominis und ich herausfanden, dass Lillys Geburtstag am 24. Dezember war, freute ich mich besonders wenn dieser Tag näher rückte. Sie hatte es uns nie verraten, bis sich Professor Weasley einmal versprochen hatte am Ende des fünften Schuljahres. Ich versuchte ihr trotzdem immer eine Kleinigkeit zu schenken. Bis auf die vergangen zwei Jahre, wo wir keinen Kontakt hatten. Es war ein merkwürdiger Zufall, dass es mich ausgerechnet heute zurück nach Feldcroft zog.
Ich landete direkt am Fuße des Hügels des alten Morganach Anwesens. Im Haus brannte Licht, sie waren also da. Mit schnellen Schritten ging ich zum Haus, vorbei an den großen Fenstern. Ich konnte es mir nicht nehmen lassen einen Blick hinein zu werfen und was ich dort sah, ließ mein Herz aussetzen. Ich konnte Ominis erkennen und mit dem Rücken zum Fenster stand eine dunkelhaarige Frau mit einem geflochten Zopf der ihr über den Rücken fiel. Sie sah, von hinten jedenfalls, sehr gut aus. Ich blieb wie angewurzelt stehen und beobachtete die beiden.
Sie beugte sich nach vorne, strich etwas von Ominis Gesicht und dieser beugte sich daraufhin nach vorne. Er küsste sie tatsächlich. Es waren vielleicht einige wenige Sekunden. Ich wusste nicht ob dies ein guter Moment war die beiden zu stören aber ein seltsames Gefühl brachte mich dazu es trotzdem zu tun. Ich musste wissen wer das war. Entschlossen lief ich zur Haustür und klopfte. Es dauerte nicht lange und sie öffnete sich. Vor mir stand ein verwirrt aussehender Ominis und hinter ihm...sie. Ein Blick in ihr Gesicht und ich wusste sofort wen mein bester Freund geküsst hatte.
„Hallo Ominis...stör ich?"

Holding on to You (SebastianXMC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt