Kapitel 4 - Die Krypta

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Die Sonne ging auf und warf dir ersten Strahlen durch mein Fenster. Schlaftrunken streckte ich meine Hand zur Seite aus, griff jedoch ins Leere.
Sein Geruch, oder vielmehr unser Geruch, hing noch in der Luft und an den Bettlaken.
Einen Moment lang glaubte ich, die letzte Nacht war nur ein Traum, dass ich in der Badewanne eingeschlafen war und mir das alles ausgedacht hatte. Aber mein Körper verriet mir, dass es tatsächlich passiert war.
Seufzend stieß ich die Bettdecke beiseite und stand auf.
Ein seltsames Gefühl von Einsamkeit überkam mich. Er war nicht geblieben.
Wahrscheinlich war dies eine einmalige Sache für ihn, betrunkener Sex um Druck abzubauen, mehr nicht. Der Gedanke schmerzte sehr und ich dachte ich darüber nach wie ich ihm gegenüber treten sollte. Sollte ich so tun als wäre nichts passiert? Sollte ich mit ihm darüber sprechen? Was war mit Ominis? Hatte er etwas mitbekommen? So gedankenverloren am frühen Morgen öffnete ich meinen Kleiderschrank und suchte mir etwas zum anziehen aus.
Ich entschied mich für ein einfaches, schwarzes Hemd mit einer dunklen Hose. Meine Haare band ich mir zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen, damit sie mir aus dem Gesicht blieben. Ich wollte an diesem Tag ein wenig weiter lesen und mich ablenken. Bevor ich aus meinem Zimmer trat, traf ich die Entscheidung erst einmal abzuwarten wie er auf mich reagieren würde. Ich war mir fast sicher, das diese Nacht ein Fehler gewesen war. Aber wie konnte sich ein Fehler so gut und richtig anfühlen?
Ich öffnete die Tür und schlich in den Flur. Ich hörte nichts, lediglich leise Geräusche aus der Küche. Einer von beiden war also schon auf.
An der Treppe stieß ich jedoch fast mit Sebastian zusammen, dieser kam mit zerzausten Haaren und halb offenem grauen Hemd aus einem der Gästezimmer. Als er mich sah hielt er kurz inne. Bei Tag konnte man viel deutlicher seine Sommersprossen erkennen und den leichten rosigen Ton, den er auf seinen Wangen hatte. Seine warmen Augen musterten mich in Sekunden. „Guten Morgen...", sagte er leise, etwas schüchtern.
Ich entschied mich weiterhin dafür erst einmal auf Abstand zu bleiben. „Morgen, Sebastian. Gut geschlafen?"
Er legte seine Stirn in Falten und sah mich leicht verwirrt an. „Lilly, ich-"
„Ominis macht Frühstück, wir sollten ihn nicht warten lassen.", unterbrach ich ihn, schob mich provokativ an ihm vorbei und ging die Treppe nach unten. Dabei achtete ich extra darauf möglichst elegant zu wirken und meine Hüften etwas zu schwingen. Er hielt kurz inne und folgte mir dann. Ich hoffte insgeheim, dass er mir hinterher sah.
Unten angekommen gingen wir in den Essbereich wo Ominis bereits wartete. Er saß am Kopf des Tisches und trank eine Tasse Tee. Vor ihm war der Tisch gedeckt mit einfachen Sachen. Toast, gebratene Eier, Bohnen, Tee, Kaffee für mich und etwas, was für mich wie Schinken schmeckte. Ich fragte aber auch nie genau nach.
Sebastian setzte sich rechts von Ominis und ich setzte mich links von ihm, sodass wir uns gegenüber saßen. Ich wollte ihn im Auge behalten, seine Reaktionen beobachten.
„Morgen.", murmelte der müde wirkende Sebastian und gähnte.
Ominis lächelte fast bösartig. „Haben wir einen kleinen Kater, mein Freund?" Sebastian antwortete nicht direkt, sondern gab nur Laute der Bestätigung von sich.
Wir sagten eine Weile kein einziges Wort, bis Ominis sich wieder meldete: „Ich frage mich ja was ihr gestern noch so gemacht habt."
Oh, oh.
Ich warf einen kurzen Blick zu meinem Liebhaber der letzten Nacht und fühlte ein wenig Erleichterung als ich sah, dass sein Gesicht genauso rot wurde wie mein eigenes. Die Luft zwischen uns dreien hätte man mit einem Messer teilen können.
Ominis aß einfach weiter seinen Toast, als könnte Nichts und Niemand in der Welt seinen Morgen ruinieren.
Ich hob meine Tasse schwarzen Kaffee an und nippte dran. Ominis hatte ihn mir besorgt, allerdings wollte ich nicht wissen wie und woher. Vermutlich fragte sich eine arme Muggelfamilie wo ihr Kaffeepulver abgeblieben war.
„Sagt mal, da wir jetzt so schön beisammen sitzen...kann mir einer erklären wieso mein Badezimmer völlig unter Wasser stand heute morgen?", fragte Ominis fast schon unbekümmert und kaute weiter. Das Blut in meinen Adern gefror schlagartig.
„Äh...es tut mir leid...ich glaube ich habe vergessen...es...wieder in Ordnung zu bringen nachdem wir- ähm, ich meine, nachdem ich fertig war.", stotterte ich. Sebastian prustete leise los. Unter dem Tisch verpasste ich ihm einen leichten Tritt. „Autsch...", protestierte er und fing an zu schmollen. „Das ist nicht lustig, Sallow.", knurrte ich.
Ominis zuckte gelassen mit den Schultern. „So,so. Wo wir schon bei dir sind, Sebastian. Wo hast du eigentlich geschlafen? Ich wollte nach dir sehen als ich hoch ging, aber dein Bett war leer...ich hätte schwören können du sagtest doch du wolltest schlafen gehen...", begann er langsam weiter zu fragen und zu erzählen. Er machte dies mit einer quälenden Langsamkeit, wahrscheinlich damit uns diese Situation peinlicher wurde. Er wusste es also.
Sebastian verschluckte sich an seinem Tee. „Ähm. Ich...war...spazieren. Genau. Kopf frei kriegen und so...", räusperte er sich und wandte sich wieder seinen gebratenen Eiern zu, in der Hoffnung Ominis würde es gut sein lassen. Da lag er allerdings falsch.
„Im Schneesturm? Nachts?", hakte Ominis nach, hob eine Augenbraue an und trank einen Schluck Tee. Er wusste genau was er da tat.
Ich konnte das kaum mit ansehen und schnappte mir schnell den Tagespropheten, hinter dem ich mich verstecken konnte. Sebastian sah mich böse an, als wäre das sein Plan gewesen. Ich streckte ihm meine Zunge raus, verschwand sofort wieder hinter der Zeitung. Ich überflog schnell einen Artikel, in der Hoffnung ich könnte das Thema wechseln. „Wusstet ihr, dass eine Hexe verhaftet wurde weil sie heimlich Riesenschnecken gezüchtet hat um ihre Muggel-Nachbarn zu ärgern, also das sind mal Neuigkeiten...", sagte ich schnell. Wahrscheinlich machte dies nicht einmal Sinn und ich übersah etwas.
Mein kläglicher Versuch eines Themenwechsels scheiterte allerdings, da beide mich ignorierten. Sebastian sah Ominis böse an, dieser lehnte sich allerdings entspannt zurück und sagte: „Wisst ihr, ich mag vielleicht nichts mehr sehen, aber dafür höre ich umso besser. Ich dachte das wäre euch nach all den Jahren bewusst, naja...
Außerdem ist Lillys Schlafzimmer direkt neben meinem...selbst ein gehörloser Troll hätte mitbekommen was ihr da getrieben habt letzte Nacht."
Sebastian verlor endgültig die Nerven und ich fühlte mich auch nicht viel besser. Hilfesuchend sah ich zwischen den beiden hin und her.
„Ominis...", versuchte ich den Blonden leise zu ermahnen.
„Hey, ist doch in Ordnung, Lilly. Er kann zwar nicht aussprechen was er für dich empfindet aber ihr könnt vögeln sobald Sebastian betrunken genug ist, ist doch eine super Sache.", meinte er nur, wieder komplett gelassen. Zu gelassen.
Mir gefiel seine Art nicht. Er wirkte viel zu ruhig. Aber ich kannte meinen Freund. Wenn er so ruhig war, sah es in ihm nicht gut aus, viel schlimmer als wenn er sich normal aufregen würde.
Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe rum.
Ich betete zu wem auch immer, dass Sebastian jetzt keinen Streit vom Zaun brach. Meine Gebete wurden nicht erhört.
„Ja, okay. Wir hatten Sex, na und? Du hast sie geküsst obwohl du genau weißt wie ich...darüber denke.", fuhr Sebastian ihn an.
„Ach, seit wann ist sie dein Eigentum, Sallow? Denkst du, du hast irgendein krankes Vorrecht auf sie weil du sie zuerst angesprochen hast?", fuhr Ominis ihn zurück an. „Du. Hast. Sie. Alleine. Gelassen."
Sebastian sprang vom Tisch auf. „Du weißt gar nichts Ominis! Denkst du das ist deine große Chance? Du kümmerst dich um sie und sie wird sich unsterblich in dich verlieben? In Ominis Gaunt, den Weißen Ritter?!", schrie Sebastian seinen ehemaligen Schulkameraden an.
„Wenigstens war ich für sie da!", schrie dieser zurück. „Und wenigstens will ich sie nicht benutzen für meine eigenen Zwecke!!", lag er noch nach. Das hatte gesessen.
Sebastian starrte ihn völlig entgeistert an. „Du weißt nicht wovon du sprichst...", sagte er mit zitternder Stimme.
Gerade als Ominis den Mund auf machte schaltete ich mich jetzt doch dazwischen. Ich stand auf, schlug meine Fäuste auf den Tisch und brüllte so laut ich konnte: „ES REICHT!!!" Es zeigte tatsächlich Wirkung. Die beiden Jungs hörten augenblicklich auf und starrten mich gemeinsam an.
Der Raum wurde dunkel, der Boden fing an zu vibrieren und unter meinen Füßen brodelte die alte Magie langsam auf, wie kleine Blasen tanzte sie in der Luft um mich herum. Ich konnte es kaum zügeln. Wir war einer der schlimmsten Katalysatoren für diese Macht und ich hatte lange nicht mehr damit gearbeitet.
Die beiden konnten es nicht so klar erkennen wie ich, aber sie konnten spüren, dass etwas nicht stimmte.
Sebastian hob seinen Arm langsam hoch und ging einen Schritt auf mich zu. „Ganz ruhig, Lilly...es ist okay...beruhige dich..."
Ich war aber noch nicht fertig also brüllte ich los: „Ich darf ja wohl entscheiden wen ich küsse, wenn ich vögel oder mit wem ich sonst etwas habe! Ich gehöre keinem und ich lasse mich auch nicht für irgendwelche Zwecke missbrauchen!! Damit das klar ist...ihr...wisst gar nichts!"
Ominis zog seine Augenbrauen zusammen und ging ohne ein weiteres Wort aus dem
Raum. Sebastian stand wie versteinert vor mir, machte Anstalten mir etwas zu sagen, aber brachte nichts über die Lippen.
„Lass mich in Ruhe.", zischte ich ihn an und ließ die Magie los. Sie war so schnell verschwunden wie sie gekommen war. Wenigstens das konnte ich besser kontrollieren, dachte ich mir.
Ich wollte weg, weder sein, noch Ominis Gesicht sehen.
Mit schnellen Schritten verließ auch ich den Raum und als würden meine Füße ein Eigenleben entwickeln gingen sie die kleine Wendeltreppe herunter in den Keller. Das letzte was ich hörte war wie Sebastian gegen den Tisch trat und fluchte.

Holding on to You (SebastianXMC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt