Kapitel 15 - Kontrolle

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Einige Wochen später

„Du musst die alte Magie besser beherrschen! Was ist denn los mit dir? Hast du sie so lange nicht mehr eingesetzt?! Was für eine Verschwendung, dir wird so eine Gabe in den Schoß gelegt und du nutzt sie einfach nicht. Wenn du es nur wolltest, könntest du die mächtigste Hexe in diesem Jahrhundert werden! Stattdessen verschwendest du dein Potential. Traurig."
Lucius als Lehrer zu haben war ein Fluch und ein Segen zugleich.
In diesem Moment fühlte es sich mehr wie ein Fluch an. Keuchend fiel ich auf meine Knie und sah hoch zu meinem Instruktor.
Er stand einige Meter entfernt von mir und sah mich mit verschränkten Armen an. Der Ausdruck in seinem Gesicht wirkte angestrengt, seine Augen verrieten jedoch nichts. Diese blickten mich nur ausdruckslos an.
„Ich weiß es nicht, sie scheint blockiert zu sein.", antwortete ich fast atemlos und unsicher.
Wir waren seit dem Sonnenaufgang dabei zu trainieren, der Schweiß lief mir meine Stirn runter und tropfte auf den Boden. Meine Händen fühlten sich an als würde sie jeden Moment aufreißen und bluten. Mein restlicher Körper schmerzte bereits vor Anstrengung und ich spürte wie jeder einzelne Muskel brannte.
„Steh auf. Zauberstab hoch. Wir duellieren uns.", befahl er in seiner betont harschen Art und kam auf mich zu.
„Sie kann nicht mehr, Lucius.", schaltete sich Sebastian ein und trat zwischen uns auf den staubigen Übungsplatz. Wir hatten ihn wieder her gerichtet nachdem ich zurück nach Hogwarts ging. Seit Lucius und ich gemeinsam nach Feldcroft gekommen waren, war ich unter der Woche in Hogwarts um zu unterrichten, nach Hinweisen zum Verbleib der Hütern zu suchen und an den Wochenenden in Feldcroft um selbst von Lucius unterrichtet zu werden. Er zeigte mir verschiedene Techniken der alten Magie, von denen ich bisher nichts wusste. Alles was ich konnte hatte ich mir schließlich selbst beigebracht oder ich handelte instinktiv.
Er hatte ein paar Jahre mehr an seinen Techniken gearbeitet und beherrschte sie wesentlich besser als ich.
Lucius war auch ein fantastischer Duellant und er wusste es auch. Sebastian sagte zwar, es würde ihn nicht interessieren aber ich konnte förmlich spüren wie sehr er darauf brannte erneut gegen Lucius anzutreten um seine verlorene Ehre wiederherzustellen. Ich mischte mich da nicht ein, das sollten sie unter sich klären, allerdings wirkte Lucius nicht sonderlich interessiert an einer Revanche.

Seit ich mich in den Untergründen von Hogwarts gegen die absolute Macht entschieden hatte, hatte ich die alte Magie kaum noch genutzt und das merkten wir schnell, meine Fähigkeiten waren absolut eingerostet. Jedoch wenn ich äußerst emotional wurde, spürte ich die Kräfte zurückkommen. Als würde sie ständig unter der Oberfläche schlummern und nur auf den nächsten Gefühlsausbruch warten.
Ich war schnell frustriert beim Training und Lucius war nicht der geduldigste Mensch, was keine gute Kombination ergab.
„Steh auf.", befahl Lucius ein letztes Mal, richtete seinen Zauberstab auf mich und ignorierte Sebastian, als wäre dieser gar nicht anwesend.
Mein Blick verhärtete sich und ich spürte einen Anflug von Energie der mich wie von alleine aufstehen ließ. Ich strich mir den Schweiß von der Stirn und richtete meinen Zauberstab auf meinen Bruder.
„Siehst du, Sallow. Sie ist viel stärker als du glaubst. In Hogwarts wurdest du in Watte gepackt, liebste Schwester. Du hast keine Ahnung was in dir steckt, wenn du es nur willst.", kommentierte Lucius, fast schon stolz.
