Der kleine schneebedeckte Pfad führte mich an den Rand des Dorfes, vorbei an einen ehemaligen Übungsplatz. Die hölzernen Puppen, die als Ziele dienten, lagen verlassen im Schnee. Ein wehmütiges Gefühl überkam mich. Ich erinnerte mich an die Auseinandersetzungen die wir hier mit Ranroks Anhängern hatten. Hier gelebt zu haben, zu dieser Zeit, musste schlimm gewesen sein.
Ich bereute meine Handlungen nie im Bezug auf Ranrok und alles was ich tun musste um ihn aufzuhalten. Manchmal verfolgte mich sein Gesicht bis in meine Träume. Stolz empfand ich jedoch nie.
Ich dachte auch an Anne, die so viel Leid durchlebt hatte und fragte mich wie es ihr wohl wirklich ging. Nicht das ich Sebastian nicht glaubte, aber irgendwas in mir sagte, dass selbst er nicht die komplette Wahrheit kannte.
Mit den Gedanken bei Anne kam ich beim Haus an. Es sah genauso aus wie beim letzten Mal als ich hier war. Still, friedlich und verlassen. Der einzige Unterschied war der viele Schnee der alles in eine weiche, weiße Decke eingehüllt hatte. In den Ferien waren wir oft hier, halfen Sebastian beim aufräumen, spielten Zauberschach oder redeten die ganze Nacht lang. Seit wir 17 waren, betranken wir uns hin und wieder auch hemmungslos.
Ich strich über den kleinen Zaun, der vor dem Haus gezogen worden war. Eine Ecke war leicht verkohlt. Ich versuchte mich daran zu erinnern was passiert war, konnte es aber nicht. Sebastian hatte schon immer einen Hang zu Feuerzaubern, wahrscheinlich stammte es von ihm, als er mal wieder übte.
Als ich zur Haustür trat, stellte ich fest, dass die Barrieren verschwunden waren. Er musste hier gewesen sein oder war es sogar noch.
„Sebastian?", rief ich zaghaft durch die Vordertür und ging einen Schritt hinein.
Stille. Ich bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken, er könnte nicht hier sein, dass er wieder abgehauen war.
Doch da hörte ich es. Ein Poltern. Es kam aus dem kleinen Schlafzimmer, was Sebastian sich früher mit Anne teilen musste. Ich schob die Tür vorsichtig auf und hatte sofort einen Zauberstab vor der Nase. „Hey, nimm deinen Stab runter...", wies ich ihn leicht genervt an. „Wen erwartest du denn?"
Seit wann war er so paranoid? Verbarg er etwas hier?
„Du bist es, Verzeihung.", murmelte er und steckte seinen Stab zurück in seinen Gürtel. „Ich dachte du wärst vielleicht ein Einbrecher."
„Klar, Einbrecher in Feldcroft, die ein Haus ausrauben wollen, das seit Jahren verlassen ist.", bemerkte ich schnippisch und setzte mich auf sein Bett. Die Matratze unter mir fühlte sich an als hätte ich mich direkt in den Schnee gesetzt. „Was machst du hier?", fragte Sebastian mich leicht verwundert.
Ich legte den Kopf ein wenig schief und musterte ihn. „Ominis hatte mir den Tipp gegeben, dass ich dich hier finden könnte. Wir sollten reden, auch wenn ich weiß das du mir gerne aus dem Weg gehen würdest."
Er zog seine Augenbrauen zusammen. „Wie kommst du darauf?"
„Weil ich denke, letzte Nacht war ein Fehler.", flüsterte ich, kaum hörbar. Wie ein schwerer Fluch wollte ich diese Worte nicht aussprechen, aber ich hatte das Gefühl ich musste es tun. Sebastian ließ sich seufzend neben mich fallen.
„Das denkst du wirklich?"
Ich nickte nur.
„Du irrst dich, aber gewaltig, Williams." Sebastian grinste fast. Seine Reaktion überraschte mich sehr, aber ich hielt inne und hörte weiter zu. In der Hoffnung er würde sich endlich mal erklären.
„Letzte Nacht war alles, aber kein Fehler. Ich-...moment mal..."
Etwas hatte Sebastians Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Er griff an meinen Hals und zog meinen Schal etwas auseinander. „Das ist..."
„Meiner.", unterbrach ich ihn. „Das ist mein alter Slytherin Schal, den ich zufälligerweise schon seit Mitte der siebten Klasse vermisse."
Sebastians Wangen nahmen einen schönes rosarot an und er sah peinlich berührt zu Boden.
„Also darf ich fragen wieso du meinen Schal hier hattest?", fragte ich ihn spitz.
Er gab mir keine Antwort, stattdessen stellte er mir eine Gegenfrage: „Du warst hier?"
„Sebastian, das ich doch jetzt nicht so wichtig. Ich will wissen wieso du meinen Schal geklaut hast!", fuhr ich ihn gereizt an. Dieser wurde noch mehr rot, falls das überhaupt möglich war, dann begann er zögerlich zu erzählen. „Ich habe ihn genommen als du ihn im Gemeinschaftsraum vergessen hattest. Ich wusste, dass es deiner ist wegen dem kleinen Brandloch, du hattest mir davon erzählt. Ich wollte ihn dir zurückgeben aber dann verließ ich Hogwarts und irgendwie habe ich ihn mitgenommen. Er hat mich an dich erinnert. Wenn ich dich schon nicht mitnehmen konnte, dann wollte ich etwas von dir bei mir haben aber ich war auch zu schüchtern um zu fragen...ich dachte du würdest das albern finden."
Ich hörte ihm ruhig zu. Auf der einen Seite fühlte ich mich gerührt und seine Geschichte ließ mein Herz schneller schlagen, auf der anderen Seite wollte ich ihn in ein Mondkalb verwandeln. Ich war wirklich traurig als ich den Schal nicht mehr wiederfand. Er musste gespürt haben wie es in mir aussah.
„Erzählst du mir jetzt warum du hier warst?", fragte er mich kleinlaut.
Natürlich gab ich nach. Ich konnte Sebastian Sallow nie wirklich lange böse sein. „Ominis brachte mich vor zwei Monaten her, als der erste Schnee fiel. Wir kamen hier vorbei und etwas in mir musste nachsehen ob du nicht vielleicht hier warst. Ich schätze ich wollte etwas Vertrautes sehen, etwas was mir bewusst machen sollte, dass du noch existierst. Ominis sagte, du hättest Barrieren errichtet, damit Niemand hier rein kam, aber aus irgendeinem Grund, konnte ich die Barrieren überwinden. Vielleicht liegt es an der alten Magie...
Jedenfalls kam ich ohne Probleme hier rein und habe mich umgesehen. Dabei fand ich meinen Schal auf deinem Nachttisch.", schilderte ich.
„Lilly...ich glaube, es liegt nicht an der alten Magie. Ich glaube, ich wollte es so. Ich muss unbewusst dafür gesorgt haben das du Zutritt erhältst.", gab Sebastian zu bedenken und ich zuckte mit den Schultern. „Könnte sein, ich weiß es nicht. Aber beantworte mir eins, wieso war mein Schal denn überhaupt hier?"
„Weil ich ihn für dich hiergelassen habe; kurz bevor ich nach Amerika gegangen bin.", erwiderte Sebastian. Er klang so, als wäre er sich selbst nicht sicher gewesen. Ich nahm all meinen Mut zusammen und entschied für mich, dass es ein guter Zeitpunkt für diese eine Frage war:
„Ich würde dich gerne etwas fragen und ich verlange das du ehrlich zu mir bist. Das schuldest du mir, Sallow. Was wolltest du mir an unserem letzen Abend sagen?"
Sein Gesicht verzerrte sich so, als hätte er Schmerzen als ich ihm diese Frage stellte. Aber nach einem tiefen Seufzer begann er endlich mir das zu verraten, was ich seit zwei Jahren wissen wollte.
„Ich habe nie aufgehört für Anne zu kämpfen. Ich habe so viel gelesen und Wissen über alle möglichen schlimmen Flüche erlangt. Als sie damals das Relikt zerstörte, musste ich doch weiter machen...Lilly, ich war nicht ganz ehrlich gestern.
Es war kein Experte für Flüche der mir das mit Rookwood verraten hat. Es war Professor Fig."
Meine Augen weiteten sich und ich starrte ihn fassungslos an. Ein schreckliches Gefühle machte sich in mir breit und mein Körper bildete augenblicklich eine Gänsehaut. „Wie...", setzte ich an aber Sebastian erzählte einfach weiter.
„Er sprach mit mir bevor er starb und du nach unten gingst um uns alle zu retten. Er wollte das ich nach all den schrecklichen Dingen für dich da bin, weil er wohl bemerkt hat das wir uns...nahe standen. Ich weiß nicht wie, aber er ahnte wohl, dass ich für den Tod meines Onkels verantwortlich bin. Er deutete an ich solle mich fernhalten von dieser Art von Magie und dich stattdessen lieber davor beschützen. Seine letzten Worte. Diese und das höchstens Rookwood den Fluch aufheben konnte...aber der starb, durch dich. Nach einer Weile in Amerika kam mir der Gedanke, dass du ihn aufheben könntest und das brachte mich zusätzlich dazu mich von hier fernzuhalten. Ich wollte dich da wirklich raushalten. Aber dann kam Ominis Eule und ich wollte einfach nur nach Hause..."
Als er fertig wahr fühlte sich alles in mir taub an. Ich tastete an meine Wangen, sie waren beide feucht. Feucht von den Tränen die still über sie liefen.
„Lilly, bitte...es tut mir Leid, es ist die Wahrheit."
Er hob eine Hand um mir die Tränen von der Wange zu wischen. Ich ließ ihn gewähren, war dankbar für seine Nähe. „Warum hast du mir nie etwas gesagt?", flüsterte ich ungläubig.
„Ich wusste nicht wie. Und bei der letzten Gelegenheit sahst du so glücklich aus...ich wollte dein Glück nicht zerstören.", erwiderte er deutlich betroffen. Ich spürte, dass er die Wahrheit sagte. Es schmerzte trotzdem, zu wissen was er die Jahre mit sich herum getragen hatte, was er mir verheimlicht hatte. Aber gleichzeitig dachte ich über Figs Worte nach und so empfand ich es auch; er war wirklich für mich da, nach allem was ich durchmachen musste. All die schlaflosen Nächte in der wir bloß redeten. Es half mir sehr alles zu verarbeiten.
„Ich war glücklich weil du da warst.", antwortete ich traurig und sah an die Decke. Ich wollte ihn nicht ansehen, nicht so.
„Ich wollte mein Wort gegenüber Fig halten und nach einer anderen Lösung suchen. Ich habe Ominis erzählt, was Fig zu mir gesagt hatte. Er war der Meinung ich müsste das mit dir besprechen aber ich...ich konnte es einfach nicht...und nachdem ich meine letzte Chance verpasst habe, fühlte ich mich als hätte ich verloren. Deswegen bin ich gegangen."
„Das meinte Ominis also...", sagte ich fassungslos. „Er hat mir nie etwas verraten. Er wollte das du es tust. Er ist auch dein Freund.", stellte ich fest während ich meine Fäuste ballte. Ich sah ihm direkt in die Augen und kratzte jeglichen Mut zusammen den ich aufbringen konnte.
„Dein Verschwinden hat mich tief getroffen. Ich habe schlagartig meinen besten Freund verloren. Ohne dich fühlte ich mich haltlos und orientierungslos. Wir wollten gemeinsam eine Ausbildung beginnen, aber du hast mich im Stich gelassen. Und jetzt tauchst du wieder auf und ich weiß nicht was ich denken, sagen oder fühlen soll."
„Nur deinen besten Freund...?", fragte Sebastian zögerlich.
Ich wusste nicht ob ich verwundert sein sollte über diese Frage. War jetzt der richtige Moment für sowas?
„Du bringst jedenfalls alles durcheinander, Sebastian. Ich weiß nicht mehr ob ich wütend auf dich sein soll oder dir verzeihen soll, ich bin ehrlich gesagt verwirrt. Der Sex gestern hat auch nicht wirklich dabei geholfen..."
Er lachte leise. „Aber er war verdammt gut." Gespielt empört, schlug ich gegen seinen Arm. „Das ist jetzt kein bisschen wichtig."
„Natürlich ist es das. Es zeigt mir was du fühlst, für mich. Wie du auf meine Berührungen reagierst...glaubst du ernsthaft ich würde mit meiner besten Freundin schlafen wenn ich nichts für sie fühlen würde? Glaubst du ernsthaft ich würde jede so anfassen?", mit jedem Wort kam er näher zu mir und mit jedem Wort sprach er leiser, bis er nur noch Zentimeter von meinem Gesicht entfernt war. Sein Duft stieg mir in die Nase und ließ mich schwach werden, wie ein Perfume, welches speziell für mich erschaffen wurde.
„Ich weiß es nicht...", stotterte ich, die plötzliche Veränderung seiner Aura verunsicherte mich und machte mich gleichzeitig auch neugierig.
Sebastian lächelte und strich mir über meine Wange. Seine Finger fühlten sich eiskalt an, brannten jedoch wie Feuer unter meiner Haut.
Ich spürte, dass es Zeit wurde. Ich musste wenigstens versuchen in Worte zufassen was ich für ihn empfand.
„Sebastian...ich denke...du bist für mich mehr als nur ein Freund...", setzte ich an und verstummte sofort wieder. Ich hatte es getan.
Da saßen wir nun. Im kalten, verlassenem Haus seines Onkels und endlich sprach ich das aus, wovon ich seit Monaten überzeugt war. Zwar brachte ich nicht das Wort Liebe über die Lippen, aber ich hoffte inständig er verstand, was ich ihm mitteilen wollte. Der Fund meines Schals in diesem Haus ließ mich hoffen, er würde dasselbe fühlen, trotz seiner Abwesenheit.
Es blieb eine Weile still. Wir hörten wie draußen jemand im Schnee stapfte und am Haus vorbeiging. Wir hörten wie ein kleiner Vogel auf dem Zaun saß und zwitscherte. Was ich ebenfalls hörte war das Klopfen in mir. Mein Herz schlug so stark, ich hatte Angst es würde mir jeden Moment aus der Brust springen. Nach quälend endlosen Minuten machte Sebastian den Mund auf:
„Ich bin nicht gut für dich, Lilly. Ich bin wie Gift für dein wunderschönes Herz. Es wird dich nicht heute töten, oder morgen, aber über Zeit wird es passieren. Ich glaube mein Onkel hatte Recht. Ich habe kein Recht auf Glück, weil ich mich zu sehr der Dunkelheit zugewandt habe...alles was ich anfasse wird früher oder später verderben."
Ich wollte es nicht hören. Nicht das, denn es klang wie eine Entschuldigung. Eine Entschuldigung erneut aus meinem Leben zu verschwinden.
Nie hatte Sebastian so offen über das gesprochen, was er wirklich über sich dachte. Langsam begriff ich wie dunkel es tatsächlich in seinem Inneren aussah und es schmerzte. Ich sah ihn in einem ganz anderen Licht, als er sich selbst beschrieb. Für mich war er Niemand, der böse war, lediglich ein junger Mann, dem viel Böses widerfahren war. Letztendlich waren es doch unsere Entscheidungen, die definierten wer wir waren. Das lehrte mich mein Mentor, Professor Fig.
„Wieso überlässt du dieses Urteil nicht mir selbst?", fuhr ich ihn an, bereute aber meinen Tonfall sofort. Ich atmete kurz durch und fuhr dann fort: „Sebastian, du bist nicht böse. Du hast einen Fehler gemacht, ja aber am Ende widerstanden. Du bereust es. Ein Schwarzer Magier hätte das nicht."
Meine Stimme zitterte leicht aber ich konnte mich gut genug zusammen reißen. Sein Blick verriet mir nicht, was er in diesem Moment dachte, also sprach ich einfach weiter.
„Es ist jeden Tag ein Kampf für mich diese Kräfte zu kontrollieren. Ich weiß nicht was passieren wird. Aber du machst mich stark, das weiß ich mit Sicherheit. Wenn du das nicht-„, weiter kam ich nicht. Sebastians Lippen lagen schon auf meinen und küssten mich zaghaft. Der Kuss war entwaffnend, fordernd. Ich gab mich ihm erneut völlig hin, wie schon vergangene Nacht. Er hatte definitiv ein besonderes Talent mich zum Schweigen zu bringen.
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Holding on to You (SebastianXMC)
FanfictionTriggerwarnung: Gewalt, Sex, Alkoholkonsum, selbstzerstörerisches Verhalten, Schimpfworte Enthält außerdem Spoiler für die Story von „Hogwarts Legacy" Das Slytherin-Trio, berüchtigt seit der fünften Klasse und unzertrennlich. Ein paar Jahre nachde...