Expelliarmus!", setzte ich den ersten Zauber ab. Ich nutzte Lucius kurze Ansprache aus um ihn zu entwaffnen aber er war leider schneller als ich. „Protego."
Mühelos wehrte er meinen Zauber ab und sendete ihn zurück. Ich schaffte es gerade noch meinen eigenen Zauber zu blocken.
„Armselig. Wo ist deine Energie? Ich habe dir doch mehrfach gesagt du sollst es ernst nehmen.", stöhnte Lucius genervt und sein Blick fiel plötzlich auf den wütenden Sebastian der nun wieder einige Meter hinter mir stand.
„Vielleicht mangelt es dir an der richtigen Motivation...", murmelte er.
Ein fieses Grinsen umspielte Lucius Lippen. Ich zog meine Augenbrauen zusammen und fragte mich was er vorhatte. Genau in diesem Moment schwang Lucius seinen Zauberstanb erneut und zielte auf Sebastian. „Depulso!"
Es dauert keine Sekunde bis ich begriff was er da tat. Ich versuchte schnell zu reagieren und warf mich vor Sebastian. In letzter Sekunde konnte ich seinen Angriff blocken, schlitterte aber auf meinen Knien auf dem sandigen Platz. Staub wirbelte auf und die schwere Luft füllte meine Lungen, was mich zum Husten brachte.
Mein Blick fiel schnell zu Lucius, als der Staub sich langsam legte.
„Sag mal hast du sie noch alle?!", brüllte ich meinen Bruder an der mich mit erhobenem Kinn ansah und dann schief grinste. „Greif mich an. Lass es raus. Was wirst du tun wenn ich deinem Liebsten Sebastian ein Haar krümme?"
Lucius hob erneut seinen Stab und zielte auf Sebastian, dieser zog seinen eigenen Zauberstab, aber er wirkte unsicher ob er eingreifen sollte oder nicht. Zögerlich sah er zwischen uns beiden hin und her während ich zwischen meinem Bruder und ihm hin und her sah.
Mit aller mir verbliebenen Kraft rappelte ich mich auf und warf ihm weitere Flüche an den Kopf. Ich war wütend und dachte nicht mehr nach. Schnell drehte sich mein Körper wie von selbst und entfesselte die Kraft die in mir verborgen lag. Meine Finger fingen an zu kribbeln als ich spürte, wie die alte Magie ihren Weg durch meinen Körper fand. Ich musste sie nur loslassen.
„Na endlich.", hörte ich Lucius murmeln. Er zog seine dunkle, runde Brille ein Stück runter und seine eisblauen Augen sahen mich nun direkt an.
Ein Schlag nach dem nächsten ließ ich auf ihn nieder, ich versuchte ihn mit der Magie zu packen, ihn aufzuhalten, um ihn weg zu schleudern.
„Dein Problem Kleines, ist du benutzt sie auf Basis deiner Emotionen. Du musst lernen sie zu kanalisieren, sie zu kontrollieren.", begann er mit seinem Vortrag während er versuchte auszuweichen. Um ein Haare hätte ich ihn erwischt, was mich noch wütender machte.
„Kontrolle, Lilly.", ermahnte er mich.
„Halt den Mund.", knurrte ich und fixierte ihn. Wenigstens einen Treffer wollte ich landen.
Als ich diesen Gedanken fasste, passierte es tatsächlich. Ich traf, packte ihn und schleuderte ihn gegen die nächste Übungspuppe. Diese zerbrach vollständig unter der Wucht meiner Magie und ich lächelte zufrieden für den Bruchteil einer Sekunde.
Er hatte keine Chance, der Zauber traf ihn so schnell, dass er ihn nicht mehr abwehren konnte.
Nach diesem heftigen Aufprall stand er direkt wieder auf. Er war hart im nehmen, das musste ich ihm lassen.
„Wo war diese Gleichgültigkeit die letzten Wochen?", keuchte Lucius, wischte sich den Dreck von der Hose und grinste mich an.
„Lucius, sie ist nicht sie selbst ich wäre vorsichtig an deiner Stelle!", rief Sebastian ihm warnend zu.
Lucius sah zu meinem Freund und zuckte mit den Schultern.
„Bei Merlin, ich hoffe sie ist nicht sie selbst. Ihr verweichlichtes Ich kann nicht kämpfen."
Die Aussage reichte mir um ihn erneut ohne Vorwarnung anzugreifen aber dieses Mal konnte er sich weg ducken und schoss mit alter Magie zurück. Mühelos blockte ich den Angriff und trat einige Schritte vor. „Du hast keine Ahnung wer ich bin.", fauchte ich meinen Bruder an und hob meinen Zauberstab an für einen weiteren Angriff. 
„Du hast keine Ahnung was ich schon durchgemacht habe. Du hast keine Ahnung wie ich ausgebildet wurde. Du hast keine Ahnung wer ich bin."
Mit zitternder Hand stand ich näher an dem grauhaarigen Mann, der mich bloß ansah und nichts mehr sagte. Seine Miene wirkte unbeeindruckt aber in seinen Augen konnte ich Trauer erkennen.
Ich hatte nicht bemerkt wie Sebastian an meine Seite getreten war und meine Hand nahm um diese zu senken. „Es reicht ihr beiden. Ihr bringt euch noch um. Du hattest was du wolltest, Ashwood.", sagte er ruhig und sah erneut zwischen uns hin und her. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, wütend machte ich auf dem Absatz kehrt und wollte den Übungsplatz verlassen. Ich hatte genug von ihm für einen Tag.
„Du solltest dich nicht einmischen, Sallow.", hörte ich Lucius noch in Richtung Sebastian sagen ehe er mir hinterher lief.
Seine Schritte wurden immer lauter.
„Lucius ich bin ein wirklich geduldiger Mensch, aber du machst mich wahnsinnig. Sebastian angreifen? Ehrlich?", fauchte ich ihn an als er mich eingeholt hatte.
„Aber es hat geholfen, Kleines."
„Du lässt Seb daraus oder das war's mit dem Training. Lass mich in Ruhe.", fuhr ich ihn erneut giftig an.
„Du musst lernen dich zu beherrschen.", fuhr er fort und ignorierte meine Warnung.
„Lucius.", versuchte ich es erneut aber er ließ nicht locker, packte meinen Arm und drehte mich zu ihm, sodass ich ihn ansah.
„Du hast deine Emotionen nicht im Griff und damit alles andere ebenfalls nicht, Du-„
„Lucius!"
„Wie willst du ihn sonst beschützen?!"
LUCIUS!", brüllte ich ihn an und wollte mich losreißen, stattdessen traf ihn eine Welle von meiner Kraft und schnitt ihm am Arm. Vor Schmerz ließ er mich los und sah mich erschrocken an. Das erste Mal, dass ich so etwas wie Schreck in seinen Augen sehen konnte, die alles und jeden sonst so kühl betrachteten.
Ich ließ ihn einfach stehen und lief in Richtung Haus, ich hätte nicht gewusst was ich ihm noch hätte sagen können in diesem Moment. Er respektierte meine Grenzen nicht und hielt es für eine gute Lernmethode mich auf das Äußerste zu reizen um sein Ziel zu erreichen. Aber in mir zerbrach es langsam, das war nicht der richtige Weg.
Mir war nicht klar warum ich das mit mir machen ließ, vielleicht wegen der Schuldgefühle. Schuldgefühle, dass er ein anderes Leben geführt hatte als ich. Schuldgefühle weil unsere Mutter sich entschieden hatte mein Leben zuerst zu retten.
Schuldgefühle weil ich nicht wusste wer er war, aber er wusste wer ich war.
Schuldgefühle weil er Menschen verletzt hatte nur um mich zu finden.
Sebastian schien uns hinterher gelaufen zu sein, denn ich hörte wie die beiden Männer sich lautstark stritten. Aber es kümmerte mich nicht.

Holding on to You (SebastianXMC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt